Presse und Mediation

„Nein, so kannst Du das nicht schreiben. Das ist zu lang, das liest doch keiner!“. „Nein, so auch nicht, das fällt nicht auf!“. So in etwa lauten die Kommentare, wenn ich für den Verein Integrierte Mediation eine Pressemitteilung entwerfe. „Du musst auf Misstände hinweisen und einfordern, dass die Misstände abgeschafft werden. Darauf fahren die Leute ab. Schlechte Nachrichten verkaufen sich besser!“. Ausgerechnet jetzt wird mir ein Beitrag eines FDP Abgeordneten, der wohl selbst auch ein Mediator ist, vorgehalten.

In dem Beitrag wird der Regierung Untätigkeit vorgeworfen und natürlich werden dort auch Forderungen aufgestellt. Sie hören sich zwar gewichtig an, so, als ob man etwas zu sagen hätte. Meines Erachtens nach führen diese Forderungen aber in die Irre. Für mich sind sie unverständlich, weil sie komplexe Themen aufreißen, die mit selektiven Maßnahmen nicht zu lösen sind. Jetzt wird das Dilemma deutlich und mir wird klar, es ist nicht nur ein Dilemma unseres Verbandes.

Worin das Dilemma besteht?

Wir sind Mediatoren. Mediatoren schauen auf das was gut läuft und funktioniert. Sie lenken den Fokus auf den zu erwartenden Nutzen hinter dem Problem und nicht auf die Argumente für oder gegen eine Lösung, von der ohnehin keiner weiß, ob sie eintrifft oder nicht. Sie achten darauf, voll informiert zu sein und lassen sich von selektiven Argumenten nicht beeindrucken. Sie wissen zwischen Meinungen und Fakten zu unterscheiden, und hören die Ich-Botschaft mehr als den Appell.

Presse und Förderung der Mediation

Vielleicht wird jetzt schon deutlich welches Dilemma ein Verband hat, der sich die Förderung der Mediation zur Aufgabe gemacht hat. Auf der einen Seite ist die Öffentlichkeitsarbeit eine Aufgabe, der wir uns zu stellen haben. Auf der anderen Seite wollen wir aber die Grundsätze der Mediation, denen wir uns verschrieben haben und die nach unserer Auffassung nicht nur innerhalb der Mediation zum Tragen kommen, nicht verraten. Ist es nicht ein ähnliches Dilemma wie in der Politik, wenn der Stimmenfang im Vordergrund steht und nicht die eigene Überzeugung?
Ich habe mich bei dem Bericht über den Kongress Mediation in Bereitschaft (Siehe https://www.in-mediation.eu/kongress-2019-manifest/)
in Frankfurt auf die Ratschläge eingelassen. Aus einem mehrseitigen Bericht wurde ein Manifest. „Das muss wie ein Hammer sein!“, wurde mir gesagt. Also Manifest. Dort sind sieben Leitsätze aufgeführt. Die Zahl sieben, wurde mir gesagt, sei magisch. 13 Leitsätze sähe schlecht aus. Eigentlich wurde erwartet, dass ich Forderungen aufstelle. Das ging mir aber zu weit. Ein Mediator fordert nicht, er leitet. Aus den sechs Seiten, die ich für verständlich hielt, wurde 1 DIN A4 Seite. Ob das noch jemand versteht, ist fraglich. Aber es hört sich gut an. Vielleicht wie ein Hämmerchen, obwohl die Ergebnisse des Kongresses mit tiergehenden Erkenntnissen einher gehen und auch eine Änderung der politischen Richtung nahe legen. Vielleicht reizt der Bericht ja auch den ein oder anderen, mehr darüber zu erfahren. Entsprechende Links sind jedenfalls in das Manifest eingearbeitet und Links verschaffen ein besseres Ranking bei Google und das wiederum führt zu einer größeren Beachtung. Es klingt wie ein Teufelskreis.

Seriöse Informationen haben es schwer

So attraktiv seriöse Informationen sind, so wenig sprechen sie an. Es ist so leicht zu sagen: „Das sind Fakenews!“, wenn eine Nachricht nicht gefällt. Würde die wie ein Fakt dargestellte Meinung als solche offengelegt, klingt die Nachricht etwa so: „Ich denke, die Nachricht ist eine Interpretation, bei der ich die Auffassung vertrete, dass die zugrunde liegenden Fakten nicht korrekt aufgegriffen wurden“. Wer so etwas sagt, muss damit rechnen, dass die Fakten hinterfragt werden. Aber wer will das schon?
Wer würde so etwas auch lesen wollen? Niemand könnte sich aufregen, wenn jemand einfach nur seine Meinung offenbart. Sie mag zwar ehrlich sein. Aber offensichtlich ist sie nicht einmal ausgegoren. Die Rhetorik lebt nicht nur davon, dass Meinungen als Fakten vorgestellt werden. Sie lebt auch von sogenannten Tilgungen. Das sind weggelassene Informationen. Erst die Tilgung macht eine Information spannend. Aussagen wie „Das war ein gutes Geschäftsjahr und nächstes Jahr machen wir alles besser!“ oder „Wir sind jetzt im Arbeitsmodus angekommen“ sind ebenso nichts sagend wie irritierend.
Wenn der Gegner Argumente einführt, die man nicht entkräften kann, wird ihm eine böse Absiucht unterstellt. „Das sagt der nur weil er uns schlecht machen will“. Bemerkt niemand, dass der Vorwurf gerade auf den Vorwerfenden zurückfällt? Solche Informationen sind faktisch bedeutungslos. Wer aber solche Nachrichten hören will, kann viel damit anfangen. Sowohl in die eine Richtung, wie in die andere. Er kann applaudieren oder sich aufregen. Beides ist möglich.
Weglassungen geben Raum für Spekulationen und schaffen den Boden für weitere Behauptungen, an denen man sich reiben kann. Der Vorwurf lenkt ab. Deshalb haben beide Seiten etwas davon. Und so wie es aussieht, kommt es darauf an, Reibungsflächen zu schaffen und zu finden. Das macht Informationen wohl ebenso attraktiv, wie überflüssig und unmediativ.
In der Mediation würde nicht nach Reibungsflächen, sondern nach Gemeinsamkeiten gesucht werden. Ein Mediator würde die Ich-Botschaften hinter der Information hinterfragen. Darüber kann sich aber niemand aufregen.
Wie macht man sich bemerkbar, wenn die Information dann auch noch in starke Worte verpackt werden muss, damit sie überhaupt wahrgenommen wird. Es genügt nicht mehr zu sagen, wer man ist oder was man getan hat oder zu tun beabsichtigt. Ohne ein Attribut kommt ein Begriff nicht mehr aus. Das damit einhergehende Framing wird zur bewussten Manipulation. Es beeindruckt umso mehr, wenn es ein Superlativ ist. „Das war das beste Ergebnis in der Region“, lenkt davon ab, dass es insgesamt ein schlechtes Ergebnis war. Ganz abgesehen davon, dass es ein weiterer rhetorischer Trick ist, den Kontext zu verzerren, sollte auffallen, dass nicht alle und alles Bestes sein kann. Ein Superlativ ist immer nur einzigartig. Ein behaupteter Superlativ wird oft auch erst dann möglich, wenn die Kriterien für die Bewertung ausbleiben. Sie könnten die Behauptung entkräften. Aber wer interessiert sich schon dafür?
Ja, wir haben einen schweren Weg vor uns als ein Verband, der seine Ideale nicht verraten will, nur um Mitglieder oder Follower zu finden oder um Aufmerksamkeit zu erregen. Und ja, Öffentlichkeitsarbeit ist eine Aufgabe, der wir uns zu stellen haben. Und ja, dieser Beitrag beschreibt Eindrücke und Meinungen aber auch ein Problem, das es zu überwinden gilt. Wir haben jetzt ein Pressefach gemietet bei Pressebox.de. Der Entscheidung war eine Diskussion im Vorstand vorausgegangen. Brauchen wir das? Wollen wir das? Die Herausforderung, sich dem Dilamma zu stellen war schließlich das ausschlaggebende Argument. Wir werden es also versuchen, eine Öffentlichkeitsarbeit abzuliefern, die mit den Grundsätzen der Mediation im Einklang steht. Wir fragen uns, ob es sein kann, dass die einfache Information bereits einen wahrnehmbaren Kontrast zu den Superlativen, Drohungen und Katastrophenmeinungen darstellt und schon deshalb Aufmerksamkeit erregt, weil sie ehrlich und wohlwollend ist?
Wir werden es sehen und weiter berichten. Unsere Pressemitteilungen werden in Zukunft unter Pressefach zu finden sein.
Bild von Gundula Vogel auf Pixabay