Der Titel umschreibt, was ich letzte Woche in Ashford (Kent/UK) erleben durfte. Ich meine nicht die Odysee, die ein Kollege erlitt, der im Ticketautomat in Heathrow Ashford eingetippt hatte und dann in eines der anderen 4 Ashford gebracht wurde. Wenn ein Engländer Ashford hört meint er halt das bei Dover. Der Ticketautomat war wohl kein Engländer. Ja das sind auch Konflikte. Sie lassen sich noch steigern. Wenn wie auf der Rückfahrt alle Flughäfen gesperrt waren und keine Züge mehr zu finden waren, so dass man über Luxemburg nach Köln fahren musste. Nun ja für manchen ist es auch ein Abendteuer besonders wenn – als wären da nicht schon genug Hindernisse gewesen – unterwegs ein Zug ausfällt wegen eines Streiks der französischen Bahnarbeiter. Der Kurs diente einem weiteren Einsatz im Irak. Ich war zwar schon in Arbil, Für Bagdad, einem meiner nächsten Einsätze in Sachen Streitbeilegung, bedurfte es jedoch einer ganz speziellen Vorbereitung.
Die Konflikte die ich hier schildern will haben mit Gewalt zu tun. Ja auch als Mediator wird man schon einmal zum unfreiwilligen Beobachter von Gewaltattacken der Parteien – vis compulsiva – versteht sich. Das was ich erlebt habe ist aber anders. Ich war auf HEST einem Security Training das Experten absolvieren müssen, wenn sie in den Irak gehen. Zwar war ich schon mal da – auch ohne HEST Zertifikat – aber bei EUJUST-LEX sind die Vorschriften halt wie sie sind. Und ich muss sagen, sie machen fürchterlich viel Sinn. Spätestens wenn sie den Experten die Möglichkeit geben noch einmal zu überlegen, ob sie wirklich bereit sind für den Irak. Ich für meinen Teil muss sagen, ich war – und bin es eigentlich noch im Grunde meines Herzens – fürchterlich naiv. Ich war geschockt was Menschen sich so alles ausdenken können wie perfide ihre Phantasie ist wenn es darum geht, Andere zu töten. Dazu aber später. Sicherlich wollen sie zunächst wissen was warum und wie.
Bei dem Training ging es darum, Verhalten in einer feindlichen Umgebung (Hostile Envirenment) zu erfahren. Anders gesagt, um zu lernen, wie man sich vor den Mitmenschen schützen kann. Setzt natürlich voraus dass man weiß wovor man sich schützen muss und wie der Angriff von statten geht.
Die Vorstellung dass Menschen ihre Mitmenschen so behandeln können hat mir am Meisten zu schaffen gemacht.
Was wir gelernt haben war, wie man sich schützen kann. Wie man im Hotel eincheckt, wie man mit Kompass und Karte navigiert, wie man den Funkverkehr beherrschen kann, wie Waffen funktionieren und welche Feuerkraft sie besitzen. Wie es sich anfühlt, als Geisel genommen zu werden und wie man sich in einer solchen Situation verhält. Wie erste Hilfe unter schwersten Bedingungen möglich ist und so weiter. Es waren eindrucksvolle Rollenspiele. Diesmal ganz anders, als ich sie gewöhnt war. Alles wirkte ganz echt. Eine Fahrt von ein paar hundert Metern, 30 Minuten lang, erforderte eine Sicherheitsplanung die mindestens ebenfalls eine halbe Stunde dauert. Die Einsätze, Verhalten bei Attacken und Explosionen erfolgte unter extremem Stress mit heulenden Sirenen, Schüssen jede Menge Geschrei. Ein heilloses Durcheinander und viel Chaos.
Was muss in jemandem vorgehen, wenn er andere Menschen so drangsalieren kann fragte ich mich die ganze Zeit. Unsere Ausbilder waren erfahrene Soldaten und Offiziersanwärter. Ich habe ihnen diese Frage gestellt. Sie beriefen sich auf den Verteidigungsfall, die jungen sagten so etwas wie: „Ich gehöre dem Staat.“. Was aber wenn der Angreifer sich auch im Verteidigungsfall sieht? Wenn der Staat Soldaten missbraucht so wie im Irak Krieg, der nicht oder nur zweifelhaft zu rechtfertigen ist. Angenommen, Sie retten jemanden – das haben wir jedenfalls so gelernt – der nach einer Bombenexplosion keine Arme und Beine mehr hat, weil sie ihn so toll nach den Regeln der Kunst abgebunden und am Verbluten gehindert haben. Wird sich ihr Freund gerettet fühlen, wenn er im Rollstuhl sitzt und immer auf Hilfe anderer angewiesen ist? Uns wurde von Geiselnnahmen berichtet wo sich die Geiseln bei den Rettern nicht für die Rettung bedankt haben nachdem ihre Geiselnehmer ums Leben gekommen waren. Ich kann das verstehen. Das Menschliche ist nicht Gegenstand der Politik. Es beginnt, wo wir anfangen können zu akzeptieren und wo die Unmenschlichkeit nicht mehr herhalten muss Unmenschlichkeit als einen Gegenschlag zu ermöglichen. „Stell dir vor es gibt Krieg und keiner geht hin!“ Den Spruch hatten wir früher gut drauf. Was wir nicht wussten war, wie er weiter geht: „Dann kommt der Krieg zu dir!“
Aber auch das ist nicht das Ende. Ich würde den Spruch noch erweitern um: „Dann sage ich ihm wo er sich tummeln kann. Und dass meine Spiele andere Strategien haben. Zum Beispiel: „Wer kennt die Lösung?“. Wäre Mediation im Kriegsfall anwendbar? Das ist eine weitere Frage die ich mir seit HEST stelle. Meine Antwort lautet: Ja, denn der Kriegsanlass hat mit Emotionen Sichtweisen und Kommunikation zu tun. Ganz wie im normalen Leben, das für den ein oder anderen ja auch nichts anderes ist als ein Krieg. Wofür?
Die Fragestellung von Arthur Trossen ob Mediation im „Kriegsfall“ anwendbar ist, der in unterschiedlichen Formen „zu uns kommt“, ob wir wollen oder nicht, erinnert an großes Kino wie „The Negotiator“ (mit Kevin Spacey + Samuel L. Jackson), aber auch an die Globalisierung von Gewalt:
Piraten vor Mogadischu, Touristenentführung im Jemen, FARC Aktivitäten in Kolumbien und die Millionenerbin Patti Hearst, welche unter dem „Stockholm Syndrom“ auf die Seite der Entführer, der Symbionese Liberation Army wechselte und mithalf eine Bank auszurauben.
Damit ist nicht nur die Überlagerung und Vermengung von „zivil“ und „militärisch“ bechrieben, mit allen emotionalen und kommunikativen Aspekten, sondern auch die Bedeutung der Integrierten Mediation in Situationen ohne feste Regeln und ohne feste Konturen.
Ein informatives Beispiel für das Phänomen eines vorhandenen, oder fehlenden, unbewusstem IM – Potentials liefert die Entführung von naturliebenden Touristen durch Abu Sayyaf Commander „Robot“ im Tauchparadies Sipadan auf den Philippinen.
Je nach „Haltung“ und Sozialisation (Erfahrung) wurde der traurige Extremfall unterschiedlich verarbeitet und zeigt, dass es nicht nur Opfer geben muss.
Die tragische, in Teilen aber auch Hoffnung machende Schilderung findet man unter:
„Die ewigen Geiseln“, Klaus Brinkbäumer, Spiegel Online, 25.12.2000
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-18124617.html