Liebe Freunde der Mediation,
In den letzten Monaten hat sich gewaltiges verändert im Rahmen der Mediationslandschaft, manches allerdings stagniert nach wie vor, wie seit vielen Jahren.
Diese Stagnation ist für uns in den Verbänden insgesamt Anlass zur Sorge, da die Befürchtung im Raume steht, dass dann, wenn wir als Verbände es nicht schaffen eine einheitliche Außenrepräsentanz für das Instrument der Mediation zu präsentieren, der Gesetzgeber uns dies aus der Hand nehmen wird.
Seit Jahren wird in den unterschiedlichsten Verbänden versucht, die Mediation zu definieren, zu beschreiben, zu bestimmen. In den unterschiedlichen Verbänden haben sich unterschiedliche Quasi- standards entwickelt für die Fragen der Ausbildung, Umfang und Inhalt jeweils betreffend.
Es haben sich unterschiedliche Gestaltungsmöglichkeiten mit und um die Mediation entwickelt.
Zum Bereich der Ausbildung ist es mittlerweile möglich, über Fernunterricht die tragenden Kommunikations- und Konfliktinhalte sowie den Verfahrensablauf der Mediation zu unterrichten.
Und die Landschaft verfügt über ein Ausbildungsvolumen von 90 Stunden für einen so genannten Wirtschaftsmediatior bis hin zu Masterausbildungen, wie in meinem Falle in einem Ausbildungsvolumen von 850 Stunden.
Allein hieran macht sich auch schon deutlich, dass die vermittelten Inhalte extremen Schwankungen unterliegen.
All diese Formen jedoch subsumieren sich unter dem Begriff der Mediation.
Und genauso unterschiedlich wie die Ausbildungserfordernisse gestalten sich zwischenzeitlich auch die Verfahrensarten. Neben den Gerichten, innerhalb der Gerichte – auch hier in unterschiedlichen Modellen – und außergerichtlich.
Und schlussendlich eine Vielzahl von Fachspezialisierungen in den unterschiedlichen Bereichen von Mediation.
Logischerweise ist dies dann auch unterlegt mit recht unterschiedlichen Zugängen zur Mediation selbst, für die nach wie vor nicht klar definiert ist, ob es sich um eine Verfahrensart handelt, um eine besondere Haltung im Umgang mit konfliktträchtigen Situationen, oder um eine völlig neue Form des Begegnens von Konflikten.
Hinter all diesen unterschiedlichen Wahrnehmungen zur Mediation sowie den unterschiedlichen Absichten, was mit Mediation bewirkt werden soll, stehen natürlich unterschiedliche Zugänge für die Notwendigkeit eines solchen Instrumentes, also unterschiedliche Philosophien.
Als in der Mitte der 90er Jahre der Begriff der Mediation als Schlagwort bei uns bekannter wurde, kam die Verbreitung letztlich zunächst über eine besondere Art der Konfliktbearbeitung in wirtschaftlichen Kontexten. Während das in Amerika bereits übliche Praxis war, war es hiesiger Orts noch relativ unbekannt. Gedacht war das Verfahren dann in der Weiterentwicklung bei uns als eine Möglichkeit, mit einem ganzheitlichen Ansatz sowohl die rationale, wie die emotionale Seite von Konflikten bearbeiten zu können.
Dies geboren aus einer Notwendigkeit, weil durch zunehmende gerichtliche Verfahren mit auch hier zunehmenden Ausdifferenzierungen und Delegationen an Sachverständige auf der Sachebene , die Beachtung beider Aspekte eines Konfliktes nur schwer möglich war.
Das Bestreben jedoch, einen Konflikt in seiner Gesamtheit würdigen zu können, war jedoch gerade bei den damals agierenden Juristen ein Bedürfnis, da sie in der Bearbeitung von Konflikten zunehmend lediglich auf der Sachebene agieren konnten.
Ebenso bei tätigen Psychologen und Psychotherapeuten , die allein auf die emotionale Bearbeitung verwiesen waren.
Um dies für die Juristen näher zu begründen, mache ich einen kurzen Ausflug in die Historie der Rechtswissenschaften in Deutschland, eigentlich ganz Europa betreffend. Denn das europäische Recht fußt auf dem römischen Recht. Hier sind die Wurzeln für die Beantwortung der Frage, wie mit konfliktträchtigen Situationen umgegangen werden soll. Aus einer über viele Jahrhunderte gewachsenen Tradition heraus hat sich das so genante gesetzte Recht entwickelt, also die Festlegung in einer Vielzahl von Gesetzesnormen, um Streitigkeiten in den verschiedensten Kontexten einer objektivierten , stets wiederholbaren und nachvollziehbaren Entscheidung zuzuführen.
Dabei ist das gesetzte Recht von einer Vielzahl von Ermessensbestimmungen, Verhältnismäßigkeitsabwägungen und Billigkeitsüberprüfungen geprägt.
Damit sollte sichergestellt werden, dass trotz generalisierender Festlegung der Behandlung streitiger Angelegenheiten ein Blick auf den individuellen Einzelfall gewahrt bleiben sollte.
Hinzu kam die sehr wichtige Festlegung des Grundsatzes der Privatautonomie, die Menschen die Freiheit geben soll, ihre Rechtsangelegenheiten untereinander selbst zu regeln, soweit es nicht mit zwingendem gesetzlichem Recht kollidiert.
Aufgrund dieser Historie umfasste der Bereich des rechtswissenschaftlichen Studiums ein breit angelegtes Spektrum nicht nur der rechtlichen Information, sondern auch philosophischer , ethischer und psychologischer Elemente, ein studium generale.
Im Rahmen der Weiterentwicklung wurden hier dann zunehmend Anteile herausgenommen, angepasst auch an die jeweils erforderlichen Zeiten. Dies hin bis zu den heutigen BA – Studiengängen, in denen lediglich die Rechtsanwendung Maßstab ist, jedoch von Rechtsverwendung oder gar Rechtsschöpfung , Rechtsethik und Rechtsphilosophie, kaum noch Elemente vorhanden sind.
Damit hat sich für eine umfassende Rechtsbearbeitung, wie ursprünglich gedacht und geplant, eine schwere Lücke aufgetan.
Diese Lücke nun schien durch die Mediation gefüllt werden zu können. Denn hierüber sollte den Parteien eines Konfliktes die Möglichkeit geschaffen werden, ihren eigenen Konflikt lösen zu können durch eine Vermittlung sowohl zum Recht, wie auch eine Vermittlung zu den Werten und Haltungen der verschiedenen Parteien, die sich schließlich dann äußern in den von diesen vertretenen Positionen.
Unter Verwendung des Gesamtspektrums können die Parteien eines Konfliktes die unterschiedlichen Wertsysteme verstehen und tolerieren, wenngleich auch nicht unbedingt akzeptieren. In diesem Rahmen der gegenseitigen Achtung und Toleranz der unterschiedlichen Wertsysteme sowie der daraus resultierenden Positionen, können neue Lösungsoptionen entwickelt werden, die dann zu einem Konsens führen.
Den Konsens auch als einem vermittelnden Weg zwischen unterschiedlichen Werten und Haltungen. Diese müssen hierbei nicht verändert werden, es ist jedoch möglich, nachdem sie einmal zur Kenntnis genommen worden sind, sie zu verwalten. Und in vielen Fällen kommt es sogar zu einer eigenen neuen Wertschöpfung, als Basis für den Konsens.
Über diesen Weg konnte die Autonomie für Streitparteien zur Regelung ihres Konfliktes und zur Auflösung an die Parteien zurückgegeben werden. Dies im Zuge und in Ausfüllung von Rechtsstaatlichkeit und demokratischen Ansätzen – damit die Rückdelegation von Konflikten an diejenigen erfolgen, die hiervon betroffen waren.
Für den Fall des Scheiterns eines solchen Vorgehens war dann immer noch der Weg zu den Gerichten offen, um hier über die generalisierenden Rechtsnormen eine Abklärung auf sachlich- rationaler Basis vornehmen lassen zu können.
An diesem Punkt haben sich auch unzählige Diskussionen festgemacht über die Frage, ob die Mediation Teil eines Rechtssystems ist, oder ob die Mediation eine Alternative zum Recht darstellt. Wobei es in diesen Diskussionen bis heute mangelt an der Differenzierung zwischen dem Recht und den Rechtsnormen.
Mein persönlicher Standpunkt hierzu ist nach wie vor derselbe, wie vor Jahren schon vertreten:
In dieser Weise ist Mediation für mich ein echter Bestandteil eines Rechtssystems. Nur in der Funktion eines solchen ist es auch möglich, rechtsverbindliche Vereinbarungen im Rahmen einer Mediation zu treffen. Denn wenn ich mich in einem Staatengebilde außerhalb des dort existenten Rechtssystems stelle, so kann ich nichts vereinbaren, was innerhalb dieses Rechtssystems Anerkennung finden soll.
Allerdings spielt sich die Mediation ab außerhalb der gesetzten Rechtsnormen. Denn insoweit übersteuert die Privatautonomie die Einhaltung von nicht zwingenden gesetzlichen Vorschriften.
Soweit zu den Entwicklungstendenzen der ersten Stunde.
Nun jedoch kam ein weiterer Aspekt hinzu, nämlich die Verbreitung, auch Vermarktung und damit Verwirtschaftlichung.
Bis dahin kann die Mediation als ein Instrument betrachtet werden, das den Bereich nunmehr aufgefangen hat, der infolge von zunehmend komplexen Sachverhalten und einem zunehmend komplizierten Regelungsgeflecht sich vor Gericht kaum noch erörtern lässt-
der dringend erforderlichen Diskussion über die unterschiedlichen Wert und Haltungen der Parteien eines Konfliktes, aus denen sich jedoch deren Positionen ableiten.
Aber nun kam es zu einer Veränderung. Denn wir haben in der Mediationslandschaft mit den Begriffen operiert, die wir dem amerikanischen Mediationsmodell entnommen hatten. Und somit war plötzlich die Rede von schneller, billiger, dies im Sinne von materiell billiger und damit nützlicher.
Diese Begriffe jedoch waren bezogen nicht auf das europäische Rechtssystem, erst recht nicht auf das deutsche, sondern auf das amerikanische Rechtssystem. Dieses nun stellt sich erheblich unterschiedlich dar im Vergleich zum europäischen Rechtssystem.
Denn während, wie bereits ausgeführt, Basis hier das römische Recht mit den gesetzten Rechtsnormen war, handelt es sich beim angloamerikanischen Recht um das so genannte „Case Law“. Der gedankliche Grundansatz hier ist ein wesensverschiedener. Auch das Verfahren selbst ist ein wesentlich unterschiedliches im Vergleich zu dem hiesigen.
Das Case Law geht von fallbezogenen Konfliktlösungsmöglichkeiten aus, lediglich durch Rahmengesetze flankiert.
Auch diese Möglichkeit des Zugangs führte jedoch – dies wiederum ähnlich wie bei uns – zu einer infolge der komplexeren Außenstrukturen, schwerfälligen und langsamen, oft auch undurchschaubaren Verfahrensart.
Und nachdem das amerikanische Rechtssystem, dem Gedanken des freien Marktes folgend, nicht wie das deutsche Rechtssystem staatliche Hilfen für Bedürftige bei der Rechtsfindung vorsieht, auch nicht geregelte Sätze für die Anwälte, war das Risiko der Prozessführung dort ungleich wesentlich höher als bei uns.
Unter diesem Fokus macht natürlich ein nützlicheres und wirtschaftlich sinnvolleres Verfahren einen Sinn. Aus diesem Grunde ist die amerikanische Mediation in ihrer Zielorientierung auf ganz andere Zielsetzungen angelegt, als die Mediation, wie sie bei uns noch weitflächig verstanden wird.
Infolge natürlich auch einer globalisierten Wirtschaft und damit einem Agieren von Konzernen und Wirtschaftsverbänden über sämtliche Landesgrenzen hinweg, war es auch ein Instrument, um Angelegenheiten in wirtschaftlichen Kontexten schnell und pragmatisch, also wirtschaftlich nützlich, lösen zu können.
Und ich meine, dass hier ein wesentlicher Punkt dafür liegt, dass es uns in den Verbänden so wenig gelingt, auf einen einheitlichen Standard zu kommen. Ich meine, dass wir hier versuchen, Äpfel mit Birnen zu vergleichen, das außer Acht lassen, was wir dringend dann benötigen, wenn wir im Rahmen einer Mediation tätig sind. Wir müssen zur Kenntnnis nehmen und respektieren, dass es die Unterschiedlichkeit und die Vielfalt gibt, ohne dies einer Bewertung von Gut oder Schlecht oder Böse zu unterziehen.
Derjenige, der eine 90 – Stunden – Ausbildung macht, kann in diesem Zeitraum ein paar Kommunikationsstrategien erlernen. Aber natürlich wird er nicht in dem Ausmaß einen Zugang zu den Wertsystemen, grundarcharchaischen menschlichen Themen, philosophischen grundtragenden Elementen oder gar psychologisch den einzelnen Menschen- und auch sich selbst ! – betreffenden Kenntnisse erwerben können, wie ein Mediator mit einer ausgereifteren Ausbildung.
Was möglicherweise auch gar nicht notwendig ist. Denn wenn es darum geht, rasch und möglichst einfach im Rahmen eines Big Deals eine Vereinbarung zu schließen, damit wirtschaftliche Vorgänge weiter vorangetrieben werden können, so stellt sich hier nicht das Erfordernis nach Werten zu fragen. Daher braucht es dann auch keine Kenntnisse hierüber.
Die Liberalisierung nach allen Seiten kapitalistischen Grundansätzen folgend führt dann möglicherweise auch dazu, dass andere Ausgestaltungen denkbar sein sollen. Dann kann man diskutieren über das Erfordernis der Unabhängigkeit eines Mediators, der Neutralität, der Allparteilichkeit. Denn hier handelt es sich dann lediglich um ein Verhandlungsinstrument sui generis mit der Zielsetzung, möglichst rasch zum Big Deal zu gelangen. Dann geht es nicht um die Schaffung von Gerechtigkeit für die Beteiligten, sondern um eine wirtschaftlich nützliche Lösung.
Wenn wir als Mediatoren dies deutlich stellen nach Außen, eine klare Abgrenzung vornehmen, auch bezüglich der Zielrichtung in den unterschiedlichen Verfahrensarten, hören vielleicht die Missverständnisse auf und man kann sich auf einen tragenden konsensualen Grundansatz verständigen.
Meine Hoffnung ist, dass dann, wenn wir uns über diese Dinge wirklich klar geworden sind, dies auch entsprechend nach Außen kommunizierbar wird. Und nach meiner Einschätzung wird erst dann, wenn wir dies einheitlich nach Außen kommunizieren können- Mediation in ihrer Vielheit und Buntheit und Unterschiedlichkeit- der Nachfragebedarf in all diesen Feldern so anwachsen, wie sich das viele Mediatoren wünschen.
Und, abschließend, möchte ich die Gelegenheit noch nutzen mich kurz zur Integrierten Mediation zu äußern , nach dem Motto „ceterum censeo“…..
Die Integrierte Mediation wird gerne verwechselt und gleichgestellt mit einer Mediationsart, die eine gerichtsinterne Mediation propagiert. Dies ist ein Teil der Integrierten Mediation, gewachsen daraus, dass unser Vereinsgründer, Herr Trossen, in seinem Grundberuf Richter ist.
Wissend um die oben bereits benannten und beschriebenen historischen Kontexte war es ihm in seiner Richterposition ein Anliegen, diese Form von ganzheitlichem Herangehen an konfliktträchtige Situationen, vor allen Dingen in familiären Kontexten, zu schaffen, damit dies auch im Rahmen gerichtlicher Verfahren erfolgen kann.
Und im Verlaufe des Tuns hat sich diese Form eines integrierenden mediierens weiterentwickelt hin zur Integrierten Mediation, die meint, dass diese Form des ganzheitlichen Herangehens, des genauen Beobachtens und Tolerierens und Respektierens der Wertesysteme anderer, der Transparenzschaffung und des Arbeitens in anderer Weise in allen konfliktträchtigen Situationen sich für sämtliche Menschen mit einem Grundberuf eignet, die mit Konflikten zu tun haben. Aus diesem Grunde findet sich im Verband der Integrierten Mediation eine Vielzahl von Menschen mit den unterschiedlichsten Hintergrundberufen, Richter, Psychologen, Anwälte, Ärzte, Lehrer, Sozialarbeiter, Verbandsmitarbeiter, Bankfachleute, etc.
So verstanden ist die Integrierte Mediation nicht einfach nur eine Verfahrensart, sondern eine grundsätzliche Bekennung zu einem friedvollen Umgang miteinander.
Was auch bedeutet, den Verzicht auf Manipulation, Täuschungen, Arbeiten in verdeckten Ebenen. Was bedeutet, mit Klarheit und Wahrheit und Offenheit und in Transparenz miteinander umzugehen.
Nachdem ich selbst Vorstand im Verein der Integrierten Mediation bin, habe ich mir dieses Schlusswort erlaubt, da gerade für mich persönlich sich der Bereich der Integrierten Mediation sowie der Förderverein der Mediation im Öffentlichen Bereich ergänzen, auf einander aufbauen, auch dann, wenn die Zielsetzungen im Tun selber unterschiedlich sind.
Und ich glaube, dass ,wenn wir Mediatoren insgesamt unser eigenes Wertsystem und unsere Zugänge überprüfen, wir leicht feststellen werden, dass ein Konsens zwischen allen Verbänden gar nicht so schwer zu erzielen sein wird, wie uns dies momentan noch scheint. Denn die tatsächliche und offene Bekennung zu diesen Grundsätzen dürfte den meisten der Mediatoren, die ich im Verlaufe der letzten 12 Jahre kennen gelernt habe, sehr leicht fallen.
In diesem Sinne wünsche ich uns allen weiter ein konstruktives Arbeiten an dem Thema der Mediation, im Sinne eines generellen Umlernens und Weiterlernens an den Mitteln zur Konfliktbewältigung. Und freue mich über Rückmeldungen, um eine Diskussion auch auf diesem Wege in Gang zu setzen.
Rechtsanwältin Iris Berger
Master of Advanced Studies in Mediation
European General Mediator
Fachanwältin für Familienrecht
Beirat im Vorstand des Fördervereins der Mediation im Öffentlichen Bereich
2. Vorsitzende des Vereins der Integrierten Mediation
Tätige Rechtsanwältin und Mediatorin und Leiterin des Instituts für Konfliktbearbeitung
Lieber Ali
Als Juristin und Rechtswissenschaftlerin kann ich deine Einstellung nicht teilen, dass das Recht der gesellschaftlichen Entwicklung hinterherhinken würde. Wichtig ist es hier zu differenzieren:
einmal zwischen dem Recht, das sich eine Gesellschaft selber gibt, in denen die grundsätzliche Werte-Ordnung dieser Gesellschaft festgeschrieben wird. Und dem sogenannten gesetzten Recht und dem Gewohnheitsrecht, welches seine Ausprägung in einzelnen Gesetzen findet. (welches häufig der aktuellen Entwicklung hinterherhinkt).
So gesehen ist jede Absprache zwischen Menschen ein Rechtsakt, damit auch eine Vereinbarung zwischen Eltern und Kindern, in Familien etc.
Damit natürlich auch jede Mediationsvereinbarung, selbst dann, wenn es um scheinbar einfache Fragen über Erziehungsgrundsätze oder öhnliches geht.
Im Rahmen der in unserem Rechtssystem geltenden Grundsatzes der Privatautonomie sind Bürger berechtigt, in einem definierten Umfang selbst eigene gesetzliche Regeln zu schaffen, um ihre Streitigkeiten beizulegen.
Diese Eigen-geschaffenen Regelungen nun dürfen aber mit der grundsätzlich geltenden Rechtsordnung nicht kollidieren. Bei einer Grundstücksübertragung muß ich zwingend die gesetzliche Form beachten, die Vereinbarung einer Vielehe ist in der BRD nicht möglich, die Festlegung, das eigene Haustier zu adoptieren, ebenfalls nicht.
Andere Vereinbarungen hingegen sind möglich, zum Beispiel darüber, wie Unterhalt geregelt wird, Zugewinn oder Vermögen aufgeteilt wird, Gegenleistungen zu erbringen sind. Das ist aber nur dadurch möglich, weil die Rechtsordnung dafür den Rahmen geöffnet hat.
Letztlich stimmt es somit zwar, dass neue Regelungen mit der Mediation geschaffen werden können, dies aber eben nur im Rahmen der geltenden Rechtsordnung. In dieser Weise ist es ist es auch zur Erstellung der ersten geschriebenen Gesetze gekommen. Und nicht ohne Grund waren dies, bevor es Richter, Rechtsanwälte und Staatsanwälte gab, Menschen, die in Philosophie, Rhetorik und den Naturwissenschaften ausgebildet waren. Aus diesen Kenntnissen hat sich dann das geschriebene Gesetz entwickelt.
Damit knüpfen wir in der Mediation letztlich an dem an, was zu Beginn der Rechtsentwicklung stand.
Ich stimme dir zu, dass die Mediation nicht über das gesetzte Recht entwickelt werden sollte. Wenn sie allerdings auch nicht über die Rechtsordnung entwickelt werden sollte, so ist es dringend erforderlich, die Fragen der Haltung und Autonomie näher zu bestimmen- was ich ja auch seit Jahren durch die Lande rufe. Und die Frage der Haltung koppelt sich wiederum an die Frage meiner Werte-Ordnung, die die Rechtsordnung sein kann, aber nicht muß (mit den entsprechenden Folgen). Und die Frage meienr Autonomie koppelt sich an die Frage, ob mir überhaupt mein eigenes Wertesystem bewußt ist. Oder ob ich vielleicht lediglich dass meiner Eltern, Freunde, sozialem Umfeld nehme- damit aber nicht autonom bin.
Es tut mir leid, dass du hierauf solange keine Rückmeldung bekommen hattest- Grund war technischer Unverstand meinerseits.
liebe Grüße
Iris
Rechtsanwältin Iris Berger
Master of Advanced Studies in Mediation
European General Mediator
Fachanwältin für Familienrecht
Zur Diskussion des Beitrags von Frau Kollegin Berger möchte ich als Jung-Medator ein paar teilweise ungeordnete Gedanken beitragen:
Wäre es wünschenswert, dass es statt vieler Mediationsverbände, eines divergierenden Verständnisses dieser Verbände von Mediation und einer großen Spreizung der Anforderungen an diejenigen, die diese Verbände als qualifizierte Mediatoren anerkennen, nur einen Verband gibt, der Tätigkeitsbild und Ausbildung definiert? Ja, vielleicht. Aber die vorhandene Pluralität bei einem doch noch eher jungen Thema bietet auch die Chance, dass über einen Wettbewerb an Konzepten und Ideen am Ende eine bessere Lösung herauskommt.
Ich jedenfalls glaube an den Markt und damit daran, dass dann, wenn die Ausbildung sich als zu schmalspurig herausstellt, die betreffenden Mediatoren nicht den Erfolg haben werden, den besser ausgebildete Mediatoren haben. Apropos Qualität, hier mag es ein zeitliches und damit quantitatives Element geben, ganz sicher dürfte auch die Ausbildungsqualität oder – wie Arthur Trossen es fordert – die Haltung eine wichtige Rolle spielen. Zwar mag eine 90stündige Ausbildung ohne eine entsprechende, teilweise einschlägige Vorbildung (z.B. Coaching Ausbildung) die Vermutung einer unvollständigen Mediationskompetenz nahelegen. Auf der anderen Seite ist eine Ausbildung mit einem Zeitumfang von mehr als 800 Stunden keine Garantie für eine hohe Befähigung als Mediator.
Spannend ist auch die von Iris Berger beleuchtete Frage, ob Mediation Teil des Rechtssystems oder eine Alternative darstellt. Spannend deshalb, weil sich zunächst die Frage stellt, ob es nicht „und“ statt „oder“ heißen sollte. Meine Meinung dazu ist, dass Mediation in der Tat beides ist bzw. sein kann, Bestandteil des Rechtssystem (soweit die Mediation gerichtsnah erfolgt, ein notwendiges Vorverfahren vor einer gerichtlichen Auseinandersetzung ist oder dazu dient, bei konträren Rechtspositionen am Ende einen rechtlich bindenden und ggf. durchsetzbaren Konsensvertrag zu erreichen. Mediation ist für mich eine Alternative, als sie Menschen dazu bringt, Konfliktstoff untereinander verhandelbar zu machen und einen Konsens zu finden, der über konkrete, ggf. rechtlich relevante Streitpunkte hinausgeht.
Problematischer als die vorstehende Frage ist in der Praxis aus meiner Sicht die Vermengung von Mediation und Schlichtung. Insbesondere im Schulbereich, wo die Ausbildung von Schülern, Eltern und Lehrern zu Mediatoren gerade „Schule macht“, zeigt ein näheres Hinsehen in einigen Fällen, dass hier Schlichtungskompetenz erzeugt wird. Die mag durchaus für den zu lösenden Konflikt ein adäquates Instrument sein, entbehrt jedoch das Element der Privatautonomie bzw. Hilfe zur Selbsthilfe.
Für besonders wichtig bei der Diskussion über Mediationsverbände erachte ich schließlich, dass die Mediationsverbände nicht nur die (entgeltliche) Aus- und Fortbildung von Mediatoren und das Setzen von Regeln bei der erwerbswirtschaftliche Ausübung von Mediation über förmliche Mediationsverfahren zu ihrer Sache erklären, sondern auch die Verbreitung des Mediationsansatzes und seiner Werkzeuge in der gesamten Gesellschaft, von Familie, über Vereine und Schule bis in die Unternehmen. Die Satzungen vieler Verbände nennen ein solches Ziel. Für mich ist aber nicht erkennbar, dass dieses mit Energie verfolgt wird. Wenn jedoch über die gemeinsame Anstrengung aller Mediationsverbände und der darin zusammengeschlossenen Mediatoren die ganze Gesellschaft an Konfliktlösungskompetenz gewinnen würde, wäre dies ein ganz wesentlicher Beitrag zu einem friedlichen Zusammenleben Aller in unserer Gesellschaft.
Mit den besten Grüßen
Peter A. Doetsch, Wiesbaden
Rechtsanwalt
Dr. Peter A. Doetsch
Jungferngartenstr. 2 B
65193 Wiesbaden
Liebe Iris,
ich habe viel Verständnis für Dich als Rechtsanwältin, wenn Du schreibst:
In dieser Weise ist Mediation für mich ein echter Bestandteil eines Rechtssystems. Nur in der Funktion eines solchen ist es auch möglich, rechtsverbindliche Vereinbarungen im Rahmen einer Mediation zu treffen. Denn wenn ich mich in einem Staatengebilde außerhalb des dort existenten Rechtssystems stelle, so kann ich nichts vereinbaren, was innerhalb dieses Rechtssystems Anerkennung finden soll.
Für mich ist das nicht so, dann ist aus meiner Sicht Mediation eingeengt. Mediation ist, wie Du weiter ausführst ein Spannungsfeld zwischen nützlichem Deal und Transformation, menschlicher Auferstehung und Wendepunkt im Leben.
Der Bereich des Rechtes spielt für die Beteiligten keine Rolle – für Juristen schon, für mich als Mediator auch nicht, denn ich bin allein Prozessbegleiter.
Bei den wichtigsten Konfliktregelungen in Familie, etwa zwischen Eltern und Kindern, in der Schule oder auch bei Nachfolgeregelungen in Familienbetrieben gibt es Absprachen, Vereinbarungen, die nichts mit dem „Recht“ zu tun haben.
Was der Diskussion aus meiner Sicht nützen könnte, wäre, Mediation zunächst losgelöst vom Recht zu betrachten, denn Mediation hat sich an einem Konflikt auszurichten, in Methode, Form und im Prozessverlauf (und da gibt es Vielfalt). Die Ebenen in einem Konflikt sind vielfältig, das Recht ist da nur eine unter vielen (z.B. Struktur, Finanzen, Werte und Normen, Interessen, Bedürfnisse, Ansprüche etc..) Das Leitbild oder die Definition von Mediation an das Recht zu koppeln ist daher einengend. Ich habe schon einige Mediationen gemacht, in denen sich die Betroffenen nicht an die Rechsprechung gehalten haben, wenn sie das getan hätten, wäre es nachteilig für Kinder gewesen.
Dann gilt noch ein grundsätzlicher gesellschaftlicher Befund:
Das Recht hängt der gesellschaftlichen Wirklichkeit hinterher, in Mediationen schaffen wir, neue gesellschaftliche Wirklichkeiten, ganz deutlich wird dies in der Familienmediation – wo neue Wertvorstellungen und Partnermodelle, Familienmodelle entstehen, die selbst die neue Familienrechtsreform noch nicht im Blickfeld hat, das Steuerrecht ist noch meilenweit davon weg – zum Nachteil von Familien.
Das sollten wir in unserem Verein weiter diskutieren – und Integrierte Mediation in der Wirtschaft, eine ganz spannende Sache, gerade deswegen sollten wir ein Leitbild von Mediation entwickeln, welches sich nicht über ein Rechtssystem definiert.
Mit besten Grüssen
Ali Leyendecker, Dipl.Päd. selbstständiger Mediator
AL-Institut, Konfliktberatung&Mediation