Schweizerisches Bundesgericht stützt Mediation
Das Schweizerische Bundesgericht hat einen wegweisenden Entscheid gefällt:
Ein Vater und Mutter haben 4 gemeinsame Kinder. Bei der Scheidung haben sie eine Vereinbarung abgeschlossen, mit welcher der persönliche Verkehr zwischen ihnen und den vier Kindern geregelt wurde.
Nachdem die Besuchsregelung in der Praxis aufgrund des Verhaltens der Mutter nicht zufriedenstellend eingehalten werden konnte, hat der Vater um Errichtung einer Beistandschaft zur Überwachung des persönlichen Verkehrs mit seinen Kindern gestellt. Zusätzlich beantragte er eine Zwangsmediation.
Die Vormundschaftsbehörde lehnte die Errichtung einer Beistandschaft ab, genehmigte aber den Antrag zur Zwangsmediation und wies die Mutter an, sich zu regelmässigen Gesprächen in eine Mediation zu begeben.
Vater und Mutter reichten Beschwerden beim Departement für Justiz und Sicherheit des Kantons Thurgau ein. Diese Instanz entschied, dass auf die Errichtung einer Erziehungsbeistandschaft verzichtet werden soll, dass sich Vater und Mutter aber regelmässig in Mediationsgespräche unter fachlicher Leitung zu begeben haben. Dabei sei auch zu prüfen, inwieweit die Kinder in solche Gespräche einzubeziehen sind (Alter: 16, 14, 12 und 11 Jahre).
Gegen diesen Entscheid erhoben beide Parteien Beschwerde beim Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau. Das Verwaltungsgericht wies die Beschwerde ab.
Die Mutter hat die Sache anschliessend mit Eingabe an das Bundesgericht weitergezogen, weil sie mit der angeordneten Mediation nicht einverstanden war. Das Bundesgericht hat mit Entscheid vom 09. Dezember 2009[i]die Beschwerde unter folgenden Erwägungen abgewiesen (Zusammenfassung):
Die Vorinstanz hat die Beschwerdeführerin und den Beschwerdegegner angewiesen, sich bezüglich der bestehenden Konflikte in regelmässige Mediationsgespräche unter fachlicher Leitung zu begeben. Dabei sei auch zu prüfen, inwieweit die Kinder in solche Gespräche einzubeziehen seien. Das Verwaltungsgericht hat sich dabei auf Art. 307 Abs. 1 ZGB abgestützt, wonach die Vormundschaftsbehörde die geeigneten Massnahmen zum Schutz des Kindes treffe, wenn das Wohl des Kindes gefährdet sei und die Eltern nicht von sich aus für Abhilfe sorgten oder dazu ausserstande seien. Die Vormundschaftsbehörde könne insbesondere Eltern ermahnen, ihnen bestimmte Weisungen für die Pflege, Erziehung oder Ausbildung erteilen und eine geeignete Person oder Stelle bestimmen, der Einblick und Auskunft zu geben sei (Art. 307 Abs. 3 ZGB). Eine Mediation könne – auch gegen den Willen eines Elternteils – gestützt auf Art. 307 Abs. 3 ZGB angeordnet werden (Entscheid des Obergerichts des Kantons Zürich vom 19. Juni 2008, in: FamPra.ch 1/2009 Nr. 27, S. 256 ff.).
Ein zentrales Problem liege vorliegend offensichtlich in der mangelnden bzw. mangelhaften Kommunikation zwischen den beiden Elternteilen und der offensichtlich negativen Einstellung der Beschwerdeführerin zum Beschwerdegegner. Vor diesem Hintergrund mache eine Mediation – entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin – sehr wohl Sinn: Die Eltern seien aufgefordert, ihre Kontakte konfliktfrei zu gestalten, ein Ziel, dessen Erreichung mit diesem Institut unterstützt werde. Unter den gegebenen Umständen sei die Anordnung einer Mediation und die Pflicht zur Teilnahme an einer solchen – auch gegen den Willen des einen Elternteils – gestützt auf Art. 307 Abs. 3 ZGB durchaus zulässig.
Die Vormundschaftsbehörde hätte im vorliegenden Fall auch einen Gutachter mit der Aufgabe betreuen können, die Entfremdung der Kinder gegenüber ihrem Vater aufzulösen und den Kontakt wieder in normale Bahnen zu lenken. Dass seitens der Behörde und des Gerichts gehandelt wurde, ist nicht zu beanstanden, denn die Nichteinhaltung des Besuchsrechts ist der Anfang des Entfremdungsprozesses, und die sanktionslose Hinnahme dieses Verhaltens für den manipulierenden Elternteil Rechtfertigung für weitere Übertretungen mit der Folge weiteren Machtgewinns. Mit der angeordneten Mediation wird den Parteien die Möglichkeit eingeräumt, zu erkennen, dass der Mensch ein Beziehungswesen ist und die Wiederaufnahme des Dialogs hauptsächlich im Interesse der Kinder liegt. Eine Verletzung von Art. 307 Abs. 3 ZGB durch das Verwaltungsericht ist nicht gegeben, denn die Beschwerdeführerin zeigt nicht auf, inwiefern eine Mediation unverhältnismässig oder anderweitig bundesrechtswidrig sein könnte.
Dieser Bundesgerichtsentscheid ist wegweisend in mehreren Punkten:
– die Möglichkeit einer angeordneten Mediation zum Kindeswohl wird in familienrechtlichen Angelegenheiten höchtsrichterlich bestätigt
– das Bundesgericht klärt die Anwendung der neuen Zivilprozessordnung mit diesem Enscheid (Art. 297 ZPO, gültig ab 01.01.2011: „Das Gericht kann die Eltern zu einem Mediationsversuch auffordern“)
[i] Entscheid 5A_457/2009 der II. zivilrechtlichen Abteilung des Schweizerischen Bundesgerichts http://jumpcgi.bger.ch/cgi-bin/JumpCGI?id=09.12.2009_5A_457/2009
„Und willst du nicht mein Bruder sein, dann schlag ich dir den Schädel ein!…“ – Selbst wenn auf diesem Weg schließlich wider Erwarten doch eine gute und allseits zufriedenstellende Lösung gefunden werden sollte, „Zwangsmediation“ ist ein Widerspruch in sich und geht einfach gar nicht; der Zweck heiligt da nicht die Mittel! Das erinnert mich an einen Schlachtruf der Faschisten im spanischen Bürgerkrieg, der da lautete: „Viva la muerte – es lebe der Tod“! – Mit Verlaub, aber m.E. ist das schlicht pervers, und der deutsche Gesetzgeber hat eine ähnliche Denke aktuell auch gerade in petto. Auf so etwas können – pardon – vermutlich nur Juristen kommen. Ich dachte, wenigstens die in der Schweiz seien schlauer als unsere – au weia… Ich komme immer mehr zu dem Schluss, dass man Mediation allmählich anders nennen sollte, damit sie nicht ständig mit dem verwechselt wird, was die Justizpolitiker als „Mediation“ bezeichnen und jetzt sogar in Gesetze schreiben wollen…