Mediation ist ein unglaublich wirkungsvolles und effektives Verfahren, um zu einvernehmlichen, nachhaltigen und für alle Seiten zufriedenstellenden Lösungen zu gelangen. In-Mediatoren wissen das und finden es in ihren Erfahrungen beim Einsatz der Mediation auf den unterschiedlichsten Gebieten immer wieder bestätigt.
So ist es nicht überraschend, dass das Verfahren der Mediation jetzt auch zunehmend in der Entsorgungswirtschaft Beachtung findet.
Mediation als Instrument in der Zusammenarbeit zwischen öffentlich-rechtlichem Entsorgungsträger und Systembetreibern
Im Bereich der Zusammenarbeit zwischen öffentlich-rechtlichem Entsorgungsträger und Systembetreibern ist die Anwendung der Mediation bereits in den gesetzlichen Regelungen, insbesondere in § 6 der Verpackungsverordnung angelegt, in dem es unter anderem heißt: „(4) Ein System nach Absatz 3 ist abzustimmen auf vorhandene Sammelsysteme der öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger, in deren Bereich es eingerichtet wird. Die Abstimmung ist Voraussetzung für die Feststellung nach Absatz 5 Satz 1. Die Abstimmung hat schriftlich zu erfolgen. Die Belange der öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger sind dabei besonders zu berücksichtigen. …“
Damit schreibt das Gesetz den Parteien, also dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger und den Systembetreibern vor, sich zu einigen. Hier wird das Kooperationsprinzip gesetzlich verankert. In der Praxis sieht dies so aus, dass die einzelnen Kommunen als öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger jeweils mit grundsätzlich zehn Systembetreibern Verträge, die sogenannten Abstimmungsvereinbarungen verhandeln und abschließen, also 11 unterschiedliche Interessenlagen berücksichtigt und verhandelt werden müssen und zwar in jeder einzelnen Kommune im Bundesgebiet. Der entsprechende administrative Aufwand und die damit einhergehenden Schwierigkeiten sind unschwer vorstellbar. Insbesondere die Interessen von öffentlich-rechtlichem Entsorgungsträger auf der einen und privatwirtschaftlichen Systembetreibern auf der anderen Seite sind naturgemäß zunächst völlig konträr. In-Mediatoren wissen jedoch aus eigener Erfahrung, wie sich die bestehenden Differenzen im Verlauf des Mediationsverfahrens, speziell im Rahmen der eigentlichen Konfliktarbeit in Phase 3 durch die Herausarbeitung der jeweiligen Interessen und Bedürfnisse, die hinter den einzelnen Positionen stehen, auflösen können. Hier erschließen sich durch die Verstehensvermittlung im Wege der Mediation, wie In-Mediatoren sie verstehen und praktizieren, Optionen und Lösungsmöglichkeiten für die Parteien, die bisher nicht gesehen und entsprechend nicht in Betracht gezogen wurden. Die Mediation ist hier das ideale Verfahren nicht zuletzt, um den gesetzlichen Vorgaben nachzukommen. Nicht übersehen werden sollte auch der Mehrwert, sich nicht mit einem –faulen – Kompromiss zufrieden zu geben, sondern zu für alle Seiten zufriedenstellenden und nachhaltigen Lösungen zu gelangen.
Beinahe zwingend ist eine Auseinandersetzung mit Alternativen zu einem Gerichtsverfahren und damit insbesondere auch mit dem Verfahren der Mediation für die Praxis seit der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts[1] aus März dieses Jahres geworden. Mit dieser Entscheidung hat das Bundesverwaltungsgericht die Regelung des § 6 Abs. 4 Satz 5 VerpackV für unwirksam erklärt, da sie dem verfassungsrechtlichen Gebot hinreichender Bestimmtheit von Rechtsnormen nicht entspricht, das in Art. 20 Abs. 3 GG und in Art 28 Abs. 1 Satz 1 GG verankert ist.[2] Nach Auffassung des Gerichts soll § 6 Abs. 4 Satz 5 VerpackV dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger einen gerichtlich durchsetzbaren Anspruch unter anderem auf Entrichtung eines angemessenen Entgelts vermitteln, enthalte aber keine Vorgaben, wie das angemessene Entgelt zu bestimmen sei, mit der Folge der Nichtigkeit der gesamten Regelung, da Mitbenutzungs- und Entgeltanspruch untrennbar miteinander verbunden seien.[3]
Damit ist der Weg zu einer gerichtlichen Entscheidung den Parteien in diesem Bereich verwehrt. Der Richter entscheidet hier nicht, da es keinen einklagbaren Anspruch gibt. Den Parteien bleiben also nur die außergerichtlichen Verfahren der Streitbeilegung, sollte keine Einigung erzielt werden.
Weiter muss mit dieser Entscheidung davon ausgegangen werden, dass nicht nur die hier in Frage stehende Regelung des § 6 Abs. 4 Satz 5 VerpackV unwirksam ist, sondern vielmehr sämtliche auf das Kooperationsprinzip gestützten Regelungen der VerpackV. Das hier verankerte Kooperationsprinzip ist gerade nicht geeignet, den Normadressaten einklagbare rechtliche Positionen zu vermitteln. Es bietet den Gerichten aufgrund der Unbestimmtheit der Regelungen keine Entscheidungsgrundlage. Gerade hier bietet insofern das Verfahren der Mediation Lösungsmöglichkeiten für die Praxis, um auch künftig eine vernünftige und wirtschaftlich sinnvolle Entsorgung sämtlicher sowohl in der Zuständigkeit der Systembetreiber wie auch der öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger liegenden Abfallfraktionen zu gewährleisten.
Mediation im Konflikt um werthaltige Abfallfraktionen
Ähnlich stellt sich die Situation im Bereich der Regelungen des Kreislaufwirtschaftsgesetzes (KrWG), insbesondere zu den Überlassungspflichten und den gewerblichen Sammlungen dar. Welche Abfälle sind überlassungspflichtig und wann dürfen sie dennoch von privatwirtschaftlichen Unternehmen gewerblich gesammelt und damit dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger entzogen werden? Die Regelungen in den §§ 17 und 18 KrWG sind gespickt mit unbestimmten Rechtsbegriffen. Dabei geht es hier um lukrative Geschäfte mit werthaltigen Abfällen, um die erbittert gestritten wird. Die Existenz gewerblicher Sammler hängt von der Möglichkeit ab, sich den Zugriff auf diese Fraktionen zu sichern. Auf der anderen Seite sind die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger verpflichtet, sämtliche anfallenden Haushaltsabfälle zu erfassen und zu entsorgen und sehen sich in Zeiten ohnehin leerer Kassen zunehmend der Situation ausgesetzt, ausschließlich diejenigen Abfallfraktionen zu erhalten, für die eine kostenintensive Entsorgung erforderlich ist, während die werthaltigen Abfälle durch private Unternehmen abgegriffen werden und damit für eine Quersubventionierung der Entsorgungskosten entfallen. Der erbitterte Kampf um die werthaltigen Abfallfraktionen schlägt sich entsprechend in weit über 100 Gerichtsentscheidungen nieder, die seit Inkrafttreten des neuen Kreislaufwirtschaftsgesetzes am 01.06.2012 hierzu ergangen sind. Dies mir höchst unterschiedlichem Ausgang. Zur Klärung der unbestimmten Rechtsbegriffe haben die Entscheidungen bisher nicht beigetragen und auch ist nicht ersichtlich, wann eine gewerbliche Sammlung zulässig ist und wann nicht. Mal wird die Untersagung einer solchen Sammlung gerichtlich bestätigt, mal wird sie aufgehoben. Dies teils bei identischen oder zumindest weiterstgehend vergleichbaren Sachverhalten. Eine Konsequenz aus dieser Entwicklung hat Anfang diesen Jahres das OVG Lüneburg gezogen und vorgeschlagen, das gerichtliche Verfahren zwischen öffentlich-rechtlichem Entsorgungsträger und einem privaten Altpapiersammler zwecks Durchführung eines Mediationsverfahrens auszusetzen. [4] Das OVG Lüneburg geht folgerichtig davon aus, dass eine Regelung im Wege der konsensualen Einigung der Parteien in einem Mediationsverfahren vorliegend sinnvoller erscheint, als eine Entscheidung nach den weitestgehend aus unbestimmten Rechtsbegriffen und durch widersprüchliche gerichtliche Entscheidungen geprägten gesetzlichen Grundlagen.
Auch wird an diesem Beispiel die Möglichkeit der Gerichte deutlich, unabhängig vom Grundsatz der Freiwilligkeit in der Mediation ein solches Verfahren vorzuschlagen oder sogar anzuordnen und damit das gewählte Verfahren (hier die Beschreitung des Rechtswegs) auch während dessen Durchführung zu ändern.
Einen ausführlichen Beitrag zu diesem Thema finden Sie in der aktuellen Ausgabe der Neuen Zeitschrift für Verwaltungsrecht (NVwZ) 17/2015:
Neue Wege beschreiten: Chancen der Mediation in der Entsorgungswirtschaft von Dr. Stefanie Pieck, Rechtsanwältin und In-Mediatorin
[1] BVerwG, Urteil vom 26.3.2015 – 7 C 17.12.
[2] Vgl. Pressemitteilung Nr. 24/2015 vom 26.3.2015 zu BVerwG, Urteil vom 26.3.2015 – 7 C 17.12.
[3] Vgl. Pressemitteilung Nr. 24/2015 vom 26.3.2015 zu BVerwG, Urteil vom 26.3.2015 – 7 C 17.12.
[4] Europaticker vom 24.02.2015.
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