Gerade lese ich wieder einmal über eine Mediation, die wohl am Scheitern ist. Die Oberhessiche Presse berichtet über offene Kritik innerhalb eines Mediationsverfahrens. Die Schlagzeile lautet: „Vorwurf: Gegner entwerfen Horrorszenario„. Dann lesen wir, dass der Mediator anscheinend als Einzelmediator auftritt. Wenn dies tatsächlich der Fall wäre, dann dürfte dies ein echter Kunstfehler gewesen sein. Eine Großmediation erfordert ein Mediatorenteam. Schließlich lesen wir, dass der Mediator einen Vorschlag unterbreitet hat. Das erinnert an Stuttgart 21.
Am Ende hat der Mediator auch noch eine Meinung zu den „überzogenen Darstellungen“ der Windparkgegner. Diese bezeichnet er öffentlich als „schon sehr bedenklich.“ Das sollte auf keinen Fall geschehen, wenn die Mediation noch am Laufen ist.
Nun weiß ich aber auch, wie Pressenachrichten zustande kommen und wie ungenau solche Informationen sind. Kein Grund also irgendwen in Frage zu stellen oder zu kritisieren.
Die Zweifel nehmen zu
Allerdings reißen die Meldungen über solche Pseudomediationen nicht ab. Eigentlich nichts neues. Also ganz normal und kein HGrund zur Beunruhigung. Es hat auch damit zu tun, dass die Nachfrage nach Mediation zunimmt und ein wachsendes öffentliches Interesse besteht. Insgesamt gibt es trotzdem noch weniger gescheiterte Mediationen als gescheiterte Gerichtsprozesse.
Presseleute mögen Katastrophenmeldungen. Sie lassen sich besser verkaufen. Diejenigen, die ohnehin der Mediation skeptisch gegenüber stehen, finden dann endlich einen Grund dafür, warum das so ist. Diejenigen, die eine Mediation erlebt haben und ihre Kompetenz zu spüren bekamen, werden sich von solchen Informationen nicht abschrecken lassen.
Dennoch mag die Sorge berechtigt sein, das Image der Mediation könnte darunter leiden. Aber auch das bezweifle ich. Denn es gibt andererseits auch Berichte über erfolgreiche Mediationen, die auch nicht mehr waren als Pseudemediationen. Das gleicht sich dann wieder aus.
Mediationen, die dann doch keine Mediationen sind, werden den Richtermediatoren nachgesagt. Die Gerichtsmediation ist erfolgreich. Hier liegen gute Statistiken vor mit Trefferquoten von 75% und mehr. Das passt dann wieder ins Bild der Mediation. Trotzdem hört man mehr und mehr von den Kollegen, dass das was der Richtermediator als Mediation bezeichnet, dann doch nur eine bessere Vergleichsverhandlung war. Ähnliches berichten Mediatoren übrigens auch über die bei durchaus erfahrenen Kollegen beobachteten Mediationen in der Praxis. Ist das Futterneid oder soll man die Ich-Botschaft heraushören: „Ich weiß (besser) wie es geht?“.
Schluss damit!
Was auch immer der Grund sein mag. Es macht wenig Sinn die Qualität und die Vorgehensweise der Mitbewerber zu fokussieren und als Nichtmediation abzuqualifizieren. Wie schon anlässlich und auf der Konferenz „Vision Mediation“ herausgestellt wurde, braucht die Mediation Vorbilder und keine Kritiker. Sie braucht Orientierung und keine Reglementierung. Sie braucht Motivation und keinen Zwang.
Gerade im internationalen Vergleich durfte ich mir letztens ein Video anschauen (nein, ich musste es mir leider anschauen), bei dem ein amerikanischer vielgepriesener Kollege eine Mediation mit Hilfe des Caucusing durchgeführt hat. Bei dem Film handelt es sich natürlich auch nur um einen Zusammenschnitt, deshalb ist jede Kritik unangebracht. Unter uns gesagt hinterließ die so bezeichnete Mediation aber sowohl vom Ablauf wie vom Ergebnis her nicht das, was ich unter Mediation verstehen wollte. Beides wäre auch in einem gerichtlichen Vergleichsverfahren möglich gewesen, mit einem bisschen Geschick und Verhandlungskompetenz des Richters. Man wundert sich dann, wenn so ein Verfahren als das einzig mögliche beschrieben wird, mit dem sich so ein Ergebnis herstellen ließe. Das ist nicht überzeugend.
Es wird Zeit
Viele werden diese Informationen zum Anlass nehmen, die Ausbildung zu kritisieren, neue und mehr Regeln einzuführen und die Mediation besser kontrollieren zu wollen. Aber das hilft auch nicht weiter. Die Bemühungen der Mediatorenverbände, eine bessere Ausbildung zu etablieren sind gerade vor dem bundestag gescheitert. Der Bundestag hat die Ausbildung reduziert, anstatt sie anzuheben. Darüber hinaus kenne ich Mediatoren, die diese formalen Kriterien ohne Weiteres erfüllen und trotzdem nicht meinen Ansprüchen an eine Mediation genügen würden. Erst recht gilt das, wenn wir den Rahmen auf eine internationale Ebene stellen. Dort sehen auch die Standards gar nicht so viel Ausbildung vor, dass man erwarten kann, eine von Vergleichsverhandlungen stark abweichende Mediation durchzuführen. Mit einer 40 Stundenausbildung in UK beherrscht ein solcher Mediator nur eine so genannte facilitative Mediation. Er beherrscht irgendwelche Regeln, die er als Maßstab anderen weitergibt. Diese befolgen sie dann stur, mechanistisch und unreflektiert. Damit tun sie der Mediation aber auch keinen Gefallen. „Sind Sie freiwillig hier“ ist so ein Beispiel für eine Steretypisierung von den Prinzipien der Mediation. Oder „Der Mediand darf sich nicht aufs Sofa setzen“ ist ein anderes Beispiel, dem ich im Training einmal begegnete. Eine derartige Umsetzung von den Prinzipien der Mediation hilft niemandem, am wenigsten der Mediation selbst.
In der Tat sind solche Mediationen nicht weit von der Moderation oder einer Schlichtung entfernt. Solche Vorgehensweisen sind aber in der Mediationslandschaft nicht unüblich. Eine evaluative Mediation z.B. ist das was die Amerikaner anbieten, wenn es ein schnelles Ergebnis im Rechtsstreit geben soll. Das würden wir als ein Verhandeln von Rechtspositionen sehen, wobei die Frage auftaucht, ob das dann auch eine Mediation ist. Definitionsgemäß ist sie es. Also sollte man den Mediator nicht mit den Worten abtun: „Das ist keine Mediation“. Das wäre dann auch nicht zutreffend. Letzten Endes entscheidend ist, was die Parteien / die Medianden denken und erfahren. Und da gibt es genügend viele, denen ein wenig nachhaltiges schnelles Ergebnis wichtig genug ist, um sich auf eine solche Mediation einzulassen. Einen Kunstfehler sehe ich allerdings wieder darin, wenn die Parteien von dem Mediator nicht auf die unterschiedlichen Herangehensweisen hingewiesen wurde.
Was können wir tun?
Es gibt eigentlich nur einen Weg aus dem Dilemma, der auch zur Mediation passt. Statt zu kritisieren und abzuwerten, sollte man damit aufhören den Begriff „Mediation“ inflationär zu gebrauchen. Journalisten, wie Klienten und Kollegen sollten zu fragen wissen: „Welche Art der Mediation ist / war das?“ Dann zeigt sich, ob der Mediator die Unterschiede überhaupt kennt, ob er die Feinheiten abzugrenzen weiß und was man von seiner Mediation erwarten kann.
Dann würden sich auch die sicherlich aus der Begeisterung stammenden falschen Mythen korrekt verstehen lassen. Wie dort bereits erwähnt, ist die Mediation generell nicht billiger und schneller. Das ist lediglich bei der facilitativen und evaluativen Mediation der Fall. Diese ist aber nicht nachhaltig, also nicht ohne weiteres besser. Das wäre bei der transformativen Mediation der Fall. Diese wiederum dauert länger und ist dementsprechend teuer. dafür aber nachhaltig.
Ein guter Mediator wird die Parteien auf die Unterschiede hinweisen. Er beherrscht alle Varianten der Mediation und kann die Mediation dementsprechend zusammen mit den Parteien planen und durchführen. Ich denke also, etwas mehr Klarheit und Transparenz wären hilfreicher als Diskussionen um das was man zu tun und zu lassen hat.
Ich kann es mir nur sehr schwer vorstellen, dass eine transformatorische Mediation in einem solchen Fall überhaupt gelingen kann, weil die Interessen kollektiviert sind. Auf Seiten der Verwaltung durch das Gesetz und auf Seiten der Gegner durch mehrheitliche Übereinstimmung in ganz bestimmten Bereichen. Eine Entwicklung von den Positionen zu (kollektiven) Interessen ist wohl nicht zu erwarten. Das würde nämlich bedeuten, dass ev. Gesetze nicht beachtet oder geändert werden müssten oder/und sich die Einschätzung der Gegner kollektiv ändert.
Trotzdem glaube ich aber, dass eine Mediation gelingen könnte, wenn man nicht evaluativ die Rechtslage, sondern die Spielräume auf beiden Seiten ins Auge fasst. Dazu wäre allerdings ein großer personeller und zeitlicher Aufwand nötig. Auf beiden Seiten müssten u.a.(Phase 1) die hierarchischen (Entscheidungs-) Strukturen geklärt werden.
Eventuell wäre es aber auch sinnvoll gewesen, zwischen einzelnen Verhandlungspartnern auf einer „Metakommunikationsebene“ zu mediieren, um vorab persönliche Konflikte zu klären. Vielleicht der wichtigste Teil.
Ich sage das nicht, um zu belehren, „was man zu tun und zu lassen hat“, sondern, weil ich den Eindruck habe, dass mit dem Begriff Mediation, gerade im öffentlichen Bereich, zu leichtfertig umgegangen wird. Genauso, wie bei der sog. Richtermediation, deren Schönfärberei der Mediationsbewegung genauso abträglich ist, wie die ständig schief gehenden „Mediationen“ in der Öffentlichkeit.
Ein Mediator darf sich nicht ins Streitsystem einmischen und keine Beratungen durchführen. Aber NEIN (auf Mediatorisch natürlich) sagen, das darf er.
Übrigens habe ich einmal ein Video von John M. Haynes gesehen, der das streitende Ehepaar auf ein ganz enges, zweisitziges Sofa sitzen ließ.