Der betroffene Richter ist Vollzeit angestellt als Vorsitzender und Geschäftsleiter einer regionalen Schlichtungsbehörde im Kanton Bern / Schweiz. Er hat einen Enthusiasmus für die Streitschlichtung entwickelt und daher eine 10-tägige Weiterbildung in Form eines bezahlten Urlaubs gemacht. Seine neu erworbenen Kompetenzen will er jetzt nebenberuflich abends ab 18.00 h mit maximal 3 Stunden pro Woche anbieten.
Das Obergericht hat entschieden, dass diese private Tätigkeit als Streitschlichter mit der Anstellung am Gericht nicht vereinbar ist. Das angerufene Verwaltungsgericht hält fest, dass ein hauptamtlicher Richter (Anmerkung: die Arbeitszeit im Kanton Bern beträgt 42 h pro Woche) sich auf sein Amt konzentrieren und keiner Nebenbeschäftigung nachgehen soll.
Eine Nebenbeschäftigung sei nur möglich, wenn kein Erwerbseinkommen erzielt wird und sofern sie nicht mit der Erfüllung der Amtspflichten, der Unabhängigkeit und dem Ansehen der Gerichtsbehörde konfligiere. Eine Tätigkeit als Konfliktlöser / Paarberater berge stets die Gefahr eines Interessenkonflikts. Dies tangiere das Ansehen der Gerichtsbehörde und sei mit der Unabhängigkeit der richterlichen Funktion nicht zu vereinbaren.
Es sei daher einem Richter möglich, nebenberuflich als DJ oder in leitender Funktion in einem Sportverein tätig zu sein, nicht jedoch als Konfliktlöser und Paarberater, auch wenn mit diesem Einkommen nur die Kosten gedeckt und kein wirkliches Einkommen erzielt werden kann.
Der betreffende Richter ist übrigens noch als Stresspräventionstrainer tätig in Form von Seminaren und Referaten. Diese Tätigkeit darf er weiterhin ausüben. Eine dauerhafte Tätigkeit als Konfliktlöser / Paarberater würde das Ansehen der Gerichtsbehörde laut Verwaltungsgericht aber beeinträchtigen.
Mal sehen, ob der betroffene Richter das Urteil weiterziehen wird.
(Quelle: Berner Zeitung / Bieler Tagblatt, 03.08.2013)
Lieber Rene,
bezüglich der Mediation bei Richtern in Deutschland kann ich mich nur meinem Vorredner anschließen. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Aber das Denken wird m.E. nicht immer gerne bei Gericht gesehen. Es sei denn ich denke wie der Richter, was sicherlich dem Zufall überlassen ist, und in meinem Fall äußerst selten der Fall sein dürfte.
Wie bei euch dein geschilderter Fall in der Schweiz gehandhabt wird, ist für mich schwer zu verstehen, darf doch der Richter in deinem Fall anderweitiger Nebentätigkeiten nachgehen. Inwieweit die Paarberatung mit dem Ansehen eines Richters nicht vereinbar sein soll, versteht möglicherweise nur das Gericht selbst, dass diese Entscheidung gefällt hat.
Vielleicht wäre in der Sache in der Tat der Gang in die nächste Instanz der Klärung dieser Frage(n) zuträglich.
Gruß in die Schweiz
Wolfgang
In Deutschland habe ich sogar erlebt, wie ein Richter als Mediator bei eigener Abrechnung eines Mediatorenhonorars die Mediation sogar in den Gerichtsräumen durchgeführt hat. Die Mediation wurde von seinem Kollegen, dem erkennenden Richter vermittelt. Da taucht schon die Frage auf, ob der Richtermediator dem Prozessrichter für die Vermittlung und der Justiz für die Bereitstellung der Räume eine Provision gezahlt hat.
Danke für den Beitrag, lieber Rene. Ich glaube in Deutschland ist die Handhabung weniger restriktiv aber wohl auch sehr unterschiedlich. Spätestens nach der Pensionierung wird dieser Richter Paarberatung anbieten können, wenigstens wäre das so in Deutschland. Hier kann ein pensionierter Richter sogar sich als Anwalt niederlassen.
Gruß in die Schweiz
Arthur