Was es so alles gibt?
Um die Unterschiedlichkeit im Umgang mit der Mediation herauszustellen und ihre Vielfalt darzulegen, lohnt sich immer wieder ein Blick ins Ausland. Mediation ist kulturabhängig. Das belegt spätestens die Auseinandersetzung mit der Cross Border Mediation, wie sie im EuroNetMed Projekt ausführlich beschrieben wird. Was wir schon längst wissen wird dort deutlich: Mediation ist nicht immer sehr meditativ.
Nicht nur das, wo es passt wird die nicht-mediative Haltung sogar etabliert. Da ist man im Ausland scheinbar etwas großzügiger als wir in Deutschland. Der Muscle Mediator ist ein Beispiel.
Den Begriff gibt es wirklich. Er beschreibt ein Verhalten, um nicht zu sagen eine Strategie, wie die Parteien in eine Einigung gebracht werden können. Einige (natürlich nur ausländische :-)) Mediatoren fürchten, dass der Streitfall nicht beigelegt werden kann, wenn die Parteien nicht in einem kontinuierlichen Verhandlungsprozess „verschlossen“ sind. Um eine Streitbeilegung zu erzielen, warten diese „Muscle Mediatiors“, wie sie genannt werden, bis eine der Parteien vor Erschöpfung oder sogar vor Hunger kapituliert. Es ist zutreffend, dass diese Praktik eine Wirkung hat und in einigen Fällen durchaus maßgeblich dazu beitragen kann, eine Vereinbarung herbeizuführen. Allerdings ist fraglich, ob diese Vereinbarung am Ende wirklich ein Konsens und nicht nur ein (fauler) Kompromiss ist. Es ist mehr als nur eine Stilfrage wenn auf solche Methoden zurückgegriffen wird.
Bei langandauernden Mediationen sollten Pausen eingeplant und Erschöpfung vermieden werden. Vertagungen und Fortsetzungstermine erweisen sich in der Mediation alles andere als schädlich. Konsens beruht auf Freiwilligkeit. Nachhaltigkeit beruht auf Reflexion und Verinnerlichung. Bevor man sich aber über diese schon fast gewaltsam anmutende Mediationsform entrüstet, sollte man auf die Praxis in Deutschland schauen. Hier wäre eine solche Mediation wahrscheinlich unter dem Begriff der Powermediation besser zugänglich. Man könnte sie als das Gegenstück zur Kurzmediation begreifen. In beiden Fällen kommt es zu einer Verkürzung der Mediation (Möglichkeiten). Wir alle wissen, dass beide Fälle keine optimale Mediation sein können. Wenn die Parteien (und der Mediator) aber damit einverstanden sind …
Wenn Sie ein Auto in die Werkstatt bringen und dem Werkstattmeister erklären, dass sie aus finanziellen Gründen oder warum auch immer darauf verzichten, dass der Monteur nicht alle kaputten Teile austauscht, dann ist es Ihre Entscheidung als Kunde. Sie müssen nur eine Werkstatt finden, die sich darauf einlässt. Aber ich bin sicher, das wird Ihnen gelingen – nicht bei jeder Werkstatt versteht sich. Ein Haftungsfall entsteht, wenn der Werkstattmeister Sie nicht darauf hingewiesen hat, was passiert, wenn wichtige Ersatzteile fehlen.
Übertragen auf die Mediation wäre es ein definitiver Kunstfehler, wenn der Mediator entweder so verfährt ohne das Einverständnis der Parteien einzuholen oder wenn er die Parteien nicht auf die Konsequenzen eines derartigen Vorgehens hinweist und ihnen nicht die Verantwortung der Entscheidung überlässt.
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