Das war der Titel eines Beitrages in der FAZ, der auch schon in diesem Blog zitiert wurde. Nun sehe ich, dass er die Gemüter auch in anderen Blogs erregt. Überhaupt löst das Thema „Mediatorenschwemme“ unter den Mediatoren eher Angst aus als Vertrauen. Warum ist das so?
Gängige Äußerungen zu dem Thema sind:
- Es gibt viele Skilehrer aber wenig Schnee.
- Da gibt es Menschen, die nennen sich Mediator sind aber keiner.
- Die (unfähigen Kollegen) machen die Mediation kaputt.
Auffällig war eine Umfrage auf dem Kongress in Hannover. Dort meinten 97% der anwesenden Mediatoren, dass ihre Kollegen nicht korrekt und ausreichend asusgebildet seien. Bei diesem Umfrageergebnis wären nur 3% der Mediatoren gut ausgebildet. Das ließe dann die Schlußfolgerung zu, dass selbst die Ausbildung der etablierten Institute und Verbände unzureichend sei. Das kann so nicht stimmen. Es ist eine Einschätzung, die ein Mediator nicht aussprechen sollte. Sie ist weder mit Fakten belegt, noch gibt es Statistiken und objektive Kritetrien, welche die Inkompetenz der Anderen festschreiben lassen. Woher kommt dieser Eindruck dann?
Schwarze Schafe gibt es überall. Aber die Vorstellung, dass ein unterstellt unfähiger Mediator sein Geschäft trotz permanenter Misserfolge unbekümmert fortführt, erscheint mir unrealistisch. Trotzdem ist es so, dass viele Anbieter auf der Suche nach Märkten und Absatz auf dem Hype der Mediation schwimmen wollen. Und tatsächlich wird hier einiges als Mediation verkauft, was bei genauem Hinsehen keine ist. Zu erwähnen ist z.B. die so genannte Shuttle Mediation, welche die Rechtsschutzversicherer vermehrt anbieten. Die Konsequenz ist eine weitere Diffusion des Begriffs. Trotzdem müssen wir konzidieren, dass der Shuttle Mediator der Rechtsschutzversicherung in vielen Fällen in der Lage ist, den Streit beizulegen. Ist das jetzt ein Erfolg oder ein Misserfolg? Müssen wir das neiden oder können wir das den Dienstleistern und vor allem den Parteien gönnen. Letztlich vermittelt sich ihnen doch eine positive Erfahrung. Ist das jetzt gut oder schlecht und wer entscheidet darüber?
Tatsächlich entsteht der Eindruck – und da gebe ich dem Autor des FAZ Artikels recht – dass die Mediatoren omnipräsent sein wollen. Mehr noch, sie fühlen sich auch omnipotent. Beides ist eine aus der Kompetenz der Mediation resultierende Erfahrung. Sie ist sicher nicht falsch. Sie ist aber untunlich, wenn sie als eine Ausweglosigleit verstanden wird. Deshalb sollte es uns nachdenklich stimmen, wenn der Autor des FAZ Artikels fortführt: „So erweist sich die Omnipräsenz der Mediation als Ausdruck eines Zustands, in dem Konflikt und Dissens überall drohen und sich doch niemand in der Lage sieht, selbst für sein Recht einzutreten“. Dieser Satz wirft zweifellos die Frage auf, ob es darauf ankommt, für sein Recht einzutreten. Das Recht steht als ein Synonym für etwas Anderes. Es ist Mittel zum Zweck und kein Selbstzweck. Das wird oft verwechselt. Wir sollten uns klar machen, dass das Recht dem Menschen dient und nicht umgekehrt. Wir sollten uns auch klar machen, dass die blinde Durchsetzung dessen, was für Recht gehalten wird, manchmal dem Menschen undienlich ist. Was spricht dagegen, wenn die Menschen Wege suchen, ihre Interessen auf andere Weise zu befriedigen? Was spricht dagegen, wenn ich einen Anspruch nicht geltend mache, nur weil ich mit dem Streitgegner nichts mehr zu tun haben will und nur weil ich meinen inneren Frieden suche? Was spricht dagegen, wenn ich ein Konfliktvermeider bin? Das ist doch auch mein gutes Recht. Damit entäußert man sich also keines Rechtes, man nimmt es wahr.
Wenn das Zitat aber so zu verstehen ist, dass die Menschen stets einer fremden Hilfe bedürfen, egal ob sie ihr Recht duchsetzen oder nach anderen Lösungen suchen wollen, dann wäre dies ganz sicher das Gegenteil von dem was die Mediation will. Das käme einer Entmündigung gleich. Egal was passiert, man ist auf Spezialisten angewiesen. Das ist leider ein Trend, der allenthalben festzustellen ist.
Wir sollten nicht übersehen, dass die Menschen durchaus in der Lage sind ihre Konflikte selbst – auch ohne die Hilfer Dritter – zu lösen. Auch wenn Mediatoren dies nicht gerne hören. Denn nur, wenn der Betroffene zwar theoretisch in der Lage ist, seinen Konflikt selbst zu lösen, dabei aber auf die Hilfe Dritter angewiesen ist, dann entsteht daraus eine Nachfrage. Das ist aber kurz gedacht und führt zu einer Paradoxie. Denn wenn ich den Bedarf erkenne und mir den Spezialisten nicht leisten kann, dann schafft das Raum für Selbsthilfeinitiativen. Für den Betroffenen wirkt diese Botschaft wie ein double bind. Ich bin mir auch nicht sicher, ob ein Betroffener diese Information als eine Entlastung versteht. Das klingt nach Regen und Traufe. Man tauscht die eine Abhängigkeit gegen die andere aus. Motivation geht anders.
Viele Mediatoren haben Angst. Sie befürchten, wenn die Mediation wegen der Inkompetenz des Mediators scheitert, dann wird der Kunde keine Mediation mehr in Anspruch nehmen. Ich halte entgegen:
- Wo es viele Ärzte gibt, gibt es viele Kranke
- Wenn die Inkompetenz eines Dienstleisters dazu führt, dass die Dienstleistung nicht mehr in Anspruch genommen wird, dann dürfte es keine Anwälte mehr geben.
- Wenn der Betroffene das Gefühl hat, dass er seinen Konflikt doch nicht selbst lösen kann, wird er auch gar nicht darüber nachdenken, es zu versuchen.
Ich persönlich denke, die Art und Weise, wie die Mediation dem Bürger vorgestellt wird, ist eher kontraproduktiv. Das offene Misstrauen den Kollegen gegenüber, die Aufbereitung von Bedrohungsszenarios, der Streit um ein unnötiges Gesetz, der Ruf nach Zwang und Verpflichtung, der ethische Anspruch, das alles passt nicht wirklich zur Mediation. Auch mag der Eindruck entstehen, als sei die Kooperation viel gefährlicher und schwieriger als die Konfrontation. Kein Wunder also, wenn man darüber nachdenken muss, die Menschen zur Mediation und somit „zu ihrem Glück“ zu zwingen.
Jemand der sich kritisch mit der Materie auseinandersetzt, wird unausgesprochene Botschaften erkennen, die nicht wirklich dazu beitragen, dass die Menschen mit der Mediation eine positive Erfahrung verbinden können. Ihnen liegt das Denken zugrunde, das doch gerade mit der Mediation verändert werden soll. Es ist das Denken im Nullsummenspiel, wollten wir uns davon nicht befreien? Wie wäre es, wenn wir an Beispielen zeigen, dass ein Nullsummenspiel auch in ein Positivsummenspiel aufgelöst werden kann, dass es möglich ist durch Kooperation – wie sich diese auch immer ausgestalten mag – Ziele zu erreichen, von denen man bislang gedacht hat, dass diese nur mittels der Konfrontation zu erreichen sind? Wie wäre es, wenn wir einfach anfangen, mediativ zu denken – nicht nur in den so ausgewiesenen Verfahren? Wie wäre es, wenn wir anfangen, Vertrauen als Basis unseres Denkens zu etablieren statt Misstrauen?
Ich verstehe den FAZ Artikel so, als würde vor dem Schritt vom Regen in die Traufe gewarnt werden. Die Warnung ist ernst zu nehmen. Wieder werde ich an den römischen Prätor erinnert, den uns Prof. Dr. Haft in seinem Buch „Verhandlung und Mediation“vorgestellt hat. Dieser Prätor, so wird ausgeführt, habe das (juristische) Denken in Ansprüchen nicht zuletzt erfunden, um Macht zu erlangen. Gibt es etwa parallele Phänomene bei der Einführung der Mediation?
Ich finde die klaren Worte von Arthur gut. Richtig wohltuend in dem Durcheinander!
Um die inhaltliche Bedeutung der ‚Trossenschen‘ Ausführungen zu erhalten, bleibt mein Kommentar sehr kurz: ich stimme diesen Gedanken umfänglich zu!