Vor nicht allzu langer Zeit sah ich in Freiburg das Transparent „Immobilienmediator“. Ich stellte mir vor, da sind zwei Grundstücke die miteinander in Streit geraten. Aber das ist natürlich Unsinn. Was aber ist ein Immobilienmediator? Ein Marketingtrick für eine neue Ausbildung oder der Zugang zu einer neuen Zielgruppe? Macht das überhaupt einen Sinn? Eine Menge an Fragen tun sich auf. Aber das muss einen Mediator nicht irritieren. Hoffentlich irritiert es auch nicht den Konsumenten.
Zunächst ist da natürlich die Frage:
Was ist ein Immobilienmediator überhaupt?
Für mich fälllt dieser Begriff in die gleiche Rubrik wie die Indoor Mediation. Da hat sich mal wieder jemand was Tolles ausgedacht. Es gibt Parallelen zum Begriff des Kreditmediators. Wir müssen darauf gefasst sein, dass es noch mehr solcher Typologisierungen gibt. Warum nicht auch den Polit- oder Sanitärmediator? Für mich drücken diese Bezeichnungen lediglich das Tätigkeitsfeld aus, mit dem sich der Mediator an eine spezifische Zielgruppe wenden kann und will. Die Begrifflichkeit bietet sich an und sie folgt der Terminologie der Konfliktarten. Da nehmen wir ein Phänomen oder eine Situation und hängen das Wort Konflikt hinten dran, und schon haben wir eine neue Konfliktart. Es gibt hunderte solcher Konfliktarten. Der Führungskonflikt, der Beziehungskonflikt, der Elternkonflikt, der Organisationskonflikt, der Strukturkonflikt, der Entlohnungskonflikt, der Bewertungskonflikt, usw. Die Begriffe geben zwar einen Hinweis auf das Konfliktvorkommen. Sie helfen aber nicht, den Konflikt systematisch zu erfassen. Für eine systematische Erfassung eignet sich am Besten die Einteilung in Konfliktdimensionen. Diese Einteilung erlaubt die Spezifikation über das im Umgang mit Konflikten erforderliche Know How.
Anwendungsfälle
Der Immobilienmediator soll seine Kompetenz bei Auseinandersetzungen zwischen Käufern, Verkäufern und Maklern, unterschiedlichen Meinungen bei Erbengemeinschaften, Konflikten bei Finanzierungen, unterschiedlichen Immobilienbewertungen sowie vielen anderen Auseinandersetzungen anbieten können. Das sollte jedem gut ausgebildeten Mediator gelingen. Die Frage lautet also: Braucht ein Immobilienmediator speziellere Kenntnisse als ein Mediator?
Das Know How eines Immobilienmediators
Die Mediation zeichnet sich durch Interdisziplinarität aus. Sie berührt verschiedene Diszipinen und Wissensbereiche. Es genügt also nicht, lediglich über Konflikte bescheid zu wissen. Die Mediation erlaubt und fordert ganzheitliche Betrachtungen und Sichtweisen.
Bei Streitigkeiten um Immobilien beispielsweise könnten juristische Fragen tangiert sein. So sollte ein Mediator wissen, dass eine Grundstücksübertragung formbedürftig ist. Die Einigung bedarf der notariellen Beurkundung. Dafür ist der Notar zuständig. Im Rahmen eines Gerichtsverfahrens könnte der Richter die Beurkundung vornehmen. Das machen Richter aber nicht gerne. Also bleibt es beim Notar, der für alle Arten von Grundstücksgeschäften ein spezialisiertes Wissen besitzt. Solche Geschäfte können sein:
- Die Übertragung von Grundstücken oder Anteilen
- Die Zusammenlegung oder Teilung von Grundstücken
- Die Belastung von Grundstücken oder Teilen davon durch Hypotheken, Grundschulden, Grunddienstbarkeiten oder Niesbrauch
- Das Wohnungseigentum
Der Notar überprüft alle Rechtsfragen. Diese Dienstleistung ist also ohnehin neben jeder Mediation, bei der es um Grundstücke geht abzurufen. Ein Mediator sollte allerdings wissen, dass er Verträge mit einem grundbuchrechtlich relevanten Inhalt nicht selbst beurkunden kann. Das könnte übrigens auch kein Rechtsanwalt. Es ist eine Notardomäne.
Bei Immobilien spielt auch das Know How des Architekten eine besondere Rolle. Dann nämlich, wenn es um die Bewertung der Immobilie oder um technische Fragen geht. Wie im Gerichtsverfahren wird dieses Sachverständigenknowhow in das Verfahren eingebracht. Der Mediator ist neutral. Er ist deshalb an den Sachfragen im Idealfall nicht selbst involviert. Er wird sachverständige Bewertungen also in keinem Fall selnbst ausführen. Soweit wenigstens der mediative Plan.
Die Mediation erarbeitet ein Ergebnis zunächst unabhängig von dem rechtlichen, technischen und kaufmännischen Lösungskonzept. Diese Vorgehensweise ist nicht zwingend und abhängig vom Stil und der Kompetenz des Mediators. Bei einer sogenannten transformativen Mediation sollte sie empfohlen sein. Es macht Sinn, zunächst die Vorstellungen der Parteien zu ergründen, um diese dann, in einem zweiten Schritt, mit der Rechtslage oder dem technisch und wirtschaftlich Machbaren zu vergleichen. Es obliegt dann den Parteien zu entscheiden, welchen Weg sie für sich als den richtigen einschätzen. Führt der Mediator rechtliche und technische Konzepte zu früh ein, dann fokussieren die Parteien diese Lösungen oft. Sie bewegen sich gedanklich in dem vorgegebenen Rahmen und hindern sich daran, andere Konzepte zu erarbeiten. Das wäre dann eine Vorgehensweise der evaluativen Mediation.
Kollision mit den Mediationsfeldern
Es gibt gängige Bezeichnungen in der Mediation wie etwa den Wirtschaftsmediator oder den Familienmediator. Mit diesen Bezeichnungen soll eine Spezialisierung und eine spezifische Kompetenz zum Ausdruck gebracht werden. Bei der IM sind solche Bezeichnungen unpopulär. Wir bevorzugen (nach Roland Breinlinger) die Unterscheidung von Mediationen in spezifischen Tätigkeitsfeldern. Diese begriffliche Differenzierung ist angebracht, weil die Mediation im Grundsatz stets dieselbe ist. Bei der IM sprechen wir deshalb von der Mediation im Feld Familie, oder der Mediation im Feld Nachbarschaft usw.
Tatsächlich ist es in einer Familienmediation zwingend erforderlich, dass ein Mediator über das Beziehungsgefüge bescheid weiß. Er muss Kenntnisse von Familiensystemen haben, von Entwicklungspsychologie, von der psychologischen, soziologischen und juristischen Bedeutung von Trennungen usw. Bei Familienmediationen steht der Beziehungskonflikt im Vordergrund. Das wäre die zweite Konflikdimension. Also muss der Mediator wissen, wie man damit umgeht.
Wie sieht das jetzt bei Immobilienstreitigkeiten aus? Welcher Konflikt steht hier im Vordergrund?
Die Immobilienstreitigkeit ist meist nur der Ausdruck eines anderen Konfliktes. sie kann aus einer Bausache enstehen, aus einem missglückten Grundstückskauf, aus einer Nachbarschaftssache, aus einem Streit zwichen Gesellschaftern, etwa im Zusammenhang mit einer Geschäftsauflösung und so weiter. Der Konflikt findet nicht zwischen Immobilien statt sondern zwischen Menschen. Er ergibt sich aus den sozialen Kontexten oder aus fachlichen Fragen. Anders formuliert: Er kann einen Sachkonflikt oder einen Beziehungs- und sogar einen Wertekonflikt betreffen. Mithin kann ein Streit über Immobilien alle denkbaren Konfliktdimensionen betreffen. Es genügt also nicht, wenn ein Mediator, der sich mit einem Immobilienstreit zu befassen hat, lediglich in der Lage ist, auf der Sachebene zu arbeiten. Er sollte ALLE Varianten der Mediation, mithin die facilitative UND die transformative Mediation beherrschen. Nur so kann er mit den zugrunde liegenden Konflikten sachgerecht umgehen.
Die Ausbildung zum Immobilienmediator
Das Curriculum der Ausbildung zum Immobilienmediator beschreibt die Inhalte der Ausbildung wie folgt:
„Im Rahmen Ihrer Ausbildung zum Immobilienmediator … vermitteln wir Ihnen Kenntnisse der Strukturen einer Mediation sowie ihre Abgrenzung gegen andere Verfahren und rechtliche Fragen. Sie erlernen neben Grundprinzipien der Psychologie und Kommunikation zahlreiche Gesprächs- und Interventionstechniken in Theorie und Praxis. Inhalte der Ausbildung sind: Definition von Mediation, Arbeitsfelder, Abgrenzung zu anderen Verfahren, Konflikttheorie, Prinzipien der Mediation, Selbsterfahrung und Selbstreflexion und, Gesprächs- und Interventionstechniken, Grundkenntnisse aus Psychologie, Sozial- und Kommunikationswissenschaft, Mediation und Recht, Phasen der Mediation.“
Es fällt auf, dass spezifische Kenntnisse über Immobilien nicht explizit aufgeführt sind. Der Immobilienmediator absolviert also dann doch eine ganz normale Mediatorenausbildung. Allerdings lohnt es sich, die Curricula mit anderen Ausbildungen zu vergleichen. Hier zeigen sich die Unterschiede.
Wir Mediatoren machen es den Anwälten und den Ärzten nach: Es gab mal den Rechtsgelehrten, der in allen Rechtsgebieten fachkundig war. Dann haben sich die Spezialitäten entwickelt: Familienrichter, Wirtschaftsanwalt, etc. Dasselbe bei den Ärzten: Zuerst gab es die (Allgemein-)Ärzte. Heute gibt es für jedes Gebiet den speziell ausgebildeten Arzt (Dermatologe, Änästhesist, Endokrinologe, Gynäkologe, etc.).
In der Mediation gibt es jetzt (Allgemein-)Mediatoren, Familienmediatoren, Immobilienmediatoren, Wirtschaftsmediatoren, etc. Ist es in der Mediation sinnvoll, sich auf ein Thema zu spezialisieren? Ist es in der Mediation überhaupt notwendig und/oder sinnvoll, die Medianden fachlich beraten zu können?
Ein Argument zu früheren Zeiten war, dass nur Juristen eine Mediationsausbildung machen und als Mediatoren tätig sein sollten. Denn als Mediator seien Rechtskenntnisse unabdingbar. Wie sieht es also in Wirtschafts- oder Immobilienfragen aus? Wie sieht es mit Psychologie aus? Brauche ich einen betriebswirtschaftlichen Abschluss oder eine Ausbildung zum Architekten, damit ich in diesen Fachgebieten als Mediator arbeiten kann? Oder kann und darf das auch ein Jurist?
Für die spezialisierten Mediations-Lehrgänge wird normalerweise verlangt, dass die Teilnehmenden das Grundstudium in der entsprechenden Fachrichtung gemacht haben. Also als Immobilienmediator z.B. Architekten, Immobilienbewerter, Finanzexperten. Aber auch Psychologen und Pädagogen sind in einem Lehrgang explizit angesprochen. Nicht aber Juristen. Für die Ausbildung zum Wirtschaftsmediator spricht eine Ausbildungsinstitution Geschäftsführer, Vorstandsmitglieder, Führungspersönlichkeiten, Personal- und Projektleiter, Wirtschaftsprüfer, etc. an. Und explizit auch Richter und Juristen. Aber keine Pädagogen oder Psychologen.
Wir kennen das Bild vom Mediator, der hinter dem Spiegel steht und den Medianden den Spiegel vorhält. Ist es für die Medianden wichtig, ob hinter dem Spiegel ein Jurist, ein Architekt oder ein Betriebswirtschafter steht?
Und aus Sicht des Mediators: soll er die Argumente der Medianden verstehen und sie fachlich verarbeiten können? Oder soll er sich auf den Prozess der Mediation konzentrieren? Braucht es zum Lenken des Klärungsprozesses Fachkenntnisse im jeweiligen (Streit-)Gebiet? Kann jemand in diesem Sinne Mediator in Familienangelegenheiten sein, wenn er/sie selber gar keine Familie hat?
Meine Meinung ist klar: Als Mediator muss ich über die grundlegenden Rechtskenntnisse verfügen und ich muss vor allem die notwendigen psychologischen Kenntnisse haben. Damit habe ich die Grundlagen, um als Mediator in allen Fachgebieten erfolgreich sein zu können.
Als Immobilienschatzer in einer Immobilienmediation oder als Betriebswirtschafter in einer Wirtschaftsmediation werde ich wohl in Versuchung kommen, aufgrund meiner speziellen Fachkenntnisse lenkend Einfluss zu nehmen. Eine „reine Mediation“ wird schwierig. Jedenfalls phasenweise.
Kommt unweigerlich die Frage auf: Sind wir hier dann nicht genau beim Thema der Integrierten Mediation? Die Integrierte Mediation als „kein eigenständiges, abgeschlossenes Verfahren, sondern eine Verfahrensweise, die man in jedem Verfahren vereinbaren kann, das auf eine Konfliktlösung ausgerichtet ist.“
Insgesamt eine Vernetzung von Dienstleistungen zur Konfliktbegleitung und anschliessender Ermöglichung einer Mediation? Und könnten dann nicht gerade auch in der Integrierten Mediation die Fachkenntnisse in den einzelnen Themengebieten von elementarer Bedeutung sein? Dank des Fachverständnisses in einer ersten Phase eine Mediation überhaupt ermöglichen? Die Schwellenangst vor einer „reinen Mediation“ bei den Medianden dank eines fachkundigen Mediators überwinden? Dann wären wir bei einem zentralen Thema für die Integrierte Mediation.
Zum Schluss nicht ganz ernst gemeint: Es gibt jetzt auch noch den MPEG-Mediator. Der tritt in Aktion, wenn ein Konflikt zwischen MPEG-Videostreams und dem gängigen AVI-Videoformat zu lösen ist. Als Freeware macht er seine Mediationen offenbar gratis.