Kennen Sie Medi & Ator? Zwei begeisterte Mediatoren wollen den Markt erobern. Sie verdingen sich als Weihnachtsmediatoren. Jedes Jahr zu Weihnachten erleben sie einen aufregenden Fall über den sie hier exklusiv berichten. Im letzten Jahr waren der Weihnachtsmann und der Osterhase die Medianden. In diesem Jahr ist es der Nussknacker. Lesen Sie wie Medi & Ator den herausfordernden Fall dieses Mal gelöst haben.
Medi & Ator knacken den Nussknacker
Ein Jahr ist vergangen. „Das ging aber schnell“ meint Medi. „Mir kommt es so vor, als hätten wir gerade erst die Mediation zwischen dem Weihnachtsmann und dem Osterhasen abgeschlossen. Erinnerst Du Dich? Waren wir nicht sehr erfolgreich? Ich war gestern im Lidl und hab schon wieder die Weihnachtsmänner gesehen“. „Du hast die Verpackung gesehen!“, korrigiert der besserwisserische Ator. „Ob die Schokoladenfigur ein Weihnachtsmann oder ein Osterhase ist hatten wir ja nie herausbekommen“. „Das ist das Schöne an der Mediation“, erwidert Medi. „Man muss den Dingen gar nicht auf den Grund gehen und einig wird man sich doch. Ist das nicht genial?“. „Ja, ist das so? Ich weiß nicht“ zweifelt Ator. „Aber egal, wir sind schon die Besten“, hebt er noch schnell hervor.
In dem Punkt werden die Beiden stets einig. „Aber Du hast recht …“, fährt Ator fort. „Das Jahr ging so schnell vorbei, fast so, als wäre zwischen Weihnachten und Weihnachten nichts gewesen“.
In dem Moment unterbricht die Türglocke das Fachgespräch.
Ein sehr kleiner Mann steht vor der Tür. Er wirkt eingeschüchtert, verwirrt und etwas hölzern. Ihm fehlen einige Zähne. Die Farbe blättert ab. Trotzdem ist die rote Uniform mit gelben Borten und weißen Knöpfen noch erkennbar. Auf seinem Kopf befindet sich eine goldene Krone. Die Uniform scheint eine Soldatenuniform zu sein. Aber was soll die Krone? Wie ein Soldat sieht er auch nicht aus, denken Medi und Ator, und wie ein König schon gar nicht, fügen sie gedanklich hinzu. Die Krone …. irgendwie passt das für die in Wahrnehmung geschulten Mediatoren nicht wirklich zusammen.
Medi und Ator müssen sich zum Nussknacker herunterbücken, um seine schwächelnde Stimme überhaupt zu verstehen. Aber aktives Zuhören sind die beiden ja gewöhnt und dass man sich dafür manchmal verbiegen muss, ist auch nichts Neues für sie.
Der zahnlose Mann stellt sich vor: „Ich bin der Nussknacker“. „Aha“ sagen Medi und Ator bedeutungsvoll. Natürlich waren beide an die Tür gekommen, um ihren neuen Kunden gebührend zu empfangen. „Das sieht man“, fahren sie fort. „Was können wir für Sie tun?“.
Medi und Ator haben sich noch nicht wirklich an ihre ungewöhnliche Kundschaft gewöhnt. Zuerst waren da der Weihnachtsmann und der Osterhase und jetzt der Nussknacker, was mag da sonst noch auf sie zukommen? Beide hatten sich in etlichen Rollenspielen und Fortbildungen auf alles Mögliche vorbereitet. Nur ein Nussknacker, das überstieg alle ihre bisherigen Phantasien. Darauf waren sie nicht eingestellt. Aber so ist das in der Mediation. Was mag der für ein Problem haben, wundern sich die Mediatoren, außer dem, dass er so aussieht wie er aussieht. Vielleicht hat er Probleme mit seiner Frau mutmaßt Medi. Sofort kommt ihr in den Sinn, dass Nussknacker ja keine Frauen haben können. Jedenfalls hat sie noch nie von einer Frau Nussknackerin gehört. Medi hat gerade jetzt leider nicht die Zeit ihrem Gedanken nachzuhängen. Der kurze Geistesblitz genügte jedoch, ihr wieder einmal die Diskriminierung der Frauen vor Augen zu führen. Sofort fällt ihr ein, dass sogar DER Gesetzgeber im Mediationsgesetz nur männliche Mediatoren erwähnt und keine Mediatorinnen zu kennen scheint. Dabei ist DIE Mediation doch weiblich. Mit derart düsteren Gedanken über die eigene Diskriminierung als Frau begrüßt Medi den Nussknacker. „Guten Tag HERR NussknackER “ sagt sie. Sie konnte ihre Gefühle nicht ganz unterdrücken. Anderenfalls hätte sie weder das HERR noch die Endung ER derart betont.
Der Nussknacker spürt die Anspielung. Sie trifft ihn tief, denn genau das ist sein Problem. Er fühlt sich nicht als Mann wahrgenommen. Und jetzt muss er sich das auch noch von einer MediatorIN auf zynische Weise vorhalten lassen. Er ist kurz davor wieder zu gehen. Ator rettet die Situation sozusagen von Mann zu Mann. „Guten Tag Nussknacker“, sagt er fast kumpelhaft. „Schön, dass Sie zu uns gekommen sind. Was können wir für Sie tun?“. Ator wartete ganz bewusst nicht die Antwort ab sondern fuhr einfach fort: „Aber kommen Sie doch erst mal herein“. Jetzt hatte der Nussknacker keine andere Wahl. Er folgte den beiden wortlos in das Büro. Sein hölzerner Kopf ist gesenkt. Wäre die Krone nicht mit dem hölzernen Körper verwachsen, würde sie sicherlich herunterfallen. Ator bemerkt natürlich Medi’s Spitze. Er raunt ihr deshalb zu, sie solle sich etwas zurückhalten. Am liebsten hätte er sich mit dem Nussknacker alleine unterhalten. Er hat aber gelernt, dass Einzelgespräche die Erlaubnis aller bedürfen. Er zweifelt daran, dass Medi ihm die Erlaubnis geben und dem Vorschlag zustimmen wird. Und im Übrigen ist der Nussknacker ja auch völlig alleine. Wie kann der Gegner dann zustimmen? Darf er sich überhaupt mit nur einer Partei unterhalten, solange weder der Co noch der Gegner ihr Einverständnis erklärt haben? Verstößt er jetzt gegen das Gesetz? Ator stellt den Gedanken zurück. Er ist kein Jurist, was interessieren also solche rechtlichen Spitzfindigkeiten? Schließlich weiß er auch noch gar nicht so richtig, worum es überhaupt geht. Ator macht gute Mine zum bösen Spiel. Er geht davon aus, dass Medi seinen Hinweis verstanden hat und dass es besser ist, wenn ER die Gespräche führen wird. Das Mediationsgesetz – so argumentiert er für sich – erwartet die Führung DES Mediators und nicht der Mediatorin. Also ist doch alles klar.
Ator zieht es vor, zumindest jetzt nicht mit Medi darüber zu sprechen. Medi, Ator und der Nussknacker erreichen eine Tür. „Weihnachtsmediationen“ steht daran geschrieben. Sie treten ein, indem sie dem Nussknacker den Vortritt lassen. Natürlich ist das Mediationszimmer ganz im Sinne der Mediation eingerichtet. Es gibt einen runden Tisch, etwa 1 Meter Durchmesser, 4 Stühle, nicht zu hart mit roten Stuhlkissen für die Medianden und grünen Stuhlkissen für die Mediatoren. Dieser Farbwahl hatte man viel Bedeutung beigemessen. Die Medianden, die nicht weiter wissen, also vor der roten Ampel stehen, und die Mediatoren, welche die Ampel auf grün schalten war die Überlegung. Darüber hatten Medi und Ator lange Diskussionen geführt. Auch über andere Details, wie die Farbe der Tapeten. Man hat sich für Pink entschieden. Gelb war die Alternative, weil es zur Ampel passt. Pink hat aber die Wahl gewonnen, weil diese Farbe beruhigen soll. Außerdem passt Pink gut zum weihnachtlichen Rot. Weil Medi und Ator Weihnachtsmediatoren sind, gibt es natürlich auch eine Menge weihnachtlicher Attribute. So ist das Phasenposter an der Wand mit Figuren bestückt. Man sieht den Weihnachtsmann, der in der Phase 1 ein ganz trauriges Gesicht macht das sich von Phase zu Phase aufhellt bis er in Phase 5 einem zweiten Weihnachtsmann lachend die Hand schüttelt. Der Mediator schwebt auf einer Wolke über den Weihnachtsmännern. Man wollte das mediative Potential visualisieren, auf die Kommunikationsachsen und die neutrale Rolle des Mediators hinweisen. Ja, man hat den Raum bedeutungsvoll mit viel Verstand und Liebe zum Detail gestaltet.
Auf dem Tisch steht natürlich ein Adventskranz. Vier dicke, rote Kerzen sind darauf gespickt. Medi hatte ihn liebevoll geschmückt und in die Mitte eine Schale mit Süßigkeiten, Gebäck und natürlich auch mit Walnüssen gestellt. Walnüsse hielten Medi und Ator wegen ihres Symbolgehaltes für ein besonders wichtiges Attribut. Immerhin sind Walnüsse die Frucht der Liebe. Der Walnusskern soll das süße Fleisch Christi symbolisieren. Also was liegt näher als Walnüsse auf den Tisch der Weihnachtsmediation zu stellen? Und wo Nüsse sind, da ist natürlich auch ein Nussknacker.
Im Mediationszimmer angekommen ist der Nussknacker auf dem Weihnachtsteller natürlich das Erste was dem Gast ins Auge sticht. Sein ungutes Gefühl kommt wieder auf und wieder möchte er am liebsten den Raum verlassen. Es ist eine etwas peinliche Situation. Das bekommen alle mit, nur der Grund für die Peinlichkeit, den kennt niemand. Da hat jeder so seine Ideen. Ator hat gelernt: Es gibt keine Probleme in der Mediation, nur Chancen. Wie kann man aus dieser Peinlichkeit eine Chance machen? fragt er sich. Ihm fiel nichts Besseres ein, als zu sagen: „Sehen Sie, Ihre Gilde ist stets präsent bei uns. Wir haben auch ein besonders schönes Exemplar eines Nussknackers ausgewählt, um den Teller zu garnieren.“ Ators lächeln wirkte verkrampft. Und ehrlich gesagt hat sein Hinweis nicht gerade zur Erleichterung beigetragen. Natürlich fiel ihm auf, dass der Nussknacker im Adventskranz noch alle Zähne hat, frisch lackiert ist und eine eher selbstbewusste Figur abgibt. All das ist genau das Gegenteil von dem jetzt präsenten, potentiellen Kunden.
Das Konglomerat an unguten Gefühlen, die inzwischen alle Anwesenden beeindruckt haben, bleibt den Gedanken vorbehalten. Ator rettet die Situation, indem er das Gelernte abspult. „Sind Sie eigentlich freiwillig hier?“ fragt er den Nussknacker unumwunden. Die Frage ist ebenso geschickt wie irritierend. Fast schon eine paradoxe Intervention. Sie bringt einen neuen Gedanken auf aber was soll sie bewirken? Der Nussknacker überlegt was er antworten soll, hat er gerade doch etliche Zweifel ob die Weihnachtsmediatoren Medi und Ator ihm überhaupt helfen können. Er antwortet deshalb: „Pirlipat hat mich geschickt“.
Medi und Ator überlegen jeder für sich: ist das dann noch freiwillig, wenn er geschickt wurde? Dürfen wir die Mediation denn dann überhaupt durchführen? Im Gesetz heißt es, dass der Mediator sich über die Freiwilligkeit zu vergewissern habe. Die Frage hat sie so beeindruckt, dass sie sich gar nicht mehr dafür interessieren konnten, wer Pirlipat denn überhaupt ist. Sie ziehen es vor, die juristischen Fragen nicht weiter zu vertiefen. Sie können einen Kunden doch nicht wegschicken. Dann verdienen sie doch kein Geld. Auch wissen sie ja noch gar nicht, worum es überhaupt geht. Ator, der Dogmatiker, geht deshalb, noch bevor sie alle Platz nehmen konnten direkt zum Flipchart. Dort malt er einen dicken Strich auf das untere Drittel des Bogens und schreibt: „Parkplatz: Freiwilligkeit“. Zu dem Kunden gerichtet sagt er: „Wir werden darauf nochmals zurückkommen“. Damit – so glaubt er – hat er jedenfalls nichts falsch gemacht.
„Nehmen Sie doch bitte Platz“ fordert er den Nussknacker auf. „Wohin soll ich mich setzten?“, fragt der noch immer irritierte Nussknacker. „Vielleicht wo Sie Ihren Kollegen nicht sehen?“, antwortet Medi unversöhnlich spottend. Es sollte als Witz rüberkommen. Medi und Ator hatten im Laufe des Jahres eine Fortbildung zum Thema „Humor in der Mediation“. Dort hatte der Dozent an vielen Beispielen erklärt, wie Humor die Situation auflockern und Erleichterung bringen kann. Irgendwie hatte dieser Witz seine mediative Wirkung verfehlt. Vielleicht hatte sich der Dozent geirrt? Ator, der aktive Mediator, handelt unverzüglich. Er nimmt den Nussknacker einfach aus dem Weihnachtsteller heraus und sagt: „Dann haben Sie jetzt die freie Auswahl“. Wenigstens scheint der mich zu verstehen, denkt der Nussknacker und nimmt wortlos aber noch mit sehr gemischten Gefühlen Platz.
„Dürfen wir Ihnen einen Kaffee anbieten? Bitte bedienen Sie sich auch mit dem Gebäck und nehmen Sie sich so viele Nüsse wie sie möchten“, empfahl Medi. Sie verkörpert die weibliche Seele in der Mediation und fühlt sich deshalb für das leibliche Wohl der Gäste berufen. Diese Aufgabe sieht sie übrigens gar nicht als diskriminierend, weil das Sich-Kümmern in ihrer Wahrnehmung doch eine der guten weiblichen Eigenschaften ist. Umso überraschender empfindet sie die undankbare Reaktion des Gastes: „Ohne Nussknacker?“, fragt der verzweifelt. Medi und Ator ziehen es vor, darauf nicht zu reagieren. Dann eben nicht, denken sie bei sich.
Unbeirrt zieht Ator das volle Programm durch: „Ich sage Ihnen am besten erst einmal was Mediation überhaupt ist“. Ohne eine Antwort abzuwarten fährt er fort: „Wir sind Mediatoren. Medi und ich haben eine Ausbildung in Mediation und wir haben uns auf Weihnachtsmediation spezialisiert. Uns war es sogar gelungen, den Weihnachtsmann und den Osterhasen zu mediieren und zu einer Einigung zu bringen“. Gerade wundert sich Medi ob sie die Ausbildungsstunden nennen muss. Das Gesetz sagt aber, dass sich der Mediator nur auf Verlangen der Parteien darüber zu erklären hat. Und verlangt hat hier niemand etwas. Schade, denn sie ist doch stolz auf ihre 1000 Stunden. Die sind doch der beste Beweis für ihre Kompetenz. Also fährt sie dazwischen: „Wir sind zertifizierte Mediatoren und ich habe eine 1000-stündige Ausbildung“. Dass der Hinweis auf die Mediation zwischen dem Weihnachtsmann und dem Osterhasen ein Bruch der Vertraulichkeit darstellen könnte fällt den beiden nicht auf. Warum auch, sie haben ja keine Namen genannt. Dass es – zumindest im Moment und nach der gesetzeslage – noch gar keinen zertiifizierten Mediator gibt ist auch ein eher zu vernachlässigendes juristisces Detail. Ator erklärt deshalb unbeirrt: „Mediation ist ein Verfahren wo die Mediatoren die Parteien dazu bringen, sich zu einigen. Haben Sie das verstanden?“. Das müsste genügen, um dem Mediationsgesetz zu entsprechen, denken sich Medi und Ator.
Plötzlich werden ihnen die Weitsicht und die Genialität des Mediationsgesetzes bewusst. Sie bemerken, dass da ja nur eine Partei anwesend ist. Oups vielleicht ist das dann ja gar keine Mediation? Darf man denn überhaupt nur eine Partei mediieren, fragen sie sich. Noch bevor sie eine Antwort gefunden haben, hören Sie den Nussknacker sagen: „Pirlipat hat verlangt ich solle zu Ihnen kommen, damit mir geholfen wird. Ich glaube, sie wollte mich nur loswerden. Sie selbst wird sich niemals einigen. Das können sie total vergessen“. „Wir haben schon ganz andere Parteien geknackt“, rutscht es wieder aus Medi heraus. „Zum Knacken bin ich zuständig …“, murmelt der Nussknacker, „… und genau das ist mein Problem. Ohne Zähne geht das nämlich nicht und bei Pirlipat hab ich mir die Zähne ausgebissen. Da geht gar nichts mehr“. Der Nussknacker wirkt jetzt traurig. Er erregt sogar das Mitleid von Medi. Soviel Empathie mit diesem Mann hatte sie sich gar nicht vorstellen können. Medi ist stolz auf sich. „Habe ich Sie richtig verstanden“, fährt sie fort, „Sie meinen es geht gar nichts mehr?“. Wow was für eine Paraphrase. Die hat gesessen. Der Nussknacker ergänzt: „Ja genau. Nichts geht mehr. Und gerade frage ich mich, was ich hier überhaupt soll“.
„Sie sind hier, weil wir Ihnen helfen können das Problem zu lösen“ erläutern Medi und Ator aus gleichem Mund. „Dann müssen Sie Pirlipat überzeugen“ sagt der Nussknacker. „Pirlipat ist also das Thema“ retten sich Medi und Ator ins Verfahren. „Dürfen wir das einmal notieren?“. Ohne die Antwort abzuwarten malt Ator einen weiteren Strich auf das Flipchartpapier. Darüber schreibt er „Themen“. Darunter schreibt er Pilipat. „Pirlipat heißt das Problem“, korrigiert der Nussknacker. „Sie hatten Pilipat gesagt“, rechtfertigt sich Ator. „Aber ok, ich kann auch PIRLIPAT notieren, wenn Sie darauf bestehen“. Ganz offensiv, um dem Medianden zu zeigen, dass er zukünftig besser auf das zu achten hat was er sagt, streicht Ator das Wort „Pilipat“ durch, um „Pirlipat“ in großen Blockbuchstaben darunter zu setzen. „OK so?“ fragt er. „Ja“ sagt der Nussknacker. „Pirlipat ist der Ursprung allen Übels. Sie ist undankbar und hat mich aus dem Palast geworfen“. Sicher hat sie ihre Gründe, denkt Medi, die sich natürlich wieder als Frau angesprochen fühlt. Den hätte ich auch hinausgeworfen weiß sie.
Pirlipat ist ihr schon sympathisch, ohne dass sie sie jemals gesehen hat. Sie findet es auch gut, dass Ator den Namen so dick auf das Flipchart geschrieben hat. Falls Pirlipat jemals dazu stoßen sollte, dann sieht sie sofort, welchen Einfluss Frauen haben. Aber ist das denn überhaupt das Thema, überlegt sie sich. Sollte da nicht lieber „Frauenpower“ stehen? Man muss das Kind doch beim Namen nennen. Sie selbst hätte auch große Lust, darüber zu reden. Natürlich weiß sie, dass es nicht die Themen der Mediatoren sind, die hier gelistet werden. Was sie nicht weiß ist, wie sie das „wahre“ Thema einführen soll. Sie hat Bedenken, wenn sie als Frau das Problem beim Namen nennt. Das sollte Ator überlassen sein. Allerdings befürchtet Medi, dass Ator nicht darauf kommt, was das eigentliche Thema ist. Überhaupt läuft hier alles so anders ab als sie es gelernt haben. Wo ist Pirlipat denn überhaupt?, fällt ihr jetzt auf. Offen gestanden drängt ihre weibliche Neugier ihr die Frage eher auf als das Mediationsgesetz. Auch wenn sie ja schon in Phase 2 sind – das schließt Medi aus dem Umstand, dass Ator damit begonnen hat die Themen aufzulisten – platzt es aus ihr heraus: „Wo ist Pirlipat denn überhaupt?“, fragt sie den Nussknacker. „Mich interessiert, warum sie undankbar ist“ ergänzt Ator, ohne die Antwort auf Medis Frage abzuwarten.
Ators Frage schien dem Nussknacker eher zu gefallen. Deshalb antwortet er: „Sie ist undankbar, weil ich sie von einem Fluch befreit habe. Pirlipat war verzaubert. Sie war als eine wunderschöne Prinzessin auf die Welt gekommen und ich als ein wunderschöner Jüngling. Dann wurde sie von einer bösen Hexe in ein unförmiges starrblickendes Wesen verwandelt. Ich wurde in den Nussknacker verwandelt. Ich habe sie aus dem Zauber befreit. Als Pirlipat wieder eine wunderschöne Prinzessin war, hat sie erkannt, wie hässlich ich bin und mich einfach weggeschmissen“. Sowohl Medi und Ator zeigen jetzt deutlich ihre Betroffenheit: „Das ist aber auch eine schlimme Geschichte. Wie kann Pirlipat Ihnen so etwas nur antun?“, bestätigen sie ergriffen. „Und was machen Sie jetzt?“, lautet ihre neugierige und vielleicht auch etwas hilflose Frage.
„Ich muss sehen, dass ich wieder der schöne Jüngling werde. Dann wird sie mich zurücknehmen“, antwortet der Nussknacker. „Ich denke es ist an der Zeit, dass wir mal die Getränke besorgen. Wir tauschen auch den Weihnachtsteller aus, damit Sie nicht dauernd auf die Nüsse schauen müssen“. Gesagt getan, Medi bedeutet Ator, dass er ihr behilflich sein solle. Beide verlassen den Raum.
Nun sind die Co-Mediatoren unter sich und haben die erste Gelegenheit, die Lage fachlich zu durchdringen. „Was meinst Du zu dem was hier gerade läuft?“ fragt Medi ihren Kollegen. „Wenn ich das wüsste“, antwortet dieser. „Irgendwie ist das alles anders als wir es gelernt haben“. „Ja, genau“, antwortet Medi. „Ich denke der braucht eine Therapie keine Mediation“. „Wer weiß, ob der überhaupt mediationsfähig ist. Da scheint ein Machtgefälle zu sein und ich hab gehört, dass dann eine Mediation sowieso nicht möglich ist“. „Also, was machen wir jetzt?“ fragt Medi. „Hast Du mitbekommen was der überhaupt will?“ fügt sie ihrer Frage hinzu. „Wir sollen Pirlipat bekehren?“ mutmaßt Ator. „Wir sollen dem Nussknacker helfen wieder ein schöner Jüngling zu werden“, hat Medi verstanden. „Ich habe auch den Eindruck, es geht um die Männlichkeit“, ergänzt sie noch schnell. „Der Nussknacker“ so entwickelt sie ihre zielführende Hypothese, „fühlt sich unterdrückt von der Frauenwelt. Er hat Ansprüche an die Frauen, denen eine Frau natürlich nicht nachkommen kann. Kein Wunder bei so einem Macho“. „Du meinst bei so einem zahnlosen Würstchen?“, ergänzt Ator. „Wie kann das ein Macho sein?“. „Das ist er“, weiß Medi ganz genau und zeigt, dass dies kein Diskussionspunkt ist. Sie ist sich sicher, dass es darum geht, das Bild der Männer über die Frauen zu korrigieren. Ator sieht das eher umgekehrt. Er hat Verständnis für den Nussknacker und äußert das auch gegenüber Medi. „Ja ihr Männer seid alle gleich“, weiß sie daraufhin zu sagen. Wenn ihr die Frauen respektieren würdet, dann sähe die Welt ganz anders aus“. „Aber die Frauen …“ fährt Ator bedeutungsschwanger fort.
„Vielleicht sollten wir uns einfach einmal anhören was Pirlipat zu sagen hat?“, wirft Medi ein, um das Thema zu wechseln. So viel Zeit zum Diskutieren haben sie nicht. Der Nussknacker wird wohl schon ungeduldig, vermutet Medi. „Du meinst also das ist ein Fall für eine Mediation?“, fragt Ator. „Wie sonst sollen wir mit Mediation Geld verdienen“, antwortet Medi schnippisch. „Wenn wir eine Einigung herbeiführen wollen, dann müssen wir Parteien haben. Bis jetzt haben wir nur den Nussknacker. Auch wenn wir das Problem schon kennen wäre es vielleicht ganz geschickt, wenn wir mal hören was Piripat zu sagen hat“, erwidert Ator. „Pirlipat“ korrigiert Medi. „Meinetwegen auch Pirlipat“, antwortet Ator unwirsch. „Das ändert nichts an dem Problem“. Da hat er Recht, gesteht sich Medi ein. „Also fragen wir mal wie wir Pirlipat freiwillig zur Mediation bewegen können. Über die Therapie können wir ja dann noch immer nachdenken“.
Gesagt getan. Die beiden versorgen sich noch mit Getränken und einem neutralen Weihnachtsteller – ohne Nüsse und Nussknacker versteht sich – und gehen zurück ins Mediationszimmer. Der Nussknacker sitzt dort völlig versunken. Der Kopf ist nach unten gebeugt. Wäre seine Krone nicht mit dem hölzernen Körper verwachsen, sie wäre sicher heruntergerutscht. Will er damit etwa seine Zahnlosigkeit verstecken, fragt sich die empathische Medi. Passt das denn zu einem Macho, wundert sie sich noch.
Jedenfalls sitzt dort ein Häufchen Elend. Die Helferinstinkte werden wach. Jetzt will man den armen Kerl doch aus seiner misslichen Lage befreien. Aber wie? Diese Frage haben die beiden noch immer nicht geklärt. Aber Versuchen geht über Studieren. War das nicht auch eine Regel, die man den beiden in ihrer Ausbildung eingebläut hatte?
Ator ergreift das Wort als aktiver Mediator: „Ohne Pirlipat hat das hier wenig Sinn. Eine Mediation schreibt zwei Parteien vor. Wäre es möglich, Pirlipat nach hier einzuladen? Würde sie kommen?“. „Niemals antwortete der Nussknacker. Das hab ich doch schon gesagt. Das können Sie vergessen. Sie will mit mir nichts mehr zu tun haben. Nicht solange ich der zahnlose Nussknacker bin“. „Habe ich sie richtig verstanden, wenn Sie Zähne hätten, dann würde Prilipat auch kommen?“, lautete die schlaue Frage Medi’s. „Pirlipat“, korrigierte der Nussknacker schon fast automastich. „Nein ich glaube nicht. Erst wenn ich wieder der schöne Jüngling bin dann habe ich eine Chance. Meine Zurückverwandlung in die ursprüngliche Wohlgestalt ist an eine Bedingung geknüpft: Eine Dame muss mich trotz meiner hässlichen Gestalt liebgewinnen“. „Haben sie es einmal mit Paarship.de probiert“, fragte Ator interessiert und ohne zu wissen, ob diese Frage etwas mit der Mediation zu tun hat oder nicht. Hier muss geholfen werden. Auf nichts anderes kommt es jetzt an.
„Nein“, antwortet der Nussknacker ernst. „Ich hatte gehofft, Pirlipat wäre die Dame die mich lieb gewinnt. Immerhin hab ich sie doch auch von ihrem Zauber befreit und es möglich gemacht, dass sie wieder die wunderschöne Prinzessin ist“. „Was haben Sie getan, dass Pirlipat Sie so behandelt? Da muss doch noch etwas anderes vorgefallen sein?“, fragt Medi. Ator hat Bedenken, ob so eine Frage in eine Mediation passt. Er korrigiert deshalb unverblümt: „Was muss passieren, damit Pirlipat Sie liebgewinnen kann?“.
„Das hab ich doch schon gesagt“ antwortet der Nussknacker. „Zur Liebe kann man niemanden zwingen“, belehrt die für Emotionen zuständige Medi. „Also was können WIR tun?“, fragt sie den Nussknacker. „Das müssen SIE doch wissen. Ich denke SIE sind die Weihnachtsmediatoren. SIE haben doch gesagt, dass so was mit der Mediation zu regeln sei, also regeln Sie“. „Ja, ja, das ist es auch. Aber dann müssen beide Parteien anwesend sein“, erläutert Ator. „Und das auch noch freiwillig“, fügt Medi hinzu, um auf ihre schwierige Lage hinzuweisen. „Ohne Gegner keine Mediation!“. Medi ist stolz auf diese Erkenntnis und sie beschließt, diese Weisheit ihrer Sammlung von Mediationsregeln hinzuzufügen. Regeln kann man nicht genug haben lautet ihre Devise. „Wie dem auch sei, so kommen wir nicht weiter. Übrigens ist auch die Honorarfrage noch offen“. Ator hatte recht – und zwar mit Allem. Aber was nutzt diese Erkenntnis jetzt?
„SIE könnten mich wenigstens lieb gewinnen“, schlägt der Nussknacker an Medi gerichtet vor. Ator ist neugierig wie Medi damit umgeht. Medi sagt ganz unverblümt: „Wir sind Mediatoren. Das heißt: SIE sind für das Ergebnis selbst verantwortlich. Außerdem sind wir allparteilich. Wenn wir Sie lieb gewinnen, dann müssen wir auch Pirlipat lieb gewinnen. Und das wollen Sie doch sicher nicht“. „Niemand hat mich lieb“ sagt der Nussknacker daraufhin und fängt an zu weinen. Medi fühlt sich zum Trost berufen: „Aber das stimmt doch gar nicht. Alle Kinder lieben Sie. Früher hat man Nussknacker zu Weihnachten verschenkt. Schön lackierte Figuren aus solidem Holz“. „Ja, ja genau“ antwortet der Nussknacker, den diese Art von Trost sichtlich noch mehr deprimiert. „Sie können mir also nur helfen, wenn Pirlipat kommt, und lieb gewinnen können Sie mich auch nicht“. „Wir sind Mediatoren, wir haben alle Menschen lieb“ sagte Medi. „Wirklich alle?“, vergewissert sich der Nussknacker. „Ja, ausnahmslos“, behauptete Medi inbrünstig. Ator bestätigte vorsichtshalber. „Dann habt ihr mich ja auch lieb, dann habt Ihr mich lieb gewonnen?“ fragte der Nussknacker vorsichtig. „Wenn Sie es SO betrachten wollen?“, überließen die Mediatoren die Einschätzung ihrem Kunden.
In dem Moment geschah etwas ganz Unerwartetes. Der Nussknacker begann seine Gestalt zu verändern. Zähne wuchsen ihm. Sein Gesicht veränderte sich. Es bekam weiche, freundliche Züge. Er wächst am ganzen Körper. Man sieht, wie die jugendliche Kraft in ihn einzieht. Immer mehr nimmt er die Züge eines Jünglings an. Nach einer Weile ist seine Umwandlung vollzogen. Jetzt sitzt vor den staunenden Mediatoren ein wunderschöner Jüngling.
Medi und Ator haben das Spiegeln gelernt. Also beeilten sie sich einen Spiegel aus der Besuchertoilette zu holen. Es musste jetzt schnell gehen und der Spiegel auf der Besuchertoilette war der nächste. Also spiegelten sie den Nussknacker, indem sie ihm den runden, etwa 12 cm durchmessenden Spiegel vorhielten. Es war kein besonders schöner Spiegel. Sein roter Rahmen passte aber gut zur Weihnachtsdekoration. Aber darauf kommt es jetzt nicht an.
Der Nussknacker erkennt nun in dem Spiegel sein wahres Gesicht. „Das bin ich?“, fragte er ungläubig. „Ja, das sind Sie“, betonten Medi und Ator. „SO sehen SIE wirklich aus“. So einfach konstatieren Medi und Ator, war ihnen das Spiegeln noch nie gefallen.
Wie immer nahm die Mediation einen unerwarteten Verlauf, was Medi und Ator noch mehr darin bestätigte, dass das, was hier geschehen war, dann ja wohl doch eine Mediation gewesen sein muss. Jetzt fällt ihnen auf, dass sie ja noch gar nicht über ihr Honorar gesprochen hatten. Der Ex-Nussknacker kommt ihnen zuvor. Er ist überglücklich und sagt: „Ich hätte niemals gedacht, dass die Mediation so wirkungsvoll sein kann. Ich zahle Ihnen was Sie möchten und ich empfehle Sie gerne weiter. Ganz ehrlich gesagt hatte ich am Anfang die größten Bedenken. Ich fühlte mich überhaupt nicht richtig verstanden und glaubte, Sie stehen mehr auf Pirlipat’s Seite. Jetzt weiß ich, dass das alles ein Teil Ihrer geschickten Strategie war, dass Sie mich nur aus der Reserve locken mussten, um so ein tolles Ergebnis herbeizuführen“. Medi und Ator sahen sich stumm und vielsagend an. Sie zogen es vor das nicht weiter zu kommentieren nicht aber ohne das Honorar zu erwähnen. Der Nussknacker zahlte was verlangt wird und verabschiedet sich überschwänglich.
„Den haben wir geknackt“, meinten Medi und Ator etwas kleinlaut aber dafür einvernehmlich. Ihnen war nicht ganz klar, warum was hier passierte. Ob das am Nussknacker lag? „Meinst Du, wir sollten in Zukunft den Nussknacker lieber nicht in den Weihnachtsteller stellen?“, fragt Ator deshalb. Ich werde es in meine Regelsammlung aufnehmen, sagt Medi: „Nussknacker sind auch nur Medianden und gehören nicht auf den Weihnachtsteller!“. „Bist Du Dir da sicher?“, fragte Ator nachdenklich.
Über Medi & Ator
Profis haben es längst bemerkt. Medi & Ator machen so ziemlich alles falsch was man falsch machen kann. Medi & Ator wurden erstmals Weihnachten 2012 von Arthur Trossen aufgesucht, der sich diese Geschichten nicht nur als Trainingsmaterial ausdenkt. Vielleicht fällt es Ihnen auf, was Medi & Ator alles falsch machen und wo sie sich nicht gerade wie Mediatoren benehmen. Nachahmung ist also NICHT empfohlen. Nachdenken umso mehr :-). Besuchen Sie uns, wenn Sie weitere Medi & Ator Geschichten erfahren möchten. Spätestens Weihnachten 2014 gibt es die Fortsetzung.
Lieber Arthur,
ich finde, Medi und Ator haben das wieder ganz toll hinbekommen. 🙂
Herzliche Grüße,
Barbara