Das Gegenteil ist richtig, erläuterte Prof. Dr. Rupert Lay in einem Vortrag am 7.11.2002 in der Frankfurter Universität, veranstaltet von der Fairness-Stiftung. Prof. Dr. Ru-pert Lay, Autor viel beachteter Bücher ("Weisheit für Unweise", "Führen durch das Wort"), emeritierter Professor für Philosophie und Wissenschaftstheorie der Jesuitenhochschule Frankfurt, Aufsichtsratsmitglied mehrer Industrieunternehmen, ist Vorsitzender des Kuratori-ums der Fairness-Stiftung, einer gemeinnützigen Organisation, die den Fairness-Gedanken als gestaltendes Prinzip in der Gesellschaft fördern will. Kooperation, so die Quintessenz des Vortrags von Prof. Lay, ist ohne Konkurrenz nicht möglich. Konkurrenz ist Bedingung, d.h. lebendig machender Faktor für die Kooperati-on; Kooperation stirbt, wenn nicht Konkurrenz mitspielt. Kooperation und Konkurrenz bilden eine Einheit in Form einer dynamischen Balance. Beispiel: Jede Art von Spiel, wie auch das Fußballspiel. Im Fußballspiel ist die Konkurrenz in Form eines harten Kampfes, sogar von Aggression deutlich sichtbar. Und doch stellt auch im Fußballspiel die Kooperation die Klammer für die Auseinandersetzung her: Ohne die Beachtung von Regeln und des Gedan-kens vom "fairen" Kampfes gäbe es kein Fußballspiel. Konkurrenz als Ferment der Kooperation versteht sich als Kampf um Sieg und Nieder-lage, das Ziel ist jedoch keine Vernichtung des Gegners wie etwa im Krieg. Auch gesunde Aggressivität ist in diesen Rahmen erlaubt. Die Spannung zwischen Aggressivität und Koope-ration bleibt kreativ. Nicht "Feindesaggressivität" drückt sich im Spiel aus, sondern eine Form der Gegnerschaft, die die Tür zur Kooperation offen hält und so dem Spiel Raum lässt. Krea-tiv sein, heißt: gegen die Regeln denken, Lücken und Unaufmerksamkeiten entdecken, aber die Regeln gleichwohl beachten. Regelverstöße werden geahndet. Zum Spiel gehört Toleranz. D.h. der andere wird akzeptiert, so wie er ist, – auch das Anderssein wird akzeptiert. Toleranz ist die Grundlage Kooperation. Toleranz heißt nicht: Wegsehen oder blindes Gewährenlassen, sondern das Anderssein zu sehen, es zu respektieren und nicht zu verurteilen. Wie lernt man die Regeln des Spiels? Durch Zuschauen, oder schneller noch: durch Mitmachen, d.h. durch Beispiel und Nachahmen. Erwachsene, die mit Kindern spielen, wis-sen: Sie können die Regeln nicht einseitig ändern. Kinder haben ein natürliches Gespür für das Funktionieren von Spielen – und entlarven Spielverderber sofort. Spielen ist aber nicht den Kindern vorbehalten. Vielmehr zeigt sich Erwachsenenreife gerade darin, Toleranz ge-lernt, und damit auch die Fähigkeit zum Spiel erhalten zu haben. Denn Spiel ist Lebensfreude. Und Lebensfreude ist ein wesentlicher Sinn des Lebens. Für alle, die als Glaubenssätze der Mediation annehmen, Konflikte gehörten "gelöst", Konkurrenz beseitigt, Aggressionen aus dem zivilen Leben ausgemerzt, Kooperation dürfe nur Gewinner und keine Verlierer hervorbringen, mögen diese Gedanken Entwarnung und Erleichterung bedeuten. Auch für die integrierte Mediation könnte es Denkraum schaffen. Denn dem Dogma der Unparteilichkeit – im Fachjargon auch "Allparteilichkeit" genannt – käme vor diesem Hintergrund keine prinzipielle Bedeutung mehr zu. Im Mittelpunkt stünde das Konfliktgeschehen. Wie der Umgang damit stattfinden kann, richtete sich in erster Linie nach den vorgefundenen Bedingungen des Konfliktes, nicht aber nach den Bedingungen des Verfahrens. Diese müssen flexibel bleiben , – wenn das Hauptziel der Mediation die Ermögli-chung von Kooperation ist. Damit wird die Frage sekundär, von welcher Seite der Mediati-onsgedanke eingebracht wird. Auch von nur einer Seite, d.h. von Parteivertretern wie etwa Anwälten kann er eingebracht werden, sofern diese das Konfliktgeschehen als System betrachten und systemisch zu arbeiten verstehen.
Werner Schieferstein
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