… muss der MediatorInnenschaft spätestens klar werden, wenn zum Beispiel bei sueddeutsche.de am 06.02.11 getitelt wird: „Skepsis über Schlichter“ und dann ein Bericht folgt, wie sich der Präsident des Bundesgerichtshofs, Klaus Tolksdorf, zum Mediationsgesetz äußert und sich von diesem keine nennenswerte Entlastung der Justiz verspricht. Nun gut, das tut die Bundesjustizministerin ausweislich ihrer Aussage bei der Mitteilung des Kabinettsbeschlusses zum Mediationsgesetz vor der Presse auch nicht. „Wenn zusätzlich die Justiz entlastet werden kann, ist das ein guter Nebeneffekt, es ist aber nicht die Hauptabsicht dieses Gesetzesentwurfs“.
Hat er aber auch tatsächlich gesagt, dass „der Grundgedanke úneingeschränkt´ zu begrüßen,“ sei „Streitigkeiten mithilfe eines Schlichters einvernehmlich beizulegen.“? Egal, wer nun den Unterschied zwischen Schlichtung und Mediation nicht kennt, der Präsident des Bundesgerichtshofs, oder der Journalist. Jedenfalls ist es bislang niemandem gelungen, zumindest einem von beiden den Unterschied zwischen Schlichtung und Mediation zu erklären.
Wesentlich bedenklicher finde ich allerdings die angeblichen Behauptungen des BGH-Präsidenten, dass „ sich die ‚weit überwiegende Zahl‘ der vor Gericht gebrachten Rechtsfälle nicht für eine außergerichtliche Mediation“ eigne. „Denn die Betroffenen zögen vor Gericht, weil sie ‚ihr Recht‘ wollten.“ (Hier neige ich dazu, zu ergänzen: … und weil sie nichts von der Möglichkeit der Mediation wissen).
Ausweislich der Zahlen des Statistischen Bundesamts scheint dies nämlich nicht der Fall zu sein. Vergleicht man nur das Verhältnis von streitigen Urteilen zu geschlossenen Vergleichen, so stellt sich heraus, dass wesentlich mehr Vergleiche geschlossen wurden, als streitige Urteile ergingen. Wenn man nun weiß, dass ein Abschlussvertrag als Ergebnis einer Mediation nichts anderes ist, als ein Vertrag vor Gericht, ist obige Behauptung nicht haltbar. Denn auch bei einem gerichtlichen Vergleich erfahren die Parteien nicht, was ´ihr Recht´ ist.
Konkret zum Beispiel: Im Zeitraum 01.01.2009 bis 31.08.2009 ergingen in Familienfolgesachen (in 73.132 Fälle) 23.812 Urteile (32,56 %) und es wurden 49.320 (67,44 %) Vergleiche geschlossen.
Die Vergleichsquote ist in den letzten Jahren enorm gestiegen. 2005 lag das Verhältnis noch bei 37,35 % zu 62,65 %.
Quelle: Statistisches Bundesamt, Fachserie 10, Reihe 2.2, Seite 22. (Die ganze Statistik kann beim Statistischen Bundesamt kostenlos herunter geladen werden.)
Ich denke, dass aus diesen Zahlen ganz andere Schlüsse gezogen werden müssen und dabei die Unterscheidung von Schieds- oder anderer „Schlichtungs-“ Verfahren zur Mediation von großer Bedeutung ist.
Wenn wir jetzt in den Gesetzesentwurf schauen wird die Mediation dort nicht definiert als: ein vertrauliches und strukturiertes Verfahren, bei dem Parteien mit Hilfe eines oder mehrerer Mediatoren freiwillig und eigenverantwortlich eine einvernehmliche Beilegung ihres Konflikts anstreben? Das ist auch eine Moderation und eine Schlichtung und es kann alles mögliche sein. In der EU Direktive, aus der diese Definition übernommen wurde, machte das Sinn. Denn sie wollte den Schutz auf alle denkbaren Formen der ADR ausweiten und der Begriff der Mediation wird im englischen weiter gefasst als im Deutschen. In Deutachland führt es zu einer Unklarheit, weil wir zu Recht dazu neigen, die Mediation in einem engeren Verständnis zu betrachten, um sie gegen die Schlichtung beispilsweise abgrenzen zu können. Das Gesetz gibt diese Abgrenzung aber nicht wieder, obwohl es sie einfordert. Aber wer behauptet, dass ein politisch ambitioniertes Gesetz eine Klarheit bringen soll. Die Unklarheit ist ja wahrscheinlich gerade ein Teil des politischen Spiels. Aber Du hast recht. Es ist noch viel zu tun. Die Mediation freut sich über jedes Vorbild, das ihren Geist verwirklichen kann.