Stellungnahme des HdM (Haus der Mediation, Essen) zum Referentenentwurf des BMJ über das Gesetz zur Förderung der Mediation und anderer Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbeilegung auch in grenzüberschreitenden Angelegenheiten. (Siehe auch: hier)
Eine Reglementierung mit dem Ziel eigenverantwortlicher Konfliktklärung
Bekanntlich ist der Bundesregierung mit der vom europäischen Parlament am 21. Mai 2008 verabschiedeten Richtlinie 2008/52/EG eine Gesetzesinitiative auferlegt worden, die im grenzüberschreitenden Bereich bestimmte Aspekte der Mediation in Zivil- und Handelssachen (EU-RL) regeln soll.
Mit dem seit August 2010 vorliegenden Referentenentwurf ist der Gesetzgeber einerseits dieser Vorgabe gefolgt, hat sich andererseits darüber hinaus für eine umfassende nationale Regelung entschlossen, in der Impulse für die Förderung der Mediation und weiterer außergerichtlicher Konfliktbeilegungsverfahren gegeben werden sollen.
Die beim Bundesministerium der Justiz angesiedelte Beratungskommission, zu der auch Mediationsverbände, Universitätsprofessoren und weitere Fachleute Beiträge für die Entstehung der jetzt vorliegenden Richtlinie geleistet haben, hat bereits vorbildliche Arbeit geleistet, die im Entwurf erkennen lässt, dass die Streitkultur in Deutschland und Europa deutlich und nachhaltig verbessert werden kann.
Dennoch sind aus Sicht von in der Praxis der außergerichtlichen Mediation tätigen Mediatorinnen und Mediatoren Vorschläge einzubringen, die das zu verabschiedende Mediationsgesetz noch reichhaltiger, wirkungsvoller und für die friedensstiftende Streitkultur noch wertvoller machen können. Dazu möchte das Haus der Mediation mit seinen Mitarbeitern rechtzeitig, d.h. 7 Monate vor dem Ablauftermin der Vorgabe durch die EU, einen konstruktiven Beitrag leisten:
Aktueller Stand der rechtlichen Verankerung international und national
Der Gesetzgeber, namentlich das Bundesjustizministerium, derzeit geführt von Frau Bundesjustizministerin Sabine Leutheuser – Schnarrenberger, hat sowohl die Problematik unseres derzeitigen Justizwesens mit all seinen Ausuferungen erkannt, wie auch die Chancen wahrgenommen, die in der Umsetzung der von der EU-Kommission im Jahre 2008 auferlegten Richtlinie stecken, die da verkürzt fordert: „bestimmte Aspekte der Mediation in Zivil- und Handelssachen“ (Mediations-RL) bis zum 20. Mai 2011 in deutsches Recht umzusetzen.
Nachdem weltweit die Mediation längst in den Landesgesetzen verankert ist – eine Übersicht ist in dem 1000seitigen Werk des Max Planck Institutes in Hamburg unter dem Titel „Mediation“ von Klaus J. Hopt und Felix Steffek zu erlangen -, und beispielsweise in der Republik Österreich seit 2003 ein Zivilrechts-Mediations-Gesetz seine friedensstiftende Wirkung entfalten kann, ist das Bundesjustizministerium mit der Vorlage des Referentenentwurfes von August 2010 dabei, die Mediation und andere außergerichtliche Konfliktbeilegungen „in toto“ auf den Weg zu bringen und dafür rechtliche Rahmenbedingungen zu schaffen.
Ohne den Fleiß und die guten Teilerfolge der mit beratenden Verbände, wie der Bundesverband der Mediation (BM), die Bundesarbeitsgemeinschaft Familienmediation (BAFM), dem auch die Arbeitsgemeinschaft Mediation im Ruhrgebiet (AMR) angehört, und die Centrale für Mediation (CfM), um nur einige zu nennen, bei der Erstellung des Referentenentwurfes schmälern zu wollen, sind Verbesserungen angebracht, positive Auswirkungen auf die zukünftige Gestaltung der Mediation in Deutschland haben können und werden, sollte der Entwurf in überarbeiteter Weise in Gesetzesform gegossen werden und nicht noch einmal gründlich überarbeitet werden.
Wir alle, die wir an der zukünftigen Gestaltung des Mediationsgesetzes zusammenarbeiten, haben letztlich dieselbe rechtspolitische Agenda im Fokus:
– Es geht uns darum, eine menschengemäße, eigenverantwortliche Streitkultur wiederzubeleben und besonders im außergerichtlichen Bereich publik zu machen. Diese wollen wir mit der Maßgabe fördern, sie langfristig in unserem Gesellschaftssystem zu etablieren.
– Wir wollen die Qualität der Mediation durch gesetzliche Maßnahmen sichern. Erste Schritte dazu sind im Referentenentwurf schon angelegt, z.B. durch
- Vollstreckbare Vereinbarungen
- das Zeugnisverweigerungsrecht für Mediatoren
- und den Schutz vor Verjährung
– Wir möchten den privatautonomen Charakter der Mediation stärken.
– Wir wollen dem Umstand Rechnung tragen, dass Mediation eine Verhandlungs- und Streitklärungsmethode ist, die sich auf dem Boden von Angehörigen der verschiedensten Quellberufe mit entsprechender Lebens- und Berufserfahrung entfaltet.
– Wir streben eine Abkehr von streitiger, durch Hoheitsakte geregelter Konfliktaustragung, hin zu konsensualen, selbstregulierenden Formen der alternativen Konfliktlösung (AKL) bzw. Alternative Dispute Resolution (ADR) an. Dieser überfällige Paradigmenwechsel steht im Zentrum unserer Betrachtungen und Initiativen für eine entsprechende gesetzliche Regelung. Hierzu unternehmen wir bereits erste Schritte, indem wir Kontakt mit Richtern und anderen Vertretern rechtspflegender Berufe aufnehmen, ihre Meinungen einholen und uns über ihre Aktivitäten und Initiativen zur Entwicklung der Mediation (so z.B. die Informationsveranstaltung des Landgerichts Essen über richterliche Mediation am 27.10.2010) informieren.
Es geht darum, wegzukommen vom Kampf um Rechtspositionen und der Frage, wer den stärkeren Anwalt oder die bessere Rechtschutzversicherung hat. Wir möchten hin zu einer konsens- und lösungsorientierten Streitkultur, in der die Menschen ihre Konflikte friedfertig, angstfrei, und in einem durch den Staat geschützten und gestützten Rahmen bewältigen können.
Aus dieser Motivation heraus möchten wir folgende Anmerkungen zum seit August 2010 vorliegenden Referentenentwurf machen:
- Änderung zum Mediationsgesetz § 1 Absatz 1 Satz 3 „richterliche Mediation“
Es ist augenfällig, dass die gerichtsinterne, sog. Richtermediation, so systemfremd sie von einigen auch betrachtet wird, bereits im Gesetzesentwurf wie „in Stein gemeißelt“ zu sein scheint, siehe entsprechende Passagen im Entwurf.
Die richterliche Mediation hat diese wiederentdeckte Form der win-win orientierten Konfliktklärung zweifellos in der Öffentlichkeit und bei Gericht bekannter gemacht, auch wenn die Durchführung nicht unbedingt der reinen Lehre der Mediation u.a. in Bezug auf eigenverantwortliches und selbstbestimmtes Handeln, der freien Zeitwahl etc. entspricht.
Die sog. „Richtermediation“ („contradictio in adjecto“, also ein Widerspruch in sich selbst), sollte zum einen nur zeitlich, zum anderen lediglich auf bestimmte enge Sach- bzw. Konfliktgebiete beschränkt bleiben, um beispielsweise die Verfahrensweise der Mediation selbst innerhalb des Gerichtes bekannter zu machen.
Richter, Staatsanwälte und weitere Bedienstete der Justiz haben bereits die Möglichkeit, sich freiwillig im Rahmen ihres Dienstverhältnisses in dem Fachgebiet Mediation aus- und fortbilden zu lassen. Vorbildliche Einrichtungen dafür sind: Universität Viadrina Ff/0; Fachhochschule Potsdam; Fernuniversität Hagen und viele andere.
Durch Kenntnisse über die Mediation können Richter und Staatsanwälte den Streitparteien die Möglichkeiten und Chancen der Mediation authentisch erklären und im Bedarfsfall entsprechende Beschlüsse als Hilfestellung für die Streitenden und zur Entlastung der Familiengerichte fassen, damit die Streitparteien zunächst die Chance einer Streitklärung via außergerichtlicher Mediation wahrnehmen können.
Einige Bundesländer bieten gerichtsinterne Mediationen gar nicht (Baden-Württemberg), oder nur im geringen Umfang an, schon wegen der höheren Kosten für die Justiz.
Die richterliche Mediation hat auch schon deshalb keine für die Justiz finanziell od. personell entlastenden Momente, da sie bei fachgerechter Durchführung eine erhebliche zeitliche Mehrbelastung für die als Mediator tätigen „Richter“ darstellt.
Diese Zeit steht für die originäre Tätigkeit als Prozessrichter oder zur Rechtspflege dann nicht zur Verfügung.
In den bisherigen Pilotprojekten wurden für die Durchführung von (ausgesuchten) Mediationen sehr begrenzte Zeitbudgets (meist 2,5 – 3 Stunden) angesetzt, die allgemein anerkannten Grundsätzen der Mediation, nicht nur in Punkto Zeit, sondern auch in Bezug auf die Ortswahl, widersprechen.
Ein wirkungsvoller Entlastungseffekt kann nur dann eintreten, wenn die mit den Gerichtsverfahren befassten Richter im Regelfall eine außergerichtliche Mediation empfehlen und ein mit einem Pauschalbetrag versehenes Informationsgespräch über Mediation per Beschluss anordnen, sofern nicht begründete Sachverhalte dagegen sprechen (siehe § 278, Abs. 5 S.2 ZPO).
Richter und Staatsanwälte verkörpern im Zusammenhang mit den sie umschließenden Gebäuden eine hohe staatliche Autorität in den Augen der Öffentlichkeit. Dieser Eindruck/Wirkung in der Wahrnehmung und diese Empfindung der Medianten vertragen sich nur schwer mit den Wesensmerkmalen der Mediation, insbesondere der Freiwilligkeit, Eigenverantwortung, freien Zeit- und Ortswahl etc. Die vorgenannten Grundprinzipien spiegeln sich übrigens in den Forderungen aus der Richtlinie wider.
Auch aus der Praxis rechtsanwaltlicher Mediatoren ist die Gefahr bekannt, aus einer Mediation eine allparteiliche Rechtsberatung werden zu lassen, bei der die Medianten durch den rechtlichen Rat des anwaltlichen Mediators in Ihren Lösungskonzepten eingeschränkt werden. Mediation soll aber gerade eine Alternative zum Rechtsstreit sein, wenn bestehende zivilrechtliche Regelungen keine Lösung erbringen können.
Zudem stehen Rechtsanwälte, ähnlich den Staatsanwälten und Richtern, durch ihr Spezialwissen und die ihnen dadurch zugeschriebene Rolle einer Autoritätsperson, immer in der Gefahr in einen Rollenkonflikt zu geraten. Die Rolle eines Mediators erfordert die Enthaltung von jeder, außer der verfahrensstrukturierenden, Entscheidungsbefugnis. Mediatoren, die durch ihre Quellberufe auf bestimmte Inhalte spezialisiert sind (z.B. Bauwesen, Familie, Gesundheitswesen), können fachlichen Rat geben, haben aber nicht die Autorität, Lösungsvorschläge zu empfehlen, oder zu entscheiden, welche Forderungen, Interessen, oder Lösungsansätze legitim sind und welche nicht. Diese Entscheidung gebührt den Medianten und den ggf. parteilichen Rechtsberatern (Anwälten). Richter, Rechts- und Staatsanwälte befinden sich als Spezialisten für ein bestimmtes (das zivilrechtliche) Konfliktbearbeitungsverfahren von Grund auf in einem Rollenkonflikt. Diesen Gefahren der richterlichen und anwaltlichen Mediation muss ein ernstzunehmendes Mediationsgesetz Rechnung tragen.
- Erweiterung zum Mediationsgesetz §1 Absatz 2
In der Stellungnahme des Bundesverbandes Mediation (BM) zum Referentenentwurf wird empfohlen, den Begriff der Neutralität durch den der Allparteilichkeit zu ersetzen. Aus denselben Gründen, die der BM für diese Empfehlung angibt, schlagen wir vor, den Begriff der Neutralität um den der Allparteilichkeit zu ergänzen. Neutralität und Allparteilichkeit sind nicht deckungsgleich. Wer alle Parteien unterstützt, darf dennoch seine professionelle Distanz zu den Beteiligten und gegenüber dem Mediationsergebnis nicht aufgeben. - Zum Mediationsgesetz §5 „Aus- und Fortbildung des Mediators“; Bekräftigung
Gerade die Vielfalt der Quellberufe, aus denen heraus die zertifizierten Mediatoren tätig werden, macht eine Streitklärung in den verschiedensten Sach-Zusammenhängen so wertvoll und erfolgreich.
Insofern verbietet es sich von der Entfaltungsmöglichkeit der Mediation her, wenn sie nur von bestimmten Berufsträgern oder nur aufgrund einer berufsrechtlichen Zulassung ausgeübt werden dürfte. So wird auch logischerweise keine Anerkennungs- oder Zertifizierungsregelung getroffen. Eine privatrechtliche Qualitätskontrolle ergibt sich zudem aus den Möglichkeiten, jederzeit eine Mediation abzubrechen und den Leumund des Mediators bzw. seiner beruflichen Darstellung in Frage u. Antwort zu Beginn eines Mediationsverfahrens zu besprechen. Sanktionen können sich schließlich aus dem Vertrags- dem Wettbewerbs- und dem Strafrecht ergeben. Die in §5 vorgeschriebene, angemessene Aus- und Fortbildung der Mediation bietet eine ausreichende Qualitätsgrundlage.
Dies sollte der Gesetzgeber erkennen, würdigen und im Gesetz durch eine entsprechende Ergänzung unmissverständlich verankern. - Notwendige Erweiterung zum Mediationsgesetz §6 Absatz 1
Die in § 6 Abs. 1 formulierte Einschränkung der Forschungsvorhaben für die Mediation nur auf Familiensachen ist schon deshalb nicht nachvollziehbar, weil in täglicher Praxis der niedergelassenen Mediatoren bereits auf fast allen Sachgebieten, wie Zivilrechtssachen, Planen u. Bauen, Interkultureller Konflikte, TOA etc., Mediation erfolgreich und kostensparend durchgeführt wird.
Die Tragweite der Forschungsvorhaben und damit die finanzielle Unterstützung sollte folglich nicht nur Familiensachen, sondern auch die freiwillige Gerichtsbarkeit, das Zivil- und Wirtschaftsrecht, das Arbeitsgericht, das Sozialgericht, das Finanzgericht sowie das Patentgesetz umfassen.
Weitere Ergänzungsvorschläge:
– Zur Änderung der Zivilprozessordnung „Prozesskostenhilfe“
Um die kostensenkenden Effekte der Mediation zu verstärken, sollten die Prozesskostenhilferegelungen der ZPO so restriktiv gehandhabt werden, dass
- kostensparende Konfliktbeilegungsverfahren, bzw. entsprechende Überlegungen (siehe auch die Begründung zu Artikel 3 Absatz 3 im Referentenentwurf), jeder Gewährung von Prozesskostenhilfe vorangeschaltet werden
- Verfahrenskostenhilfe auch für gerichtsnahe Mediation im Sinne einer Mediationskostenhilfe gewährt werden kann
Nur so lassen sich sowohl die Gerichte, als auch die Staatskassen wirklich entlasten. Ansonsten regeln der Markt und das Streitgebiet den Gebührenrahmen.
– Zur Änderung der Zivilprozessordnung „§253 Absatz 3“
Die Anforderungen an die Klageschrift müssen weiter verstärkt werden. Vor Klageeinreichung müssen von den Streitpartnern zumindest Nachweise erbracht werden, dass ernsthaft eine außergerichtliche Streitbeilegung versucht wurde.
Noch wirksamer für die Einführung der Mediation in unsere Gesellschaft wäre allerdings folgende Formulierung: „Die Klage muss ferner die Aussage enthalten, dass der Klageerhebung der Versuch einer Mediation oder eines anderen Verfahrens der außergerichtlichen Konfliktklärung vorausgegangen ist.“
– BORA (Berufsordnung Rechtsanwälte) und Richtlinien für Ministerien
Die Überlegungen zu außergerichtlichen Konfliktlösungsmöglichkeiten können auch noch früher angesetzt werden. Nämlich dann, wenn der Anwaltschaft durch die BORA eine Dokumentationspflicht (vergleichbar der Aufklärung bei Bankgeschäften) auferlegt wird, Aufklärung über alternative Formen der Konfliktbehandlung betrieben zu haben. Diese Form der rechtlichen Begleitung läuft konform mit konfliktvermeidender und streitschlichtender Beratung. Dies ist gesetzlich konkret zu verankern.
Auch für Ministerien für Familie, Gesundheit, Kultur und Justiz wären entsprechende Richtlinien denkbar, fortlaufend über Mediation und weitere alternative Verfahren der Konfliktlösung zu informieren und dies beispielsweise in die Schulausbildung, Berufs- u. Universitätsausbildung zu integrieren.
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