Moderne Streitschlichtung: nicht ohne die Gerichte !
Das ist die Headline einer Pressemitteilung der NRV (Neue Richtervereinigung). Die Pressemitteilung hat folgenden Wortlaut: „Die Neue Richtervereinigung appelliert an den Bundestag, die gerichtliche Mediation nicht aufzugeben. Sie aus dem geplanten „Gesetz zur Förderung der Mediation und anderer Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbeilegung“ zu streichen, hieße, einem neoliberalen Deregulierungs- und Privatisierungstrend nachzugeben, der sich in der Realität längst überholt hat.
Stattdessen muss der Staat dafür Sorge tragen, dass auch in den Gerichten zeitgemäße Konfliktlösungsmechanismen vorgehalten werden.
Während der Gesetzentwurf des Bundesministeriums für Justiz vorsieht, die in den Gerichten erfolgreich praktizierte und längst anerkannte Mediation gesetzlich zu verankern (BT-Drs. 17/5335), will sich die schwarz-gelbe Koalition im Rechtsausschuss des Bundestages am morgigen Mittwoch (den 30. November 2011) dafür einsetzen, die Mediation in ein sogenanntes Güterichtermodell zu „überführen“. Tatsächlich wäre das das Ende der gerichtlichen Mediation. Den Gerichten würde die Möglichkeit genommen, eine moderne und nachhaltige Konfliktbewältigungskultur weiterzuentwickeln.
Es gehört es zu den Aufgaben der Gerichte, schlichtend tätig zu werden und einen Rechtsstreit nach Möglichkeit konsensual beizulegen, bevor sie ihn streitig entscheiden. Dabei erlaubt gerade die Mediation es den Kontrahenten, Lösungen jenseits der Alternative von Sieg oder Niederlage zu finden. Teile der Rechtsanwaltschaft sehen in der gerichtsinternen Mediation aber vor allem eine staatlich subventionierte Konkurrenz und einen Eingriff in den Wettbewerb.
Martin Wenning-Morgenthaler, Sprecher der Neuen Richtervereinigung, erläutert, warum diese Sichtweise fehlgeht: „Es kommt so gut wie nie vor, dass ein Rechtsstreit, wenn er erst einmal vor Gericht getragen wurde, dann doch noch durch einen außergerichtlichen Mediator geschlichtet wird. Dagegen hat die von einem dazu ausgebildeten Richter geleitete gerichtsinterne Mediation auch im Falle einer Eskalation noch hohe Erfolgschancen. Gerichtsmediation und freiberufliche Mediation schließen sich daher nicht aus.“
Mein Kommentar dazu:
- Wenn die Bürger ihre Konflikte selbst regeln, entspricht das nicht einem neoliberalen Deregulierungs- und Privatisierungstrend. Es entspricht der Würde des Menschen und zollt seiner Kultur dies zu tun.
- Zutreffend ist es, dass der Staat dafür Sorge tragen muss, dass auch in den Gerichten zeitgemäße Konfliktlösungsmechanismen vorgehalten werden. Er muss dies aber nicht als Staat sondern als Dienstherr (Arbeitgeber) tun. Dazu gehört die Ausstattung der Richter und die Reduktion der Arbeitsbelastung beispielsweise. Man übersieht, dass der Schwerpunkt der richterlichen Arbeit in den Erkenntnisverfahren liegt. Man ignoriert auch, dass hier der eigentliche Optimierungsbedarf besteht. Diesem wird man nicht gerecht, indem die Justiz neue Produkte einführt.
- Die Auffassung, dass eine Mediation nicht mehr in Betracht kommt oder nachgefragt wird, wenn ein Gerichtsverfahren anhängig ist, ist ein verbreiteter Irrglaube der Richter. Wenn die gerichtsinterne Mediation besser nachgefragt wird, dann ist das eine Frage der Ausnutzung von Wettbewerbsvorteilen und eines Cross Sellings, das die Justiz in unzulässiger Weise betreibt.
- Faktisch unterscheidet sich das Güterichtermodell nicht sehr von dem der gerichtsinternen Mediation. Der Güterichter nach Bayerischem Vorbild arbeitet mit Methoden der Mediation. Wo liegt also genau das Problem?
- Die Auffassung, dass eine qualifizierte Streitschlichtung nur im Rahmen einer gerichtsinternen Mediation möglich sei, kann nur jemand behaupten, der nichts von der integrierten Mediation weiß.
- Zutreffend ist, dass Richter sich mehr Konflikt- und Kommunikationskompetenz aneignen sollten. Es hilft den Parteien, wenn sie diese Kompetenz dann auch in den Erkenntnisverfahren nutzen.
Trotzdem ist die Entscheidung des Gesetzgebers bedenklich, aber aus einem ganz anderen Grund. Es ist noch nicht absehbar, wie sich die Mediation entwickelt und wie sie zur Nachfrage gebracht werden soll. Es macht keinen Sinn, wenn die Justiz ein Angebot unterbreitet, das zu mehr Nachfrage nach Justiz führt. Das wäre gegebenenfalls mit der Gerichtsmediation zu erwarten, bedarf aber der Untersuchung. Es macht aber Sinn, wenn durch die Gerichtsmediation eine Erfahrung vermittelt werden kann, die dazu führt, dass die Menschen lernen, dass man Konflikte auch kooperativ lösen kann. Es wäre schade, wenn die Richter ihr Interesse an der Mediation nach dem Gesetz verlieren. Richtig wäre es, den Wettbewerbsvorteil auszugleichen, indem der Gesetzgeber beispielsweise ein Cross Selling verbietet (also der Fall auch an externe Mediatoren verwiesen werden kann) und wenn die Leistung der Justiz in eine Gebühr überführt wird ( die ja auch bei einem Urteil anfiele).
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