Was unterscheidet die Mediation vom Kaffee?
Konsumgüter haben die Eigenschaft, dass sie verbraucht werden. Wenn ich einen Kaffee im Restaurant bestelle, dann zahle ich, trinke, und der Kaffee ist weg. Ich kann ihn nicht noch einmal verkaufen und ich kann ihn auch nicht noch einmal trinken. Der Kaffee hat sich sozusagen mit seinem Konsum verbraucht. Anders ist es mit der Information. Ich kann dieselbe Information mehrfach konsumieren und verkaufen. Die Information ist ein Rohstoff, der unbegrenzt vorhanden zu sein scheint. Aber der Schein trügt.
Die Information entstofflicht nicht. Sie kann aber verpuffen.
In einer Welt, bei der die Wirtschaft zum Selbstzweck geworden ist, entwickeln die Anbieter immer raffiniertere Strategien, wie sie was vermarkten können. Wäre es möglich, den getrunkenen Kaffee zu reciclen, dann würde sich sicherlich ein findiger Geschäftsmann finden, der uns sowohl die Notwendigkeit wie den Nutzen der Wiedergewinnung des bereits getrunkenen Kaffes zu verkaufen weiß. Klingt ja auch sinnvoll. Dann müssten wir ja keinen neuen Kaffee kaufen. Das gibt dann Raum für ein neues Produkt, ein Kaffeegetränk etwa, das sich nicht reciclen lässt. Das wird dann als besonders innovativ angepriesen, und so weiter und so weiter.
Der ökonomische Selbsterhaltungstrieb macht vor Nichts und Niemandem halt, nicht einmal vor Werten und Tabus. Danny Kaye sagte einmal: „Geld allein macht nicht glücklich. Es gehören auch noch Aktien, Gold und Grundstücke dazu“. Dagegen steht Clemens von Brentano: „Liebe allein versteht das Geheimnis andere zu beschenken und dabei reich zu werden“.
Es scheint so, als würde die Wirtschaft versagen, wenn es um die menschlichen Bedürfnisse geht. Geld befriedigt nicht. Und gerade die Mediatoren wissen, dass Geld keine eigenständige Bedeutung hat, sondern immer nur der Ausdruck für etwas Anderes ist. Aber auch hier lässt sich Geld verdienen. Wertschätzung z.B. kann man weder kaufen noch verkaufen. Was man aber verkaufen kann ist das Know-how wie man Wertschätzung geben oder nehmen kann. Zwar kann man keine Liebe verkaufen, noch wenigstens nicht. Man kann die sogenannte käufliche Liebe verkaufen und eine Partnerschaftsvermittlung. So dringt die Wirtschaft immer mehr in die ureigenen menschlichen Bedürfnisse vor. Facebook ist längst kein Social Medium mehr. Es ist eine Marketingplattform, die auf dem Bedürfnis der Menschen aufsetzt, Kontakt zu pflegen und sich auszutauschen. Die Schüler und Studenten, für die Facebook einst von einem selbst kontaktscheuen Studenten gedacht war, springen inzwischen von Facebook ab, weil sie nicht mehr unter sich selbst sind. Ich selbst fühle mich genervt von den ständigen Einladungen zu Events, die niemand besuchen will oder von den neuesten Angeboten, die niemand braucht. Aber auch das lässt sich zu Geld machen. Man verkauft einfach einen Spam-Filter oder einen Banner-Avoider, schon ist man das Problem los – und verdient sogar daran.
Die Information ist zu einem neuen Rohstoff geriert. Leider hat sie mit anderen Rohstoffen gemeinsam, dass auch sie limitiert ist – wenigstens auf den 2. Blick.
Der Rohstoff für Informationen sind das Wissen und die Kompetenz, wobei das Letztere eigentlich gar nicht verkauft werden kann. Wissen scheint ein grenzenloser Rohstoff zu sein. Er vermehr sich durch Spezialisierung. Normales Wissen genügt heute nicht mehr. Dazu bedarf es der Spezialisten. Das Problem, das gerne übersehen wird ist: zu viel Information hat den gleichen Effekt, wie zu wenig Information. Am Ende weiß man doch nichts.
Anders als beim Kaffee verbraucht sich der Rohstoff „Wissen“ nicht. Das bedeutet, er geht nicht verloren, obwohl ich ihn verkauft habe. Was sich bei Informationen allenfalls verbrauchen lässt, ist also der Bedarf. Gemeint ist das Gefühl, die Information schon zu besitzen. Um den „erneuerbaren“ Rohstoff „Information“ vollends ausschöpfen zu können, muss der Anbieter also nur folgendes tun: Er muss die Info aufteilen und zu einem Fortsetzungsbezug umgestalten. Er kann sie aber auch anders verpacken, sodass die Information in einem neuen Kontext wie eine neue Information aussieht. So schaffen die Verlage – was besonders im Mediationsbereich festzustellen ist – jede Menge Redundanzen, ohne wirklich Neues einzubringen. Um die Nachfrage zu stimulieren, wird die alte Information als die Neueste präsentiert. Und wenn das auch nichts nutzt, dann werden Fakten geschaffen, die den Konsum erzwingen.
Damit der Kunde nicht bemerkt, dass die Information gar nicht neu ist, bekommt sie einen anderen Namen und wird als die Neueste Erfindung präsentiert. Ein Beispiel, wie das mit der Mediation funktioniert ist die Persiflage Medi und Ator, die Weihnachtsmediation. Eine Konsequenz daraus ist eine größere Diversifikation und Irritation.
Heiße Luft verkauft sich gut, bis sich jemand an ihr verbrennt. Das ist absehbar. Bis dahin lässt sich aber viel Geld mit ihr verdienen. Um den Kunden nun vor heißer Luft zu schützen, bieten sich „heiße Luft Wächter“ an. Man schafft Regeln und nennt das dann Qualität. Dann gibt es Standards und natürlich die Wächter der Standards. Und es gibt Wächter der Wächter usw. Nun wird das Ganze zu einem komplexen Business und die heiße Luft wird mit anderer heißer Luft vermengt. So erreicht man dann, dass viele sich von der Luftnummer ernähren können. Das geht dann solange, bis die heiße Luft verbraucht ist. Nun sind wir an einem Stadium angekommen, wo auch die Information zu einem Verbrauchsgut wird.
Mit diesen Überlegungen stellt sich ein ganz anderes Qualitätsmerkmal her. Ein gutes Buch oder einen guten Film z.B. schaue ich mir mehrfach an. Eine gute Information ist so substanzreich, dass sie mehrfach konsumiert werden kann, ohne dass sie sich verbraucht oder überflüssig wird. Sie bemisst sich an dem persönlichen Nutzen, den jemand aus ihr ziehen kann. Dieser Nutzen liegt jenseits von Standards und Zertifikaten. Das Problem ist: dieser Nutzen ist schwierig zu beschreiben und nicht wirklich nachweisbar. Er wird sich zeigen im Umgang mit Anderen und in der Art, wie die Information in eigene Kompetenz transferiert wurde.
Eine der wichtigsten Ressourcen des modernen Lebens ist nicht die Information an und für sich, sondern die Kompetenz sie zu evaluieren und zu nutzen. Also nicht das was ich im Fernsehen sehe, sondern das wie ich es zu sehen habe ist der Schlüssel zum Erfolg. Wenn ich weiß, was von Informationen zu halten ist, wenn ich lerne hinter die Kulissen zu schauen und selbst zu entscheiden, was passt und was nicht, wenn ich präzise Denken und Zuhören kann, ja, das wäre ein Kompetenzmerkmal. Dann bin ich eben ein schlechter Kunde, oder bin ich ein besonders guter?
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