Im Jahre 2012 war es das Mediationsgesetz, das die Mediation stärken sollte. Ist das Gesetz über die alternative Streitbeilegung in Verbrauchersachen (Verbraucherstreitbeilegungsgesetz – VSBG) die Fortsetzung der Stärkungspolitik oder ihr Seitenhieb? Die Frage erscheint angebracht, denn der nunmehr im Bundestag zu verhandelnde Gesetzesentwurf überschreitet Grenzen.

Wie immer wurde das Gesetz streitig diskutiert. Niemand spricht mehr von einem Meilenstein. Das VSBG regelt eine Schlichtung, aber nicht die Schlichtung. Ob das VSBG dazu beiträgt, dass außergerichtliche Streitbeilegungsverfahren besser nachgefragt werden, erscheint mehr als fraglich. Es wird nicht erkennbar, wodurch das Institut der Verbraucherschlichtung für den Anbieter wie für den Nachfrager attraktiv sein könnte. Mediatoren könnte diese Irritation zu Gute kommen.

Was hat gefehlt, um genau dieses Gesetz willkommen zu heißen? Zugegeben, der Gesetzgeber hat kaum eine andere Wahl als seine Gesetze zu ergänzen, wenn er Vorgaben von der EU bekommt. Die EU erließ am 21. Mai 2013 die Richtlinie 2013/11/EU des Europäischen Parlaments und des Rates über die alternative Beilegung verbraucherrechtlicher Streitigkeiten und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 und der Richtlinie 2009/22/EG (ABl. L 165 vom 18.6.2013, S. 63). Ihre Umsetzung wird bis zum 9. Juli 2015 erwartet. Aus der heutigen Sicht erweist sich die politische Vorgehensweise als eine nicht aufeinander abgestimmte Salamistrategie. Die Annäherung an den ADR-Markt erfolgt scheibchenweise ohne eine erkennbare Systematik. Zunächst wurde die Mediation und jetzt, im Nachgang, wird die Verbraucherschlichtung geregelt. Die Schiedsgerichtsbarkeit war schon geregelt. Die Regelung der Ausbildung zur Mediation stockt im Entwurfsstadium. Das VSBG wird dazwischen geschoben. Welches wird die nächste Scheibe sein? Sollten am Ende die geregelten und die nicht geregelten Verfahren im Wettbewerb stehen?

Der Grund für den Erlass des VSBG mag aus der Einleitung des Regierungsentwurfs herausgelesen werden. Dort wird ausgeführt: „Nach der Richtlinie müssen die Mitgliedstaaten dafür sorgen, dass Verbrauchern bei Streitigkeiten mit Unternehmern außergerichtliche Streitbeilegungsstellen zur Verfügung stehen“. Ob der Gesetzgeber selbst in der Errichtung weiterer Schlichtungsstellen eine Notwendigkeit sieht, mag ebenso dahingestellt bleiben, wie die Frage, ob es dazu überhaupt eine Notwendigkeit gibt solange Mediatoren noch händeringend nach Fällen suchen. Soll das VSBG deren Chance sein oder ist es ihre Bürde?

Viele kritisieren die Zurückhaltung des Ministeriums. Im Grunde ist jede Form der Zurückhaltung zu begrüßen, solange es kein nachvollziehbares Konzept für die ADR gibt und solange sich die Verfahren und Märkte nicht gefunden haben. Erst in diesem Stadium kann eine Reglementierung mehr leisten als ein „Kessel Buntes“.

Der Regelungsbereich

Wie groß der auf die zuvor festgelegte Aufgabenstellung zugeschnittene Regelungsbereich des Gesetzes ist, sollte sich aus ihm selbst ergeben. Das VSBG gibt in §2 VSBG-E einen Anhaltspunkt. Danach ist die durch das Gesetz geschaffene Verbraucherschlichtungsstelle zuständig für Verfahren zur außergerichtlichen Beilegung zivilrechtlicher Streitigkeiten, an denen Verbraucher oder Unternehmer als Antragsteller oder Antragsgegner beteiligt sind“. Die Konjunktion „oder“ erlaubt die Anwendbarkeit des Gesetzes auch auf zivilrechtliche Streitigkeiten, in denen Verbraucher untereinander streiten oder gar Unternehmer. Die Tatsache, dass § 21 auch die grundsätzliche Beteiligung eines Unternehmers in Frage stellt, erhärtet die Schlussfolgerung, dass dieses Gesetz auch für zivilrechtliche Streitigkeiten zwischen Verbrauchern und gar zwischen Unternehmern anzuwenden ist. Das geht weiter als die eingangs zitierte Pflicht zur Einrichtung außergerichtlicher Streitbeilegungsstellen für Verbraucher bei Streitigkeiten mit Unternehmern. Wird über das Ziel hinausgeschossen?

Der so definierte Wirkungsbereich ist jedenfalls groß genug, um eine generelle Regelung über die Schlichtung zu treffen. Spätestens mit dem Erlass des MediationsG liegt dieser Gedanke – ob erwünscht oder nicht – auch nahe. Schon das Gesetz zur Förderung der Mediation und anderer ADR-Verfahren warf die Frage auf, warum Art. 1 die Mediation geregelt hat, nicht aber explizit auch die Schlichtung. Salamitaktik erschwert die Abgrenzung der Verfahren. Sie trägt dazu bei, dass die auf Verfahren aufbauenden Dienstleistungen, bei denen sich der Konsument für eine Mediation, für eine Schlichtung aber gegen ein Gerichtsverfahren entscheiden soll, noch unübersichtlicher wird. Jetzt kann sich der Konsument auch noch für ein Streitbeilegungsverfahren i.S.d. §§ 10 ff VSBG entscheiden. Genauer gesagt entscheidet er sich für eine Institution und dafür, ob er die Schlichtungsstelle etwa einem Mediator gegenüber bevorzugt oder nicht. Die Unterscheidung ist nicht nur für den Konsumenten herausfordernd, weil sie – wie noch darzulegen ist – von unterschiedlichen Anknüpfungspunkten ausgeht. Die Unklarheit wird sich als eine systemische Vorgabe auf das Angebot übertragen. Mangelnde Verständlichkeit und Eindeutigkeit werden der Nachfrage im Wege stehen.

Bisher fällt es trotz des MediationsG selbst dem Gesetzgeber und den Mediatoren schwer, allein die Grenze zwischen den grundlegenden Verfahren der Schlichtung und der Mediation treffsicher zu beschreiben. Wesentlich einfacher fällt die Abgrenzung zu den streitentscheidenden Verfahren. Das MediationsG bietet für den Grenzgang zwischen der Schlichtung und der Mediation in §1 Abs. 1 MediationsG lediglich das Tatbestandsmerkmal der Eigenverantwortlichkeit an; als wäre die Schlichtung (eigen-)verantwortungslos. In der Begründung zum MediationsG wird die Abgrenzung über die Tätigkeit des neutralen Dritten vollzogen. Die angewendete Faustregel besagt: Unterbreitet der neutrale Dritte Lösungsvorschläge, ist das Verfahren eine Schlichtung. Verzichtet er darauf, ist es eine Mediation. Die auf die Handlung abstellende Simplifizierung erweist sich als ungeeignet, wenn es darum geht, die Verfahren auseinander zu halten. Sie ist ungenau und bedarf der Relativierung. Auch ließe sich die formale Hürde leicht mit einer rhetorischen Formel überwinden. So könnte ein mögliches Lösungsmodell alternativ als Anregung, Frage, Empfehlung, Hinweis oder aus Warnungen heraus vorgestellt werden. Sollte der Unterschied der Verfahren etwa an den Formulierungen festzumachen sein? Weiterhin beschreibt die Frage, ob der Dritte Vorschläge einbringt oder nicht, seine Tätigkeit. Demnach könnte der Verfahrenswalter allein durch seine Rhetorik das Verfahren umwidmen. Mit Mediation hat das nicht viel zu tun.

Der Verfahrenscharakter

Mit der Einführung des MediationsG wurde ein hinreichender Grund geschaffen, die Mediation wenigstens gegen die grundlegenden Verfahren der außergerichtlichen Streitbeilegung verbindlich abzugrenzen. Es ist ein herausforderndes Unterfangen, denn eine sinnvolle Abgrenzung lässt sich in einem informellen Verfahren nur bedingt über Formalien herbeiführen. Eine Abgrenzung ist deshalb nur möglich, wenn die Verfahren aus ihrer Wesenshaftigkeit heraus begriffen werden. Die folgende Systematik ergibt einen enumerativen Zugang zu den wesenstypischen Verfahrensgattungen. Hinter jeder Gattung verbirgt sich ein eigentypisches Kommunikationsmodell, das den Charakter des Verfahrens eindeutig prägt und dem sich alle Verfahren zuordnen lassen. Alle Verfahren sind Verfahren der Streitbeilegung. Die erste grundlegende Differenzierung eine Ebene darunter ist die Gegenüberstellung von Verfahren der Streitentscheidung und denen der Streitvermittlung. Verfahren der Streitentscheidung sind das Gerichtsverfahren und die Schiedsgerichtsbarkeit. Verfahren der Streitvermittlung sind die Schlichtung und die Mediation. Den Kategorien lassen sich weitere Verfeinerungen in Form von Verfahrensmodellen, -formen und -stilen zuordnen. Dazwischen gibt es Mischformen. Trotz dieser Vielfalt lassen sich alle Streitbeilegungsverfahren konsistent in das nachfolgende Schema einbeziehen:

Einteilung der Streitbeilegungsverfahren
Streitvermittlung Streitentscheidung
Mediation Schlichtung Schiedsgericht Gericht

 

Die korrekte Einteilung der Verfahren trägt zur Strukturierung bei. Struktur ermöglicht Orientierung und Klarheit. Im Fall des VSBG-E fallen strukturelle und sprachliche Grenzüberschreitungen auf. §5 führt den an die Verbraucherschlichtungsstelle gebundenen Streitmittler ein. Das ist offenbar kein Schlichter. Es scheint so etwas zu sein wie ein Mediator oder ein Schlichter und doch muss er etwas anderes sein. Wie aber grenzt er sich ab, wenn sowohl der Mediator wie der Schlichter bereits Streitvermittler sind? Offenbar ist ein Streitmittler mehr als ein Schlichter, denn sonst könnte sich der Gesetzgeber ohne weiteres für den Begriff des Schlichters entscheiden. Auf den ersten Blick erscheint es offen, in welchem Verhältnis Mediator, Schlichter und Streitmittler zueinander stehen. Es gibt Überschneidungen.

Wie wichtig es ist, die Begrifflichkeiten und die durch sie repräsentierten Verfahren präzise gegeneinander abzugrenzen, belegt nicht nur die mit dem Verfahren determinierte Haftungsfrage. Auch die Praxis erwartet Klarheit. Dem Konsumenten wird zugemutet, dass er sich bei der Wahl des Dienstleisters zugleich für ein Verfahren entscheidet. Also braucht er eine Orientierung darüber, welches Verfahren zur Verfügung steht und wie es dazu beitragen kann, seinen konfliktbezogenen Bedarf zu decken. An dieser Stelle beginnt Verbraucherschutz und an dieser Stelle versagt der VSBG-E. Die Praxis reagiert verwirrt. Das Angebot der Agentur für Arbeit verdeutlicht das vorherrschende Unverständnis sehr eindrucksvoll

[15]. Die Anstalt des öff. Rechts führt in ihrem Berufsverzeichnis zwar den Beruf des Mediators auf, ignoriert allerdings den Beruf des Schlichters. Dafür beschreibt sie den Beruf des Mediators wie den eines Schlichters. Wie viel anders mag der Beruf des Streitmittlers nun zu beschreiben sein? Was wird dem Verbraucher zugemutet, der diese Ansätze auseinanderhalten soll, damit er die auf ein Verfahren auszurichtende Dienstleistung herausfiltern kann? Muss er am Ende die unterschiedlichen, nach §4 notwendigen Verfahrensordnungen der jeweiligen Verbraucherschlichtungsstelle studieren, um zu erkennen, welches Verfahren wo und wie durchgeführt wird?

Bei dem Versuch das nunmehr in §10 VSBG geregelte Streitbeilegungsverfahren systematisch einzuordnen, ist wieder auf den Verfahrenscharakter abzustellen. Die Identifikation des Streitbeilegungsverfahrens der Verbraucherschlichtungsstelle wird dadurch erschwert, dass die gesetzlichen Vorschriften Elemente der Mediation mit denen der Schlichtung und der Schiedsgerichtsbarkeit vermischen. Insgesamt erinnert das in den §§ 10ff. VSBG beschriebene Verfahren an die non-binding Arbitration. Die nachfolgend nur beispielhaft aufgeführten Vorschriften belegen die hoheitliche Kennung: In § 7 ist von der Amtsdauer die Rede. § 14 Abs. 2 sieht die Möglichkeit vor, dass das Verfahren sogar gegen den Willen des Antragsgegners geführt werden kann. § 16 schreibt rechtliches Gehör fest. Schließlich erweckt § 17 den Eindruck, als sei der Schlichtungsvorschlag im Falle seiner Annahme zugleich das Verfahrensergebnis. Der Vorschlag geriert zu einem Schlichtungsspruch. Die begriffliche Gegenüberstellung in § 18 VSBG mit der „ansonsten“ von den Parteien getroffenen Einigung verstärkt diesen Eindruck. §17 Abs. 4 räumt ein, dass sich der Unternehmer dem Schlichtungsvorschlag pauschal im Vorhinein unterwerfen könne. Damit verliert der Vorschlag zumindest im Verhältnis zum Unternehmer die Eigenschaft eines Vorschlages. Die Tatsache, dass sich das Ergebnis der Verbraucherschlichtung rechtlich und für die Parteien verbindlich nur über einen Vergleich i.S.d. § 799 BGB oder eine Unterwerfung herstellen lässt, gerät aus dem Fokus. Das hier beschriebene Verfahren passt ganz und gar nicht zur Mediation. Seinem Wesen nach kommt es der Schlichtung nahe. Dazu passend erwähnt §17 den Schlichtungsvorschlag als Verfahrensergebnis.

Die Irritation

Wenn es sich also bei der Verbraucherschlichtungsstelle um eine Schlichtungsstelle handelt, die in erster Linie eine mit einem Schlichtungsvorschlag endende Schlichtung durchführt, warum wird das Verfahren dann nicht als Schlichtung bezeichnet? Warum bekommen sowohl das Verfahren wie die funktional zuständige Person abweichende Namen? Will der Gesetzgeber etwa ein neues ADR-Verfahren ins Leben rufen?

Diese Frage ist wohl zu verneinen, obwohl mit dem Gesetz ein neues Verfahren auf den Markt kommt und in den ADR-Verfahren ganz sicher als solches zu listen ist. Seine Einsortierung wird jedoch Schwierigkeiten verursachen. Spätestens dann fällt die Wahl der Begrifflichkeiten ins Gewicht. Dass das Verfahren der Schlichtungsstelle die Bezeichnung Streitbeilegungsverfahren trägt ist in zweierlei Hinsicht bemerkenswert: Zum einen, weil der Gesetzgeber wieder einen Begriff einführt, den er zuvor „zur Vereinheitlichung des Sprachgebrauchs“ mit dem Mediationsförderungsgesetz in allen gesetzlichen Vorschriften gegen den Begriff Konfliktbeilegungsverfahren ausgetauscht hat. Um die Formulierung im VSBG-E allerdings zu verwenden, um zwischen Streit- und Konfliktbeilegungsverfahren zu unterscheiden (was aus der Sicht der Mediation zu begrüßen wäre), gibt das Gesetz keine konsistente Handhabung. Zum anderen ist zu beachten, dass der Begriff der Streitbeilegungsverfahren bereits als Sammel- und Oberbegriff für alle Verfahren der Streitbeilegung, einschließlich der Gerichtsbarkeit eingeführt ist und auch vom Gesetzgeber so verwendet wird. Jetzt steht sein Plural für den Oberbegriff, während der Singular das Schlichtungsverfahren der Verbraucherschlichtungsstelle bezeichnet.

Das strukturelle Dilemma wird außer durch die irritierende Terminologie mit der Regelung des §1 heraufbeschworen. Offenbar will der Gesetzgeber die Verbraucherschlichtungsstelle nicht auf Schlichtungen beschränken. Sie soll in der Wahl des anzuwendenden Konfliktbeilegungsverfahrens befreit sein. Der Gedanke würde der Institutsgarantie entsprechen und ist insoweit mit dem eingangs zitierten Auftrag kompatibel. Der gesetzliche Ansatz erlaubt es dem Streitmittler durchaus, Mediationen durchzuführen – zumindest theoretisch. Praktisch kollidiert die in §1 eröffnete Freiheit mit den Verfahrensvorschriften des VSBG. Schon dass ein Mediator gezwungen wird eine Verfahrensordnung vorzulegen, kollidiert mit dem Wesen der Mediation. Die Mediation will ihr Verfahren idealiter mit einem Verhandlungsritual beginnen, in dem die Verfahrensregeln mit den Parteien auf gleicher Augenhöhe verhandelt werden. Eine Verfahrensordnung passt in ein hoheitliches Verfahren. Sie ist mit dem Wesen der Mediation – wie auch andere Vorschriften des VSBG etwa zur Kostentragung – nur bedingt vereinbar.

Gerade wegen der Unterschiedlichkeit der nach §1 von der Verbraucherschlichtungsstelle anzuwendenden Verfahren ist nicht nachvollziehbar, wie es möglich sein soll, ein Verfahren vorzuschreiben, wenn zugleich die Wahl der Konfliktbeilegungsverfahren frei gegeben ist. Was ist das vorgegebene Verfahren jetzt für ein Verfahren, wenn es nicht das Verfahren der Verfahren ist? Hätte die Freiheit der Verfahrenswahl keine Zurückhaltung oder wenigstens eine Differenzierung zwischen den unterschiedlichen Verfahren erfordert? Jetzt muss die Verbraucherschlichtungsstelle sehen, wie sie – falls überhaupt gewünscht – die anderen Verfahren dem Streitbeilegungsverfahren anpasst. Die Herausforderung liegt in der Verschachtelung der Verfahren und Begrifflichkeiten. Eine Lösung bieten die für den Güterichter verwendete Terminologie oder die von der integrierten Mediation entwickelte Containertheorie. Der Güterichter führt ein Verfahren der ZPO, ist aber befugt, Methoden der Mediation oder der Schlichtung zu verwenden. Die Containertheorie besagt, wie das Zusammenspiel unterschiedlicher Verfahren und Methoden möglich ist, ohne den Charakter der Verfahren zu verraten.

Rechtliche Unterschiede

Der Konsument mag sich fragen: „Ist eine Verbraucherschlichtungsstelle noch eine Schlichtungsstelle, wenn sie eine Mediation durchführt?“. Juristisch ist diese Frage einfach zu beantworten und eindeutig zu bejahen. Was aber macht der Verstand, wenn der Streitmittler seinen Auftraggebern erklärt: „Wir sind eine Schlichtungsstelle wir führen aber Mediationen durch. Das ist etwas ganz anderes als eine Schlichtung!“. Das VSBG hinterlässt den Eindruck, als habe der Gesetzgeber die Schlichtung allgemein mit dem Oberbegriff der Streitvermittlung gleich gesetzt, ohne in ihr ein von der Mediation abzugrenzendes Verfahren auf der gleichen operativen Ebene zu erkennen. Strukturell ist es falsch, die Mediation der Streitvermittlung gegenüberzustellen. Sie ist selbst ein Verfahren der Streitvermittlung und deshalb unterhalb dieser Verfahrenskategorie anzusiedeln. Das Gleiche gilt für die Schlichtung. Sie ist – wie sich spätestens bei den Diskussionen um Stuttgart 21 herausgestellt hat – längst zu einem von der Mediation abzugrenzendes, im Wettbewerb stehendes Verfahren geworden und wird auch als solches behandelt. Ihr Verfahrenszweck weicht ebenso wie ihre Zielsetzung und die Verfahrensstrategie markant von der Mediation ab. Das wichtigste und prägendste Kriterium, um die Verfahrenskategorien auseinanderzuhalten, ergibt sich aus den verfahrenstypisch zu unterscheidenden Kommunikationsmodellen, sie korrespondieren mit den unterschiedlichen Rollen des Dritten und lassen sich auf den jeweiligen Verfahrensfokus ein.

Auch wenn § 1 Abs. 3 das MediationsG unberührt lassen will, ergeben sich außer den Verfahrensüberschneidungen weitere Benachteiligungen für die Mediation. Die Verbraucherschlichtungsstelle unterliegt als eine Schlichtungsstelle dem § 2 Abs. 3 Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG). Demnach ist die Streitvermittlung vor einer Einigungsstelle keine Rechtsdienstleistung, obwohl sie ähnlich der Schiedsgerichtsbarkeit eine Rechtsanwendung voraussetzt. Die Mediation hingegen zählt als eine Rechtsdienstleistung, sobald der Mediator das macht, was vom Streitmittler erwartet wird; wenn er nämlich rechtliche Regelungsvorschläge unterbreitet. Davon ausgehend, dass eine Vertragsberatung auch in der Mediation als zulässig angesehen wird, erfährt der Mediator eine Benachteiligung, indem er – anders als der Streitmittler – nicht vom Kautel des RDG befreit ist. Für den Streitmittler soll es nach § 5 Abs. 2 VSBG-E genügen, wenn er über allgemeine Rechtskenntnisse verfügt. Er muss kein Rechtsanwalt sein. Welches Recht gilt nun, wenn der Streitmittler eine Mediation oder wie es in § 2 Abs. 3 Ziff. 4 RDG heißt: „jede vergleichbare Form der alternativen Streitbeilegung“ durchführt, was eine Schlichtung einbezieht. Anders als Ziff. 4 stellt die Ziff. 2 nicht auf das Verfahren, sondern auf die Institution ab. Indem die Vorschrift jede „Tätigkeit der Einigungsstelle“ erfasst, gilt sie verfahrensunabhängig, so dass der Streitmittler auch im Falle einer Mediation keine Rechtsdienstleistung erbringt, solange er die Tätigkeit als eine solche der Verbraucherschlichtungsstelle durchführt. Wären Mediatoren zur Umgehung des RDG jetzt gut beraten, die Mediation als eine Tätigkeit der Verbraucherschlichtungsstelle i.S.d. § 2 anzubieten? Der VSBG-E jedenfalls gäbe für diese Umgehung eine Handhabe. Vielleicht gibt es dann analog dem Anwaltsmediator bald den ebenfalls juristisch geprägten Streitmittler-Mediator? Die Kluft zwischen juristischen und psychologischen Mediatoren jedenfalls könnte sich verstärken. Die Abgrenzung der Anwaltsmediatoren könnte allerdings abgeschwächt werden. Für die Mediation wäre keine dieser Ausprägungen eine Stärkung und kontraproduktiv zu dem mit dem MediationsförderungsG verfolgten Ziel, die Rechtszersplitterung der Mediation zu verhindern.

Verbraucherschlichtung als Alternative

Der Gesetzgeber hätte die von der EU erwartete Institutsgarantie leicht erfüllen können, indem er Mediatoren mit Einigungsstellen gleich setzt oder die Verbände in die Pflicht nimmt, die sich dieser Aufgabe ohnehin zu stellen haben. Jetzt müssen sich die Mediatoren überlegen, wie sie sich von den Verbraucherschlichtungsstellen abgrenzen, wenn sie sich ihrer nicht bedienen. Bei dem Mix an Verfahren und Verfahrenselementen und einer fehlenden Systematik ist das ganz sicher eine Herausforderung, nicht nur für den Konsumenten und nicht unbedingt zielführend. Ob sich die Verbraucherschlichtungsstellen überhaupt profitabel führen lassen, ist bei der vorgegebenen Kostenstruktur der §§ 21, 29 eine weitere Frage, ganz zu schweigen von der Attraktivität, die das Verfahren für Verbraucher und Unternehmer haben kann. Der Unternehmer jedenfalls ist gut beraten, wenn er wegen §29 Abs. 3 VSBG-E Schlichtungshinweise von der Web-Seite und den AGB’s entfernt und dem Kunden im Hinblick auf §§ 21, 29 pauschal 290€ gut schreibt, ehe er sich auf dieses Verfahren einlässt. Denn diese Kosten hat er in jedem Fall zu tragen. Wirtschaftlich betrachtet bietet die Verbraucherschlichtung zumindest bei geringen Streitwerten keine Alternative zur Justiz. Der sich aus den ökonomischen Sachzwängen ergebende und in der Schiedsgerichtsbarkeit zu beobachtende Trend, wonach die private Justiz der staatlichen die lukrativen Fälle abwirbt[27] mag sich in diesem Konstrukt bei den Verbraucherstreitigkeiten fortsetzen.

Im Grunde regelt das VSBG eine Schlichtung. Nachdem das Gerichtsverfahren, die Schiedsgerichtsbarkeit und die Mediation geregelt sind, bleibt auch nur noch dieser Raum offen. Dabei ist die Einhaltung der durch die Verfahren vorgegebenen Grenzen nicht nur wegen der begrifflichen Vorgabe einer Schlichtungsstelle, sondern vielmehr wegen der gebotenen Verfahrenseindeutigkeit und der damit einher gehenden Ausgestaltung der Dienstleistung von entscheidender Bedeutung. Weder die Vorschriften der Mediation noch die der Schiedsgerichtsbarkeit fügen sich unangepasst in die Verfahrensvorschriften der §§10 ff. VSBG-E ein. Der Hinweis in § 1 Satz 1 und die Einführung der Begriffe Streitbeilegungsverfahren und Streitmittler ist zu weit reichend und nicht nur deshalb, sondern weil er sich auf verschiedenen Strukturebenen bewegt, auch irreführend. Der Grund für die irritierenden Überschneidungen ergibt sich aus nicht konsequent bedachten Allzuständigkeit der Verbraucherschlichtungsstellen sowie den unterschiedlichen Anknüpfungspunkten bei der Wahl des Verfahrens bzw. der zu beanspruchenden Dienstleistung. Die Zuständigkeit des Streitmittlers wird durch die Zugehörigkeit zur Institution Verbraucherschlichtungsstelle determiniert während die Zuständigkeit des Mediators bzw. des Schlichters aus dem Verfahren abgeleitet wird. Die Anknüpfungspunkte liegen auf unterschiedlichen Ebenen und haben unterschiedliche Bezugspunkte. Sie sind deshalb nicht ohne Weiteres kompatibel.

Bei einer begrifflichen Eindeutigkeit und dem Bekenntnis zur Schlichtung würde sich das Dilemma des VSBG-E zumindest fachlich korrekt auflösen lassen. Sogar das Spannungsverhältnis zwischen § 2 Abs. 3 Ziff. 2 und 4 RDG könnte verfahrensorientiert beigelegt werden. Noch besser wäre es, wenn sich der Gesetzgeber darauf einließe, den Zusatz in § 2 Abs. 3 Ziff. 4 RDG komplett zu streichen. Im anderen Fall würde wenigstens klargestellt, dass Mediationen den Mediatoren vorbehalten sind, während die Verbraucherschlichtungsstellen Schlichtungen durchführen, so dass sich die Märkte (Produkte) auch zur Erleichterung der Kundensicht klar voneinander unterscheiden lassen. Gemessen an dieser Anforderung ist der VSBG-E wenig hilfreich.

Wird die zu Beginn vorgestellte Systematik aufgegriffen, grenzen sich die beiden Verfahren der Streitvermittlung statt über die Tätigkeit des Dritten oder den zu relativierenden Grad an Eigenverantwortlichkeit allein über ihre Wesenshaftigkeit (Eigenschaftsmerkmale) gegeneinander ab. Sowohl der Schlichter wie der Mediator sind Streitvermittler, weil sie ein Verfahren durchführen, das dem Wesen nach eine Streitvermittlung darstellt. Bei der Schlichtung geht es um die Vermittlung von Lösungen. Der Schlichter ist also – ebenso wie der Streitmittler – ein Lösungsvermittler. Bei der Mediation geht es um die Vermittlung von Verstehen. Der Mediator ist deshalb ein Verstehensvermittler. Über den Wesensbegriff lassen sich nicht nur die gebotenen oder verbotenen Handlungen nach ihrer Zweckverwirklichung genau bestimmen. Der unterschiedliche Vermittlungsschwerpunkt erlaubt es auch, den jeweils zu erwartenden Verfahrensnutzen auseinanderzuhalten und ist deshalb ein Verkaufsargument.

Tritt das Gesetz in Kraft sieht das Verfahrensschema wie folgt aus:

Einteilung der Streitbeilegungsverfahren
Streitvermittlung
Streitvermittler
Streitentscheidung
Streitentscheider
Mediation
Mediator
Schlichtung
Schlichter
Schiedsgericht
Schiedsrichter
Gericht
Richter
Streitbeilegungs­verfahren
Streitmittler

 

Die Verwirrung lässt sich noch steigern, wenn darauf hingewiesen wird, dass das Streitbeilegungsverfahren ausschließlich ein solches der Verbraucherschlichtungsstelle, also institutionell gebunden ist, denn nur sie wird vom VSBG erfasst. Allerdings lässt sich so wenigstens eine terminologische Abgrenzung erreichen. Jetzt sieht das korrigierte Schema wie folgt aus:

Einteilung der Streitbeilegungsverfahren
Streitvermittlung
Streitvermittler
Streitentscheidung
Streitentscheider
Mediation
Mediator
Schlichtung
Schlichter
Schiedsgericht
Schiedsrichter
Gericht
Richter
Streitbeilegungs­verfahren
der Verbraucherschlichtungsstelle 

Streitmittler der Verbraucherschlichtungsstelle

Die Begriffe Streitbeilegungs­verfahren der Verbraucherschlichtungsstelle oder Streitmittler der Verbraucherschlichtungsstelle sind zu lang als dass sie gesprochen würden. Wahrscheinlich wird ein Verbraucherschlichtungsverfahren daraus, wobei man es mit dem Begriff Schlichtung nicht ganz ernst nimmt. Das Gleiche gilt für den Streitmittler. Die Verwässerung nimmt ihren Lauf.

So wie es aussieht, liegt jetzt neben dem vermeintlichen Meilenstein ein Stolperstein. Es bleibt zu hoffen, dass die Mediatoren bei sich bleiben und nicht darüber stolpern.

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