Wenn in der Mediationslandschaft Zitate der Woche ausgerufen werden, dann verdient das folgende Zitat von Dr. Anno Hamacher besondere Aufmerksamkeit: „Mit Hilfe einer besonderen Gesprächsführung werden die Interessen und Bedürfnisse aller Beteiligten betrachtet“,
beschreibt das Landesarbeitsgericht die Mediation. „Aber auch in normalen Verfahren darf der Richter kein Stockfisch sein“. Wird weiter ausgeführt. Dann: „Der Großteil des Jobs eines Richters ist Kommunikation und Tatsachenfeststellung“.
Aha …! Es ist nicht leicht, die Essenz der Berufe des Mediators oder des Richters zu beschreiben. Beim kundigen Leser entsteht der Eindruck, als fehlte da etwas ganz Wesentliches. Aber das Zitat war ja nicht für den kundigen Leser bestimmt.
Die IM sieht die undifferenzierte Beschreibung der Mediation zunehmend als ein Problem. „Mediation? nein, die hatten wir doch schon“ sagt der Mandant seinem Anwalt. Auf dessen erstaunte Frage erläutert der Mandant: „Da war doch so ein Mediator von der Rechtsschutzversicherung. Das hat überhaupt nichts geholfen!“ Was der Mandant nicht weiß ist, dass der als telefonische Shuttle-Mediation ausgerufene Versuch nur eine sogenannte „sondierende Mediation“ war, die etwa mit einer transformativen Mediation in keiner Weise zu vergleichen wäre. Eine solche Mediation wäre durchaus noch sinnvoll und möglich.
Spannender sind deshalb die statistischen Eindrücke, die in dem Interview zitiert werden:
- 90% der Sachen im Arbeitsgerichtsprozess werden „einvernehmlich entschieden“ (was das auch immer ist 🙂
- Nur 3 von 4 Richterplanstellen sind besetzt
- Die Zahl der Gerichtsverfahren ist im 1. Halbjahr 2013 um 6% gestiegen
- 60% der Sachen sind Bestandsschutzstreitigkeiten wie Kündigungsschutz- und Entfristungsklagen.
- Vor dem Güterichter wurden in der Probephase 60% der Fälle erfolgreich abgeschlossen
Diese Angaben gelten für das Arbeitsgericht Solingen. Das Interview wurde im Solinger Tagblatt veröffentlicht (siehe hier).
Lieber Dieter, Du hast völlig recht. Das ist keine Mediation und man sollte es auch nicht so nennen. Dagegen anzukämpfen ist aber wie gegen Windmühlen kämpfen. Besonders wenn Du die Mediation im internationalen Vergleich siehst (Komme gerade von einem Training in Brüssel). Wenn das so weiter geht, ist es schon Mediation wenn ich Dich frage: „Gehen wir Kaffee trinken?“ und Du sagst „Nein“. Ich sage: „Was wir jetzt machen, das muss vertraulich bleiben und Du musst aber freiwillig mit mir darüber reden ist das ok?“ Du sagst: „Meinet wegen“. Ich sage: „Hab ich Dich richtig verstanden, Du willst keinen Kaffee trinken?“ Du sagst: „Ja“. Ich sage: „Na gut, dann trinken wir keinen Kaffee.“ Und Du bewunderst mich jetzt, wie gut ich Dich paraphrasiert und verstanden habe. Das war übrigens eine Kaffeemediation erkläre ich Dir stolz 🙂
Selbst wenn das, was hier als „sondierende Mediation“ bezeichnet wird, im Einzelfall möglicherweise mal sinnvoll ist, sollte man das nicht Mediation (und auch nicht Shuttle-Mediation!) nennen, um solchen Missverständnissen, wie oben geschildert, nicht noch mehr Nahrung zu bieten – das hat den Namen meist nicht verdient! Ich habe den Eindruck, dass da zum Teil ganz banale Anrufe bei der Gegenseite schon als Mediation angepriesen werden, nur um sie gesondert abrechnen zu können (sonst würde das ja auffallen…). Merke: Immer wenn etwas trivial ist, braucht es eine hochtrabende und am besten noch englische Bezeichnung, damit man nicht sofort merkt, dass es das Geld nicht wert ist – des Kaisers neue Kleider?