Ein Mediatorenpaar berichtet über Erfahrungen und Eindrücke in ihrer Handhabung der Mediation. Angeblich sind alles echte Fälle und wahre Begebenheiten. Ob das so stimmt? Wie üblich beobachten wir die Profis bei der Arbeit. In diesem Jahr lösen die Beiden wieder einen ganz besonders schwierigen Fall. Auch gewinnen sie Erfahrungen, die sie in ihrer Ausbildung verwerten können. Wie immer ist ihr größter Gewinn eine Erkenntnis.
Die Weihnachtsbaumdiebe
„Das war ja ein Jahr “, bemerkte Medi. „Und bald ist schon wieder Weihnachten. Den ersten Advent haben wir ja schon. Machen wir eigentlich eine Werbung dieses Jahr?“, fragt sie Ator. „Klar“ antwortet der. „Wir dürfen auch keine Zeit verlieren. Hast Du eine Idee?“. „Keine einzige“, antwortet Medi ehrlich. „Wie wäre es mit: Weihnachtsmediation – besser billiger und nachhaltiger als Weihnachten!“. „Klingt das überzeugend?“, fragt Ator skeptisch und mehr zu sich selbst gewandt. „Die Menschen lieben Weihnachten, das kannst Du nicht mit dem Gericht vergleichen“, murmelt er. „Hmmm“, überlegt Medi, die jetzt selbst nachdenklich geworden ist: „Mir scheint die Menschen lieben auch das Gericht. Sie überlegt kurz und schlägt dann folgendes vor: „Weihnachtsmediation – besser als jedes Weihnachtsgericht“. „Wir sollten das in unserem Seminar ansprechen“, schlägt Ator etwas mürrisch vor. Irgendwie hatte er nicht den Eindruck, dass diese Diskussion zielführend sein könnte. Als Mediator hat er es aber gelernt, solche Gespräche zu verebben. Das gelingt mit versteckten und indirekten Kellerphrasen. Er hat sogar einen Aufsatz über die Verebbungstechnik geschrieben, die er als seine Erfindung anpreist. Einfach nicht darauf eingehen, heißt die Devise dieser Technik. Ator erlebt sie immer als sehr wirkungsvoll.
Medi und Ator teilen gerne ihr Wissen über die Mediation. Natürlich haben sie auch längst ein Seminar für Weihnachtsmediation eingerichtet. Das Thema interessiert sie eben. Wie anders sollte es ihnen gelingen, zwischen den Jahren sowohl im Thema wie im Geschäft zu bleiben? Mit dem Ausbildungsangebot haben sie gleich mehrere Fliegen mit nur einem Weihnachtsbaum erschlagen. Damit es auch nach etwas klingt, nannten sie ihre Schule A-X-ion. Das klingt wie Aktion und suggeriert Aktivität. Es ist ein Kunstwort, das sich aus den Anfangsbuchstaben von Academy und X-mas sowie den Schlussbuchstaben von mediation zusammensetzt. Weihnachten ist international dachten Medi und Ator. Also macht es Sinn, englische Akronyme zu bilden. So kam ihnen die „academy on x-mas mediation“ in ihren ausgeprägten Mediatorensinn. Medi und Ator sahen einen Vorteil darin, dass A-X-ion wie ein Import aus Amerika, der Mediationshochburg klingt. Sie waren überzeugt von der Idee.
Ihr Training war natürlich sowohl inhaltlich wie auch didaktisch ganz auf Weihnachten eingestellt. Im Zentrum steht ein Power Point Vortrag über den Weihnachtsbaum. Medi bestand auf diesem Vortrag, den sie akribisch vorbereitet hatte. Ja, sie musste ihn gegen Ator durchsetzen. Ator meinte, das mit dem Weihnachtsbaum müsse niemand wissen. Er mediierte Medi mit den Worten: „So ein Quatsch. Ein Weihnachtsbaum ist doch nicht konfliktrelevant. Der bringt die Teilnehmer nur auf dumme Ideen!“. Was als eine paradoxe Intervention gedacht war, entpuppte sich als ein Sturm. „Waaass?“, echauvierte sich Medi, „nicht konfliktrelevant? Nicht an Weihnachten? Weißt Du überhaupt was ein Weihnachtsbaum ist?“. Ator versuchte herunterzuspielen: „Ein Baum an Weihnachten?!?“, antwortete er in einem betont angedeutet fragenden Tonfall. „Das sind ja wohl die Basics“, entrüstete sich Medi weiter. Sie kam gar nicht mehr zur Ruhe. Der harmoniesüchtige Ator wäre am liebsten weggelaufen. „Die Germanen glaubten, dass die Bäume mit den schönen grünen Nadeln im Winter besondere Kräfte hätten“, belehrte ihn Medi. „Die Germanen glaubten, die Bäume seien stärker als die Dämonen der dunklen Nächte. Zusammen mit den Lichtern des Nordens wurde der Weihnachtsbaum deshalb sozusagen zu einer Kombi-Dämonen-Schutzeinrichtung. Du kannst Dir doch sicher vorstellen, dass wir in einer Weihnachtsmediation auf eine derartige Schutzvorrichtung auf gar keinen Fall verzichten können“. Da fiel Ator nichts mehr ein. Er gab sich geschlagen. Des lieben Friedens wegen erwähnte er vorsichtshalber nicht, was denn geschehe, wenn ein Mediand aus Togo zu ihnen käme. „Ja Schutz kannst Du sicher gut gebrauchen in der Mediation“. Das „Du“ war mehr wie ein „man“ gemeint und sollte auf das MediationsG anspielen. Das hatte Ator wenigstens im Sinn. So lange, bis Medi reagierte. Bei der kam das „Du“ irgendwie ganz anders an. Sie nahm es persönlich. Die Anspielung war ihr so deutlich, dass sie nichts mehr paraphrasieren oder hinterfragen musste. Sie wusste wie Ator das gemeint haben könnte. In einem für Ator überraschend scharfen Tonfall schoss sie deshalb ganz mediativ zurück: „Das musst Du gerade sagen mit Deinen lächerlichen 90 Stunden!“. Oups das hat gesessen. „Deine Empathie gleicht einer Dampfwalze!“. Mehr fiel Ator darauf nicht ein. „Da helfen Stunden sowieso nichts!“, warf er ihr schließlich noch gekränkt vor. Ja, das musste er sich eingestehen. Er selbst fand sich sehr empathisch. Jedenfalls konnte er Medi’s blödes Überlegenheitsgefühl so deutlich spüren, als sei es sein eigenes. Die Stimmung wurde frostig. Sie veranlasste Ator zu einer Anspielung: „Wir bekommen bestimmt weiße Weihnacht“, raunte er Medi zu. Medi verstand die Anspielung als ein Friedensangebot: „Ist das gut für’s Geschäft?“, lenkte sie deshalb ein. „Ich bin ja dabei“, antwortete Ator, wobei er das „Ich“ auffällig betonte. Medi konnte Ator’s Antwort nicht zuordnen. Wieder verzichtete sie auf die Paraphrase und zog es vor, zu schweigen.
Ja, es gibt einige Berührungspunkte zwischen der Mediation und Weihnachten, die Medi und Ator in ihrem Seminar als spezielles Fachwissen nach vorne stellen. So präsentieren sie nicht Contarini, sondern Jesus als den ersten Mediator. Immerhin hatte er doch den Streit zwischen Gott und der Menschheit vermittelt. Auch in der Friedensbotschaft sehen sie eine Parallele. Und ist die wundersame Brotvermehrung nicht gleichbedeutend mit der Erweiterung des Kuchens in der Mediation?
Wieder haben Medi und Ator ihre ganze Detailliebe in die Vorbereitungen des nächsten Seminars gesteckt. Es soll einen Weihnachtsbaum geben. Alles echt natürlich, Baum und Kerzen. Auf Kugeln wollten sie verzichten. Die Kugeln – das wussten die beiden – lösten den Apfel ab. Der Apfel ist ein Symbol der Fruchtbarkeit und der Macht. Beides erschien Medi und Ator nicht wirklich passend. Auch fehlte es an der Originalität. Wie passt eine Kugel zur Corporate Identity von A-X-ion? Alternativ hatten Medi und Ator kleine Zettelchen vorbereitet, auf die sie die Regeln der Mediation sowie einige Sinn- und Lehrsätze geschrieben haben. Die Zettelchen wurden mit Klammern an den Zweigen befestigt. Auf den roten Zetteln hatten sie die Prinzipien der Weihnachtsmediation aufgeschrieben: Ehrlichkeit, Artigkeit und Bescheidenheit, fiel ihnen ein. Die Prinzipien waren ihnen wichtig, also waren die Zettel besonders groß.
Noch am ersten Advent gingen Medi und Ator in die Stadt, um auf dem Weihnachtsmarkt einen Weihnachtsbaum zu erstehen. Kaum angekommen, fragte Medi: „Warum haben WIR eigentlich keinen Stand auf dem Weihnachtsmarkt? Wir könnten ganz spontan Ad Hoc Mediationen durchführen“. „Das ist eine wirklich gute Idee sagt Ator. Das machen wir nächstes Jahr. Jetzt gehen wir erst mal zum Weihnachtswichtel, der hat die besten Weihnachtsbäume, hab ich gehört. Dort angekommen lesen Sie auf einem großen Transparent: Das blaue Band – Bio Weihnachtsbäume aus der Region – nur vom Weihnachtswichtel. „Geschickte Werbung“ sagt Ator. „Es passt zur Farbe der Wichtelmütze. Gutes Corporate Identity“, lobt er. „Die Psychologen wissen, dass die Farbe blau Gefühle hervorruft wie Ruhe und Sauberkeit. Das braucht man am meisten, wenn man einen Weihnachtsbaum kaufen soll. Das Band steht zudem für die Verbundenheit. Die Region für die Herkunft und Bodenständigkeit. Das gibt ein Gesicht, besonders wenn Bäume mit Ballen verkauft werden. Was meinst Du. Sollen wir unsere Weihnachtsmediatoren auch in einem farbigen Band zusammenführen? Ich sehe schon die Werbung: Das gelbe Band rettet die Weihnachten!“. „Klingt ein wenig marzialisch“, meint Medi, „aber für den guten Zweck kann man das sicher überlegen“. Ator sprach den Wichtel unverblümt auf diese tolle Werbung an: „Scheint eine erfolgreiche Werbung zu sein. Wie man sieht, sind Sie ja auch schon fast ausverkauft!“. „Ausverkauft“, platzt es aus dem Wichtel heraus. Er war mit seinen 1,56 Meter recht kleinwüchsig. Die große blaue Wichtelmütze ließ ihn größer erscheinen als er war. Erstaunlich, dass so ein kleines Wesen so eine laute Stimme haben und so brüllen kann, dachte Medi. „Ausverklaut“, schrie Wichtel. „Der Weihnachtsbaumriese hat mir alle meine Bäume geklaut. „Warum zeigst Du ihn nicht an?“, fragte Ator unter Hintanstellung aller mediativer Gedanken. Medi war ziemlich überrascht. Sie spürte, dass das für einen Mediator keine naheliegende Frage sein konnte. Aber zu fragen: „Warum sind Dir die Weihnachtsbäume wichtig?“, schien ihr auch nicht wirklich passend. Deshalb beobachtete sie neugierig, wie der Weihnachtswichtel herumdruckste: „Weil, …. weil, ….. weil, …..“. „Weil …???“, half Medi, … „Weil wir die Bäume doch beide oben im Wald, in der Schonung, verweihnachtet haben. Das weiß der Riese ganz genau und deshalb nimmt er sich einfach was ihm nicht gehört“.
Weder Medi noch Ator verstanden was der Weihnachtswichtel damit sagen wollte. Aber das mussten sie ja auch nicht. Es roch einfach nach einer Mediation und deshalb übergab Ator wortlos die neue Visitenkarte. Auf der war zu lesen: „Medi und Ator: Schenk Dir den Streit an Weihnachten!“. Er hat gelernt, dass es nicht geschickt ist, an dieser Stelle Fragen zu stellen. Die Menschen würden ihr Herz ausschütten und wer will das schon im Business, wenn es darum geht eine Mediation nachzufragen.
Am nächsten Morgen war im Lokalanzeiger zu lesen: „Die Weihnachtsbaumräuber schlugen wieder zu. Seit einiger Zeit werden im großen Stil Tannenbäume in den Schonungen unseres heimischen Waldes geschlagen. Die Weihnachtsmafia will einen Teil des Weihnachtsbaummarktes sichern. 100/25 Millionen Weihnachtsbäume zählen sie schon für sich. Die Bande arbeitet mit allen Tricks. Die Kunden werden vor dem gefälschten Weihnachtsbaumzertifikat gewarnt. Die Räuber halten sich selbst nicht an diese Regeln. Sie schlagen rücksichtslos Bäume, schon lange vor der Weihnachtsbaumreife, die immerhin 8 Jahren beträgt. Wir warnen alle Käufer und empfehlen nur die Weihnachtsbäume mit dem X-Check“…. „Da kämpft eine Mafia gegen die andere“, sagt Medi zu Ator. „Gut, dass wir keinen Weihnachtsbaum gekauft haben. Ich glaube, ich will auch gar keinen mehr. Was besagt schon so ein Zertifikat? Macht es den Baum etwa weihnachtlicher?“.
Am Abend klingelte es an der Tür der Weihnachtsmediatoren. Medi öffnete und staunte nicht schlecht, als sie dort den Weihnachtsbaumriesen und den Weihnachtsbaumwichtel zu sehen bekam. „Guten Abend“, sagte sie etwas verunsichert. „Kommen Sie doch herein!“. Riese und Wichtel folgten stumm. Im Mediationszimmer angekommen setzte sich Riese sofort neben die Tür. Er wollte sich den Fluchtweg sichern. Man weiß ja nie. Sein Blick wechselte nervös von Seite zu Seite als müsste er die Umgebung einscannen. Nichts sollte ihm entgehen. Wichtel setzte sich genau gegenüber. Auch sein Blick war unstet. Beide vermieden es, sich anzuschauen. Wenn sich ihre Blicke kreuzten, zuckten sie zurück. „Wir haben ein Problem“, sagten sie fast gleichzeitig. „Der Wichtel verleumdet mich!“, fuhr der Riese fort. „Der Riese bestiehlt mich“, ergänzte Wichtel.
„Wir werden später darauf eingehen“, sagte Ator schulbuchmäßig gelassen. Er kannte das Spiel inzwischen. Zunächst müssen wir prüfen, ob Sie auch freiwillig hier sind, stimmte er sich mit Medi ab. Unsere Honorierung wird diese Frage beantworten. „Wie stellen Sie sich unsere Bezahlung vor?“, fragte Ator. „Wir haben kein Geld“, sagten die Medianden gleichzeitig. So sahen sie auch aus. Medi und Ator haben immer das Glück an Klienten zu gelangen, die finanziell zwar klamm aber dafür umso schlauer sind. Deshalb sagte Riese: „Aber Sie haben auch noch keinen Weihnachtsbaum! Vielleicht wäre das eine mögliche Bezahlung – in Naturalien sozusagen!“. „Dann musst DU aber den Baum spendieren, …“, fauchte Wichtel. Ja, ja die Medianden waren klamm, schlau und sie wussten, wie sie Verpflichtungen abwenden konnten. Wichtel wusste sogar den Grund für seine Forderung: „… denn Du hast mir ja alle Bäume abgenommen!“. „Wer hier wem was abgenommen hat, das ist ja wohl die Frage“, schreit Riese zurück. Und schon kam es zum Schlagabtausch. Wenn es um die Honorierung geht, lässt sich Ator nicht aus der Ruhe bringen. Er belehrt deshalb im ruhigen Ton und sehr mediativ: „Grundsätzlich werden die Kosten nach Kopfteilen beglichen. Sie sind zwei, also müsste jeder etwas leisten. Zwei Weihnachtsbäume helfen uns aber nicht, ebenso wenig wie zwei halbe, weil wir, wenn überhaupt, nur einen bräuchten. Wie also stellen Sie sich die Honorierung vor?“. Ator war stolz auf seine Kontrollfrage. Jetzt zeigt sich wer hier freiwillig was macht, sagte er zu sich. Zu den anderen gerichtet zeigte er sich ebenso verständnisvoll wie verhandlungsbereit: „Die Zahlung in Naturalien ist grundsätzlich ein Ansatz“. So kriegen wir wenigstens doch noch unseren Weihnachtsbaum, dachte Medi. Des Weiteren notierte sie als neue Mediationsregel für ihr Seminar: „Wer einen Weihnachtsbaum bezahlt, ist freiwillig hier“. Das kann man sich leicht merken. „OK“, lenkte Riese ein, „ich stelle den Baum“.
„OK, Sie sind also freiwillig hier“, sagte Ator. Riese schaute Wichtel fragend an. Er kam aber nicht dazu etwas zu sagen, denn Ator erklärte ihnen ohne Unterbrechung die Mediation. Wie ein Wasserfall strömte es auf die Medianden ein. Umso auffälliger war es, wie sehr sich Riese und Wichtel für die Verschwiegenheit interessierten. „Und das darf wirklich nicht vor Gericht verwendet werden?“, fragten die Medianden fast übereinstimmend. Sie wirkten ungläubig. „Alles was wir hier besprechen bleibt in dem Raum!“, bekräftigte Ator. „Es sei denn, … „Medi vollendete ihre Einschränkung nicht, nachdem sie Ators Blick aufgefangen hat. Ator geht schulmäßig vor. Das wollte Medi ihm zugestehen, auch wenn sie viel mehr Ausbildungsstunden hat als er. Aber Ator ist nun einmal ein erfahrener Verhandler. Er berichtet zunächst wie er zu dem Auftrag gekommen ist, dass er den Weihnachtswichtel getroffen hat und was bei der Gelegenheit besprochen wurde. Er hat den Wichtel gar nicht gefragt, ob er das sagen darf, überlegt sich Medi. Ihre Bedenken verflogen sofort als sie Ator fragen hörte: „Was ist eigentlich verweihnachten? Sie sprachen gestern davon, dass die Tannen verweihnachtet würden“. „Nun ja, man geht in den Wald und sägt Tannen ab“, antwortet Wichtel etwas flapsig. „Was sind Sie für Weihnachtsmediatoren, wenn Sie das nicht wissen?“, fragte er. „Natürlich werden nur die besten abgesägt“, übergeht Riese die Kritik. Media war dankbar dafür. Stolz ergänzte Riese seinen Hinweis: „Und ich weiß wo die zu finden sind. Der Wichtel wirft dann die Säge an. Weil der so klein ist, übersieht man ihn leichter. Ich pass auf, dass keiner kommt. Weil ich so groß bin, überblicke ich alles besser“. „Das klingt ja wie eine gute Arbeitsteilung“, antwortet Ator.
In dem Moment erinnert sich Medi an den Zeitungsartikel … Bäume absägen, Schmiere stehen, sind das etwa die Weihnachtsbaumdiebe? Plötzlich wird ihr bewusst, dass Riese nicht von einer Arbeitsteilung, sondern von einer Komplizenschaft sprach. „Das geht doch gar nicht!“, platzt es jetzt aus Medi heraus. Sie musste sich unbedingt mit Ator abstimmen. Immerhin steht jetzt ihr Honorar auf dem Spiel. So eine Mediation die kann doch nicht erlaubt sein, auch wenn es sich hier um eine echte Alternative zum Gericht handelt, weil ein Gericht so einen Fall erst gar nicht entscheiden kann. Ator reagiert nicht, obwohl Medi ihm gerade gegen das Bein getreten hat. Sie hat sogar zweimal getreten. „Was haben Sie sich nur dabei gedacht, herzukommen?“. Wenn Autor nicht reagiert,m dann musst sie das Heft in die Hand nehmen – alte Co-Mediator-Regel. Auch diesen Lehrsatz will sie im Seminar verwenden: „Reagiert der Co nicht auf den Fuß, ist die Aktion ein Muß“. Erst war Media spontan eingefallen und fast hätte sie den Faden verloren: „Sie können doch nicht erwarten, dass wir Ihnen helfen, gestohlene Weihnachtsbäume zu verteilen! Und die Bezahlung können Sie sich auch abschminken. Wir sind nicht Ihre Hehler“. „Was wollen Sie?“, fragte Riese. Er war zu sehr erstaunt und irritiert, um beleidigt zu sein. Und er hatte ein ganz anderes Problem, das ihn viel mehr bedrängte als merkwürdig erscheinende Mediatoren. Aber vielleicht war das der Trick. Riese führte deshalb ungerührt aus: „Es geht hier nicht um Weihnachtsbäume. Es geht darum, dass Wichtel sein Versprechen nicht einlöst. Vater hat immer gewollt, das wir das Unternehmen zusammen führen. Wichtels Pate übrigens auch. Das Unternehmen hat eine Tradition, die sich über mehrere Generationen erstreckt“. Das muss die Mafia sein denkt sich Medi. Bevor sie etwas sagen kann reagiert Wichtel: „Ihr habt mir nie etwas zugetraut, Du, der Alte und der Pate“. „Lass Papa und den Onkel aus dem Spiel. Die sind schon lange tot. Sie würden sich im Grabe umdrehen, wenn sie sähen, was Du aus der Firma machst“. „Noch Fragen?“, dachte Medi. Erläuternd fügte Riese zu Medi und Ator gewandt hinzu: „Wichtel hatte schon immer das Gefühl, zu kurz gekommen zu sein. Klar hab ich ihm die Bäume wieder weggenommen. Der soll die mit mir zusammen verkaufen. Von wegen blaues Band, gerader Baum war das Unternehmen, das Vater damals mit seinem Bruder gegründet hat. Es sollte einen geraden Weg weisen“. Medi ließ sich nicht beirren: „Trotzdem können wir Sie nicht bei einem Diebstahl unterstützen“. Ator ist da etwas großzügiger. Denkt er an das Honorar oder an seine Fähigkeiten? Media weiß es nicht aber hört ihn sagen: „Wenn Sie die Bäume zurückgeben, wäre das eine Option für die sich die Mediation einsetzen könnte. Warum nicht? Unsere Dienste sind es wert. Stellen Sie sich vor, Sie gehen als die Weihnachtsbaumretter in die Geschichte ein“. Riese wundert sich: „Wovon reden Sie, verdammt? Ich hab die Bäume nicht dem Wichtel geklaut, die gehören mir doch“. „Wir reden auch nicht vom Wichtel sondern von dem illegalen Verweihnachten“, sagt Medi nun selbst etwas ungehalten. Sie mag es nicht, wenn man sie für dumm verkauft. Mit so viel Dreistigkeit kann sie schlecht umgehen. Immerhin geht es um unschuldige Weihnachtsbäume. Die können doch nichts dafür. Medi wird das Thema in der nächsten Supervision einmal ansprechen. Gut, dass Ator so gelassen bleiben kann. Da weiß man, wofür eine Co-Mediation gut ist, auch wenn sie nur mit einem Baum bezahlt wird. Jetzt mischt sich auch Wichtel ein: „Ja, wovon reden Sie, verdammt? Hier hat niemand was geklaut. Die Schonung gehört doch der Familie. Das ist doch das traditionelle Weihnachtsbaumunternehmen. Ja es stimmt, dass Papa und sein Bruder wollten, dass wir das zusammen betreiben“. Zu Riese gewandt sagte er: „Aber dann musst Du mich auch mal was sagen lassen“. „Mach ich doch“, beteuerte Riese. „Machst Du nicht!“, war Wichtels Reaktion. „Nein mach ich doch“ (Riese). „Nein mach ich nicht“ (Wichtel) …… (Riese)…. (Wichtel)… Das Spiel kannten Medi und Ator und mit der Aussage, dass Riese Wichtel auch mal zu Wort kommen lassen will konnten alle leben. Das war es doch wohl, was Wichtel eigentlich wollte. Medi und Ator konnten das auch sehr gut mit einer paradoxen Intervention verdeutlichen: „Im Moment kommen Sie beide ganz gut zu Wort“, zeigten sie den Meidenden auf. Diese Information hatte offenbar gefehlt.
„Das haben Sie gut gemacht“, sagt Riese froh. „Sie kriegen einen ganz besonders schönen Baum“. Wichtel und Riese verabschieden sich von Medi und Ator.
Die Mediatoren werden mit einem guten Gefühl zurückgelassen, vor allem deshalb, weil sie wieder viel hinzugelernt haben. „Was haben wir eigentlich hinzugelernt?“, fragt Medi. „Die Ruhe bewahren“, antwortet Autor. Dann fällt ihm ein: „… und dass es unter Kriminellen einen ausgeprägten Familiensinn gibt. War das jetzt eigentlich eine Familien – oder eine Wirtschaftsmediation?“. Die Antwort fiel Media leicht: „Es war natürlich eine Weihnachtsmediation! Man konnte sehen, wie sie das Erlebte unter die Regeln der Mediation zu subsumieren versuchte: „Und wo waren die Phasen?“, wollte sie jetzt genau wissen. „Ja hast Du die denn nicht bemerkt?“, antwortete Ator schmunzelnd mit einer Gegenfrage, die er selbst beantwortete: „Die hat Dir der Nikolaus geschenkt. Deshalb heißt das doch Weihnachtsmediation. An Weihnachten gibt es doch Geschenke oder?“
Über Medi & Ator
Profis haben es längst bemerkt. Medi & Ator machen so ziemlich alles falsch was man falsch machen kann. Medi & Ator wurden erstmals Weihnachten 2012 von Arthur Trossen aufgesucht, der sich diese Geschichten nicht nur als Trainingsmaterial ausgedacht hat. Medi & Ator sind längst in die Herzen der Leser eingedrungen. Es gab viele Zuschriften, die Geschichte fortzuführen, ja sogar einen Roman daraus zu entwickeln. Weil man die Erfahrungen gerne teilen möchte, berichten Medi & Ator heute schon über ihr viertes Abenteuer als Weihnachtsmediatoren.
Altenkirchen am 23.12.2015
Arthur Trossen
Hinterlasse einen Kommentar
Du musst angemeldet sein, um einen Kommentar schreiben zu können.