Vortrag von Iris Berger auf der IM Versammlung im Jahre 2004
Liebe Freunde der Mediation
Die ursprüngliche Idee der klassischen Mediat ion – durch ein interdisziplinäresZusammenarbeiten zwischen einem im Konflikt geschulten Menschen und einemim fachlichen Bereich geschulten Menschen – hat eine Veränderung erfahren.
Durch zunehmende Ausdifferenzierung der verschiedenen Möglichkeiten von Mediation, gleichsam als Fachrichtung, hat sich der Schwerpunkt verlagert wegvon dem Subjekt Mensch und seinem jeweiligen Wertesystem, hin zu dem Objekteines Konflikts.
Hierin liegt sicher ein Risiko für die Mediat ion. Stat t einem einfachenKonflikt lösungsinst rument haben wir nunmehr durch die riesengroße Bandbreiteeine Komplexität geschaffen, die es dem Menschen, der sich in einerKonfliktsituat ion befindet , nahezu unmöglich macht , noch den richt igen Mediatorzu finden.
Was waren die Uranfänge der Mediat ion, wie wir sie in Deutschland implementiert haben?
Als ich 1998 über dieses Thema gestolpert bin, war ich Fachanwält in fürFamilienrecht und suchte nach einer Möglichkeit, mir weitere Kompetenzenanzueignen um besser mit den emot ional konfliktträchtigen Familienangelegenheiten umgehen zu können. Mir ging es nicht darum, einneues Verfahren zu erlernen – dies kannte ich zur Genüge. Mir ging es darum ein Instrument zu bekommen, mit dessen Hilfe ich auch verstehen konnte, warummanche Angelegenheiten so erbit tert ausgefochten wurden. Mir ging es weiterdarum, einen Zugang zu finden, um in sinnvoller Weise für Parteien und auchKinder zu zukunftsorient ierten und hilfreichen Lösungen zu gelangen.
Aus diesem Grunde buchte ich einen Grundkurs am Heidelberger Institut für Mediation, das Basismodul, um etwas über Kommunikat ion und Konflikte lernenzu können, war allerdings notwendige Voraussetzung. In diesem Basismodulhabe ich dann durch Liz Ripke und Jack Himmelstein erfahren, in welch wundervoller Weise sich rat ionale und emot ionale Aspekte verbinden ließen.Es war eigent lich nicht mehr erforderlich als verstehen zu lernen, was in konfliktträchtigen Situationen mit mir und auch mit meinem jeweiligenGegenüber geschieht. Dies waren die Interessen und Bedürfnisse, die jeder vonuns hinlänglich kennt.
Der Schwerpunkt von allem lag darin, dass man Toleranz und Akzeptanzentwickelt hat darüber, dass jeder Mensch seine eigenen Zugänge zu konfliktträchtigen Situationen hat, seine ganz eigene Wahrnehmungsweise undauch seine ganz eigene Bet rachtungsweise. Dies davon ausgehend, dass letztlich auch jeder Mensch die Lösung seiner Konflikte bereits in sich trägt, auch wenn ersie selbst derzeit nicht sehen kann.(Deshalb ja der dialekt ische Ansatz unter Anwendung der Maeutik – der Hebammenkunst).
Hintergrund hierfür sind, meines Erachtens, die jeweils verschiedenen Wertesysteme, in denen Menschen aufgewachsen sind und in denen sie sichbefinden. Weiterer wichtiger Punkt war die Erkenntnis, dass das, was jemand äußert, nicht als solches vom Gegenüber verstanden wird. Dies zumindest nicht ohne weiteres. Auch hier war es möglich durch entsprechend aufmerksames und offenes Zuhören und Nachfragen Barrieren zu durchbrechen. Maßstab aller Dinge in der Bet rachtungsweise bei dieser Form der Erarbeitung im Rahmen einer Mediation war der Mensch. Für mich persönlich der Mensch in seinem jeweiligen Wertesystem.
Nachdem ich ein neugieriger Mensch bin, wollte ich hierüber mehr erfahren und habe darauf hin ein akademisches Studium angeschlossen, die Mediation und generell Konfliktmanagement betreffend.
War im ersten, rein handlungs- und praxisorientiert bezogenen Ausbildungsgang – hauptsächlich das Spüren der emotionalen Befindlichkeit des Gegenübers ein wichtiges Element, so wurde dies in jener Ausbildung verschoben auf einen objekt ivierbaren Maßstab.
Hier also erfolgte nun im emotionalen Sektor eine Rationalisierung. Warum spürt jemand etwas, wie spürt jemand etwas, spürt jemand überhaupt das, was glaubt er zu spüren, waren Fragen, mit denen man sich intensiv auseinander gesetzt hat.
Waren im ersten Ausbildungsweg die dialektischen Methoden, die vorwiegend in Phase 3 und 4 eingesetzt wurden, das Zaubermittel, um tatsächlich eine erfolgreiche Mediat ion durchführen zu können, verlagerte sich dies nunmehr.
Denn jetzt wurde auch mit logischen Kriterien im Rahmen des Wertesystems und im Rahmen der emotionalen Befindlichkeit gearbeitet.
Das Besondere an der klassischen Mediat ion der ersten Stunde war eine Kombinat ion von logischen und dialektischen Elementen. Ich würde gerne einen kleinen Ausflug zurück in die Geschichte machen. Wie hatte sich eigentlich Recht als solches entwickelt? Die Uranfänge des Rechts lagen darin, dass Menschen dann, wenn sie in Gruppen zusammengelebt haben, gespürt haben, dass sie ein paar grundsätzliche Regelungen benöt igen um Zusammenleben zu vereinfachen. Dies geschah zu Beginn in der Weise, dass man dann, wenn Schwierigkeiten aufgetreten waren, sich in der Gruppe zusammensetzte um auszudiskutieren, worum es nun eigentlich gegangen war.
Mit der Zeit wurde klar, dass dieser Zugang sehr aufwändig war. Je mehr die Gruppenbildung voranschritt und je größer Gruppen wurden, zu Städten heranwuchsen, umso schwieriger waren solche Gesamtsitzungen durchzuführen.
Im Rahmen der Bearbeitungen von Konflikten kam es deshalb zu Delegationen, zu Festschreibungen fester Rechtsregeln, zur Bildung auch eines gewohnheitsrecht lich gewachsenen Rechts. Dennoch wurde immer wieder diskutiert im Rahmen der Anfänge, dialektischen Prinzipien folgend, wie wir sie von Sokrates gelernt hatten. Als der Schüler von Sokrates, Aristoteles, dann seine Denklogik entwickelte und uns die 3 Axiome der Logik bescherte, änderte sich der Zugang.
Diese sind folgende:
A) Die Eindeutigkeit aller Begriffe, der Satz der Identität.
B) Die Aussage, dass von zwei sich widersprechenden Aussagen mindestens eine falsch ist, der Satz des Widerspruchs also.
C) Bei einem vollständigen Widerspruch hat eine Seite Recht und die andere Seite Unrecht . Der Satz vom ausgeschlossenen Drit ten. Damit hatten wir nunmehr im Rahmen des Rechts etwas gefunden, was kausal begründet und widerspruchsfrei sein sollte.
Die Anwendung der drei Axiome der Logik führte dazu, dass in sämtlichen wissenschaftlichen Bereichen mit diesen Parametern vorgegangen wurde. Das war zu Beginn sehr hilfreich, weil es ein rasches, nachvollziehbares, transparentes und durchsichtiges Verfahren gewesen war.
Mit der zunehmenden Verfeinerung innerhalb dieser Verfahren, Delegationen an Experten und Delegationen an Sachverständige, Subdelegat ionen an weitere Experten, kam allerdings eine zunehmende Komplexität auf, die dazu führte, dass die auf den logischen Kriterien aufbauenden Entscheidungen häufig nicht mehr dem entsprachen, was Menschen als gerecht empfunden haben.
Was bei dieser Form des Vorgehens auf der St recke geblieben war, war die Auseinandersetzung mit dem Gegenüber, die nur durch dialekt isches Vorgehen erreichbar ist. Es kam nicht mehr zu einer Hinterfragung von individuellen, gesellschaft lichen, generalisierenden Wertmaßstäben. Vielmehr kam es zu einem Überstülpen IfK – Institut für Konfliktbearbeitung gedachter Wertansätze, die mit dem individuellen Einzelnen häufig nichts mehr gemeinsam hat ten. Wir waren zu diesem Zeitpunkt bereits angelangt in der Globalisierung, mit der Folge, dass wir in vielerlei mult ikulturellen Gesellschaftsformen zusammenleben, so dass das Problem, die Nichtaufarbeitung der Unterschiedlichkeit der Wertesysteme und der Integration im wahren Sinne des Wortes, sich zunehmend mit höherem Unbehagen nach außen sichtbar darstellte.
Nachdem nunmehr die klassische Mediation eine Möglichkeit an die Hand stellte, durch eine Kombination von logischer Denk-Art, in Phase 1, 2 und 5 sowie dialekt ischer Denk-Art in Phase 3 und 4, eine Ausgewogenheit wiederherzustellen, führten Mediationen auch zum gewünschten Erfolg. Es waren dies gerechte Ergebnisse für diejenigen, die vom Konflikt betroffen waren. Jetzt haben wir allerdings im Weiteren Folgendes getan:
Wir haben angefangen, in akademischen Ausbildungen zu versuchen, erneut die Gesetzlichkeiten der Logik über dieses Verfahren zu stülpen. Wir wollten es rat ioneller, logischer, transparenter, eindeutiger, in jedem Fall nachvollziehbarer gestalten. Wir wollten letzt lich, mit Eindeutigkeit, ständiger Wiederholbarkeit, Schematisierung und Rationalisierung, dem ausweichen, was genau die Magie und den Zauber im Rahmen der Mediation ausgemacht hat: Die dialekt ische Auseinandersetzung mit den Wertmaßstäben des Mediators, der Medianten, der Umwelten, die betroffen waren.
Vielleicht haben wir als Mediatoren an diesem Punkt angefangen, uns selbst auszuweichen, uns der notwendigen Auseinandersetzung mit unserem eigenen Wertesystem und der unserer Umwelten, zu entziehen.
Vielleicht haben wir panikartig versucht, diesem Kernpunkt dadurch auszuweichen, dass wir neue Begrifflichkeiten, Verfahrensregeln, theoretische Auseinandersetzungen geschaffen haben. Wir haben angefangen die Mediation umzudeuten in eine mögliche Methode, eine mögliche Verfahrensart, durchaus auch in eine Haltungsfrage.
Die Haltung war der Rettungsanker, den wir als Mediatoren uns selbst immer wieder in den Diskussionen gesetzt hatten. Aber wir hatten keine klare Vorstellung davon, was diese Haltung eigentlich meint. Wir wollten friedvoll, wir wollten harmonisch, wir wollten heilsam, helfen, dass andere ihre Konflikte lösen konnten.
Aber noch immer sind wir für uns selbst wohl der Frage ausgewichen, nämlich der entscheidenden Frage nach unserem eigenen Wertesystem und demjenigen der Umwelten, mit denen wir es zu tun hatten. An allen Bruchstellen, die sich dadurch ergeben haben für den Ablauf einer Mediat ion insgesamt , haben wir angefangen zu schummeln. Wir haben dieses Verfahren in logische und hierarchisch existente Verfahren implementiert – dem Rechtssystem – wohl merkend, dass dies nicht reibungslos funktioniert. Darüber haben wir uns hinweg gerettet, indem wir von mediativen Elementen, mediativen Mitteln, mediativen Zugängen und sonstigem versucht hatten, neue Begrifflichkeiten zu er finden.
Und wir haben angefangen die Mediation in Kästchen einzuteilen, zu differenzieren, genauso, wie dies eines schönen Tages mit dem Recht passiert war. War Recht zu Beginn ein einheitliches etwas, das eine Gesellschaft sich gegeben hatte, so haben wir es ausdifferenziert und unterdifferenziert. Wir haben Rechtsgebiete geschaffen, mit unterschiedlichen Verfahren und diese haben wir erneut ausdifferenziert. In der heutigen Zeit haben wir bei der Mediation eine solche für Familienverfahren, für öffentliche Verfahren, für Verwaltungsverfahren, für Bauverfahren, für Mietverfahren, für Nachbarschaftsverfahren, für Umweltverfahren, für arbeitsrechtliche Verfahren, für Verfahren zwischen Gruppen, für Verfahren zwischen Völkern, internationale Verfahren, ethische Verfahren etc. Der Ansatz einer akademischen Ausbildung im Rahmen der Mediation hat uns alle möglicherweise in die Irre geführt. In die Irre nämlich darüber, dass menschliche Wertsysteme sich nicht allein mit logischen Kriterien erklären lassen. Menschliche Wertsysteme brauchen eine dialektische Auseinandersetzung um sich selbst und allen anderen auch klarmachen zu können, wo die Unterschiedlichkeiten liegen und warum es diese Unterschiedlichkeiten gibt. Wie es zu diesen Unterschiedlichkeiten gekommen ist. Es benötigt letztendlich die Auseinandersetzung mit unserem höchstpersönlichen Wertmaßstab als Mensch sowie mit dem höchstpersönlichen Wertmaßstab aller anderen Menschen, mit denen wir in den Kontexten der Mediat ion zu tun haben. Und es benötigt weiterhin noch etwas, was uns möglicherweise als Menschen deshalb so schwer fällt, weil es uns in chaotische – also nicht durch uns steuerbare Situationen – bringen mag:
Mit der Toleranz und der Akzeptanz, dass andere Menschen mit anderen Zugängen genauso gut "rechtmäßig" wie wir eine eigene Wahrnehmung und eine eigene Wahrheit haben, müssen wir uns neue Gedanken darüber machen, wo bei aller Unterschiedlichkeit die Gemeinsamkeiten liegen, um zu konsensualen Lösungen gelangen zu können.
Und natürlich daran anknüpfend mit der Erkenntnis, dass es in Bezugnahme auf Wer tesysteme durchaus verschiedene Wahrheiten geben kann, die durchaus ihre Existenzberecht igung auch nebeneinander liegend haben können. Oder aber einander ausschließen- was uns zu einer klaren Stellungnahme zwingt. Dies macht natürlich dann, wenn rein logische Prinzipien zu Grunde gelegt werden, das Aushalten solcher Situationen häufig schwierig. Und als wir als Mediatoren der breiten Landschaft gemerkt haben, dass ein Unbehagen bei alldem verblieben ist, haben wir möglicherweise einen zweiten Fluchtweg eröffnet:
In dem wir uns innerhalb der Verbände und innerhalb der unterschiedlichen Professionen angefangen haben, ausführlich damit zu beschäftigen, wem nun eigentlich dieses Verfahren gehört. Hat Mediat ion etwas mit Recht zu tun? Kann dies überhaupt so sein? Und wenn dem so ist, dürfen dann überhaupt Menschen mit einem therapeutischen Hintergrundberuf in Mediationen tätig sein? Wir haben dabei vergessen, dass die Uranfänge des Rechts daraus kamen, dass alle Formen und Arten von Menschen untereinander sich Regeln gegeben haben um ihr Zusammenleben zu ordnen und zu reglement ieren. Dies ist Rechtschöpfung. Nichts anderes tun wir dann, wenn wir im Rahmen von Mediationen tätig werden.
Das gesetzte Recht sieht diese Möglichkeit ausdrücklich vor im Rahmen der Privatautonomie. Dies ist sicherlich ein Punkt, der lediglich in demokratischen Systemen implementiert ist. Und natürlich sind auch demokratische Systeme häufig hierarchisch geordnet, damit auch logischen Kriterien unterliegend. Also – wie passen hier dialektische Methoden herein?
Nichtsdestotrotz ist dies der Raum, in dem sich Mediationen abspielen können und auch müssen. Wir haben daneben weiter versäumt abzuklären, ob Mediation eine Therapie ist und ob Nichttherapeuten überhaupt in diesem Sektor tätig werden dürfen. Wir haben auch nicht geklärt, inwieweit die Dinge, die im Rahmen von Mediationen geschehen, therapeutische Maßnahmen sind oder lediglich Maßnahmen, die helfen, das eigene und andere Wertesysteme besser aufdecken zu können, somit auch erkennen zu können. Hier haben wir nun ebenfalls angefangen mit logischen Kriterien zu arbeiten. Dies ist dasselbe, was der Therapie in den letzten Jahrzehnten widerfahren ist. Am Kernbereich Mensch mit seinem jeweiligen Wertesystem geht man dann vorbei, wenn man schematisiert und logischen Kriterien folgend Therapieformen entwickelt, die es unmöglich machen, sich tatsächlich mit dem Wertsystem auseinander zu setzen dann, wenn eine dialektische Aufarbeitung gewonnener Erkenntnisse nicht erfolgt. Erneut pressen wir den Menschen mit seinem Konflikt in ein System, innerhalb dessen dieser irgendwie so gelöst werden kann, stat t den Raum zugeben, das sich das System in Phase 3 und 4 dem Konflikt anpasst.
Das Zaubermittel hierfür, was in den letzten Jahren auch in der Mediationslandschaft boomt, sind Aufstellungen aller Arten. Familienaufstellungen, Organisationsaufstellungen, Abteilungsaufstellungen, Entwicklungsaufstellungen, etc.
Allein – das Sehen und Erkennen, das es Unterschiedlichkeiten gibt, führt ohne dialektische Auseinanderset zungen noch lange nicht zu einem wirklichen Verstehen. Auch hier rückt der Mensch als Maß der Dinge aus dem Blickpunkt und es verlagert sich hin zum Objekt des Tuns, der Aufstellung als solcher und theoret isierender Rückschlüsse hieraus, ebenfalls logischen Kriterien folgend. Möglicherweise jagt uns als Mediatoren ein Punkt so viel Angst ein, nämlich derjenige, dass die Anfangsfragen von uns Menschen überhaupt, das Hineingeborenwerden in eine dualistische Welt, rationalen und emotionalen Prinzipien gehorchend, für uns so schwer fassbar und greifbar ist.
Möglicherweise macht uns, genau in unserem Land, auch ein Unbehagen so großes Kopfzerbrechen, die Frage nämlich, ob chaotische Situationen erlaubt und zulassbar sind. Mein Zugang hierzu ist, dass wir an einem Wendepunkt in der Mediation generell angelangt sind.
Mein Eindruck ist weiter, dass dies auch spürbar wird durch die Bürger. Wann immer wir im Außen versuchen, tatsächlich zu erklären was wir eigentlich mit der Mediation bewirken wollen, stoßen wir auf mehr oder weniger großes Unverständnis. Das liegt natürlich daran, dass wir an den Schnittstellen, an denen wir spüren, dass wir an dem Kernpunkt vorbeigehen, nur nahezu stammelnd erklären können, was wir eigentlich meinen.
Und hier ist der dritte Fluchtpunkt zu sehen, mit dem wir versucht hatten, der eigentlichen Thematik auszuweichen: Eine Vielzahl von Ausbildungsformen und Ausbildungen, wo wir theoretisierenden und logischen Kriterien folgend, an den eigentlichen Kernfragen immer noch vorbei marschieren. Dies gipfelt darin, dass wir Onlineausbildungen haben – möglichst weit weg vom Menschen und seinem Wertesystem. Dies gipfelt darin, dass es Vorschläge gibt, als weitere Methode in der Mediation die Methode der neurolinguistischen Programmierung, also NLP, einzuführen.
Das hat nichts mehr damit zu tun, dass wir unser eigenes Wertesystem und das unseres Gegenübers verstehen wollen und Konfliktparteien helfen wollen, ihre jeweiligen Wertesysteme zu verstehen und auch zu akzeptieren. Wo ist unsere Überzeugung, dass jeder Mensch letztlich bereits die Lösung für seine eigenen Konflikte in sich trägt?
Dies ist bereits der Bereich, an dem wir anfangen, massiv im Rahmen dieses Verfahrens zu manipulieren. Denn eine Programmierung ist nicht mehr ein Erkennen und Verstehenwollen. Ein Programmieren kann das Überstülpen eigener Erkenntnisse sein, um einen anderen durch Neuro- und Sprachmanipulat ion zu einem Tun zu bewegen, dass in der momentanen Situat ion wünschenswert ist .
Und ich habe das Gefühl, dass wir uns selbst alle über diese Punkte nicht ausreichend Klarheit verschafft haben. Vergleichen wir die Entwicklung der Mediat ion mit einem Mediat ionsverfahren in sich, so würde ich zum jetzigen Zeitpunkt meinen, dass wir uns in Phase 3 in einer massiven eigenen Blockadesituation befinden.
Aber wie lösen wir als Mediatoren Blockadesituat ionen? Möglicherweise ist der einfachste Weg der jenige, sich das genau anzuschauen und zu überlegen, welche Kehrseite diese Blockade hat und hinzuschauen, ob nicht hier auch eine Chance liegen kann. Möglicherweise ist gar nicht mehr erforder lich, als sich diese Dinge bewusst zu machen und dann die verschiedenen Arten, die sich in der Mediat ion entwickelt haben, als das, was sie leisten können, anzunehmen um sie t ransparent und nebeneinander bestehen lassen zu können.
Ein wissenschaftlich aufgearbeitetes und logischen Kriterien folgendes Verfahren zur ökonomischen Konflikt regelung ist keine schlechte Sache. Es vermeidet eine Wer tediskussion weitgehend, hilft aber in den Kontexten, in denen dies nicht notwendig ist , durchaus zu einer raschen und kostengünst igen Auflösung. Es mag sogar sein, dass sich hierfür Wirtschaftsmediat ion besonders anbietet , wobei meine eigenen Erfahrungen als Mediatorin aus den letzten Jahren in wirtschaft lichen Kontexten zeigen, dass die emot ionalen Aspekte innerhalb dieser Mediat ionen meist weitaus größer sind als die rat ionalen. Ob tatsächlich die Fachspezifizierungen durch den fachlich geschulten Mediator in den unterschiedlichen Bereichen eine Notwendigkeit in sich t ragen, dürfte eine Frage sein, die in der Landschaft noch zu diskut ieren ist . Für ein interdisziplinäres Verfahren mag dies sehr sinnvoll sein. Dies könnte auch viele recht liche Schwierigkeiten lösen helfen, die ansonsten noch im Raume stehen.
Wenn wir aber wirklich für eine breite Bevölkerung einen Weg anbieten wollen, in einfacher und effekt iver Weise mit konflikt t rächt igen Situat ionen umzugehen, so werden wir zumindest für eine Transparenz sorgen müssen über die Frage, welchen Kriterien unser jeweiliges Verfahren folgt , was es somit überhaupt an Bearbeitung bieten kann und was nicht . Dann hät te es der jeweilige Mensch in einer konflikt t rächt igen Situat ion selbst in der Hand zu überlegen, welchen Weg er beschreiten möchte. Aber auch hierbei muss eines klar sein:
Wenn ich das selbe Verfahren durchführen möchte, dass es eigentlich auch im Rahmen gerichtlicher Verfahren gibt, wenn ich also mit dem eigenen Mediationsverfahren nichts anderes tun möchte, als rein logischen Kriterien folgend das zu tun, was ansonsten durch Richter und Anwälte vor Gericht bearbeitet worden ist und dies in derselben Weise, so muss ich darauf achten, dass ich hier nicht dadurch zu ungerechten Ergebnissen komme, dass ich Fragen des Wertesystems erörtere an den Stellen innerhalb eines Rechtssystems, die dieser Erörterung nicht zugänglich sind.
Auch die gesetzten Rechtsregeln enthalten eine Menge an Wertesystemen, die zur Diskussion stehen, geregelt sind sie darüber, dass es ein richterliches Ermessen gibt. Dies sind die Schnittstellen zwischen dem ursprünglichen logischen sowie dem ursprünglichen dialekt ischen Vorgehen. Nur, auch diese Ermessensfragen sind in der Zwischenzeit weitgehend dadurch außer Kraft gesetzt worden, dass sie logischen Kriterien unterworfen wurden und damit keinen Spielraum mehr bieten für eine echte Wertediskussion. Wenn ich das aber nicht im Vorfeld klarstelle, sondern mich dann lediglich mit Hinweis auf meine Nicht-Verantwortlichkeit als Mediator für den Inhalt der gefundenen Entscheidung zurückziehe, kann es passieren, dass der Mediant letzt lich dasselbe bekommt, was er in einem gerichtlichen Verfahren erhält, allerdings darf er nun hierfür selbst die Verantwortung tragen. Die Wertediskussion auf einer individualisierten Basis bliebe dann auf der Strecke. Dann benötigen wir eine Klarheit darüber, welche Dinge überhaupt einer dialektischen Erörterung zugängig sind, diese fehlt bis heute. Die Tatsache, dass wir in allen Verbänden momentan offensichtlich so weit "vor einer Wand stehen", so weit, dass wir es selbst innerhalb der Mediationsverbände nicht einmal schaffen, uns über diese Unterschiedlichkeiten Klarheit zu verschaffen, zeigt, dass wir offensichtlich alle miteinander einem Grundthemen ausweichen. Die Chance für uns als Mediatoren und für die Zukunft der Mediat ion generell könnte darin liegen, diese Diskussion nunmehr endlich aufzunehmen, in einem möglichst großen öffent lichen Rahmen. Und mein persönlicher Zugang hierzu ist es, dass eine konsensuale Lösung darüber nicht erforderlich ist. So, wie es uns mit unterschiedlichen Wertmaßstäben in der Mediation wohl häufig geht, wird es auch hier sein: Es reicht vollständig aus, sich diese unterschiedlichen Wertzugänge auch zu dem Verfahren und zu der Methode der Mediat ion klar zu machen, um die Situation für uns und auch für potenziell Mediationswillige zu erleichtern und zu verbessern.
Die Methode der Denklogik, wie wir sie von Aristoteles übernommen haben sowie die Methode des dialekt ischen Denkens, wie sie Sokrates uns beschert hat, müssen einander nicht ausschließen. Sie können nebeneinander bestehen, wenn wir achtsam mit ihnen umgehen und uns selbst immer wieder bewusst machen, an welchem Punkt wir selber unterwegs sind. Und dies ist es dann im Ergebnis, was wir nach außen tragen müssen. Dann kommen wir wirklich zu transparenten und nachvollziehbaren Erklärungen, die in sich auch stimmig sein können.
Gerade die Mediation, egal als was auch immer wir sie begreifen, führt über die Möglichkeit verschiedener Denkzugänge dahin, dass wir nicht ein „entweder oder" haben müssen, sondern ein „sowohl als auch“. Diese Integration in alle bestehende Systeme und diese Integration in unsere tägliche Arbeit mag helfen, wirklich dauerhaft zu einer neuen Form zu finden, mit Konflikten umzugehen und konsensuale Lösungen zu erarbeiten. In diesem Sinne wünsche ich uns allen viel Mut für die anstehenden Diskussionen.
Rechtsanwält in Iris Berger M.A.S
European General Mediator
Mediat ion (BAFM)
Master of Advanced Studies for Mediation
Mitglied im Verein I ntegrierte Mediation, CFM
Ehemaliges Mitglied: BAFM, GWMK, BM
IfK – Institut für KonfliktbearbeitungBrentanostraße 34
D-63755 Alzenau
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