Über die Probleme bei der Implementierung der Mediation und warum die Einführung von Nur-Mediatoren ein Lösungsmodell sein kann.
Ja, wir wollen die Mediation! Wir wollen friedliche und konstruktive Konfliktlösungen. Wir wollen den ganzen Stress, verursacht durch Konflikte, nicht mehr! Die Mediation kann helfen, Konflikte zu vermeiden und selbst hoch eskalierte Konflikte nachhaltig zu lösen. Deshalb wollen wir, dass sie verbreitet wird. Die Mediation soll sich durchsetzen und vor allem: Sie soll nachgefragt werden. Mediation tut den Menschen gut. Sie müssen nur begreifen, was sie davon haben.
Alle versprechen sich von der Mediation einen Vorteil:
Die Justiz verspricht sich eine Entlastung, die EU den Zugang zu einem allgemein in der EU vorgehaltenen Verfahren, die Rechtsanwälte versprechen sich einen größeren Zulauf, die Psychologen können endlich auch Streitigkeiten lösen helfen, ganz zu schweigen von den anderen Berufen und Branchen.
Es gibt allerdings auch Ungläubige und Gegner.
Auf der Suche nach neuen Märkten und einer erweiterten Nachfrage ist die Mediation inzwischen längst ein Instrument geworden, das nicht nur den Konsumenten eine bessere Welt verspricht, sondern auch den Anbietern. Das ist einer der Gründe, warum die Mediation von den Professionen und Institutionen eingeführt werden soll. Eine explizite Nachfrage nach der Mediation gab und gibt es von Seiten der Konsumenten nicht, wenigstens nicht in dieser Form. Wie könnten sie auch ein Produkt (Eine Dienstleistung ist ein Produkt) nachfragen, das selbst den Professionen nicht geheuer und wenig bekannt ist. Es gibt inzwischen nunmehr in der ganzen Welt Ansätze und Mühen, die Mediation zu implementieren. Obwohl die Mediation eigentlich und ursprünglich ein reines Bürgerverfahren war, das aus der Friedensbewegung entstanden war, besteht an ihr seit geraumer Zeit auch ein nicht unerhebliches staatliches Interesse.
Wäre da nicht das Problem der Nachfrage, könnte man daran denken, die Menschen zu missionieren und zu zeigen, wie man miteinander umgehen kann, ohne sich gegenseitig die Köpfe einschlagen zu müssen. Ein friedliches Miteinander, würde das ihnen nicht allen zu ihrem Glück verhelfen? Man könnte doch daran denken, Jedem das Wissen der Mediation und die Kompetenz zur friedlichen Konfliktbeilegung nahe zu bringen. Dann würde sich die Streitkultur bestimmt verbessern. Wenn Mediation ein Kulturgut ist, steht sie auch jedem zu. Offenbar kollidiert dieser Gedanke aber mit den wirtschaftlichen Interessen. Jetzt fällt es auf, dass Mediation nicht etwa als die Kompetenz zur Konfliktbeilegung verstanden wird oder als das Wissen um den Umgang mit Konflikten und die Erkenntnisschritte, wie man einen Konsens auch in einem Konflikt herbeiführen kann. Nein, Mediation ist ein Verfahren und zwar ein solches, das nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich sein soll und das die Gerichtsverfahren zu ersetzen vermag. Wenigstens ist das der Blick auf die Mediation, den das Gesetz vorgibt.
Die Mediation ist als ein Verfahren definiert, das in seiner Bedeutung dem Gerichtsverfahren gleichgestellt wird. Ich bin mir nicht sicher, ob das wünschenswert ist. denn einmal kann man die Mediation ganz nach der Schwarz’schen Konfliktevolution als ein Verfahren betrachten, das durchaus dem Gerichtsverfahren überlegen ist und dieses zu kontrollieren vermag (Beispiel: Wenn die Parteien in einem zivilverfahren mit einem urteil nicht einverstanden sind, steht es ihnen frei, es durch vereinbarung abzuändern). Zum anderen ist die Mediation ein Bürgerverfahren. Es sollte dies auch bleiben. Mit seiner Institutionalisierung über nimmt der Staat eine gewisse Verantwortung für das Verfahren. Dies birgt die Gefahr, dass sich die Mediation von ihrem ursprünglichen Ansatz entfernt und mehr und mehr „verstaatlicht“ wird.
Mit der Mediation als ein vom Staat gewährleistetes Verfahren, wird eine bestimmte Dienstleistung beschrieben. Somit ist die Mediation ein marktfähiges Produkt. So betrachtet, ist die angeblich angestrebte Verbesserung der Streitkultur doch nicht mehr als die Verbesserung der Nachfrage nach einem Produkt namens Mediation. Setzen wir jetzt und heute die Kultur mit dem Markt gleich? Messen wir unsere Kultur am Nachfrageverhalten? So wie Halloween jetzt Einzug in unsere Kultur hält? Alle tun es aber niemand weiß warum. Es ist Konsum, Spaß oder sonst etwas. Mit Kultur hat es nicht viel zu tun – aber mit Markt und Nachfrage. Deshalb wird es verbreitet. Die Kultur bleibt dabei auf der Strecke. Deshalb frage ich mich, was hat die Nachfrage mit der Kultur zu tun? Kann die Nachfrage nach einer Dienstleistung überhaupt eine Kultur verändern?
Kultur besteht nach einer Definition von Kluckhohn aus Mustern von Denken, Fühlen und Handeln. Sie wird vermittelt durch Symbole, die die charakteristischen Errungenschaften von bestimmten Gruppen von Menschen bilden und sich in Artefakten verkörpern. Der wesentliche Kern der Kultur besteht aus traditionellen (d.h. in der Geschichte begründeten und von ihr ausgewählten) Ideen und insbesondere ihren zugehörigen Werthaltungen. Ja in der Tat, die Mediation beschreibt ein Muster des Denkens, Fühlens und Handelns. Symbole und Artefakte werden mit ihr wohl noch nicht verbunden. Das wäre ein Schritt zur Kultivierung. Dazu müsste sie sich so in das menschliche Verhalten einbeziehen, dass es als typisch wahrgenommen werden kann und dementsprechend verinnerlicht wird. Daran gemessen ist die Mediation weit entfernt davon eine Kultur zu beschreiben, auch nicht die Streitkultur.
Sicherlich würde eine veränderte Nachfrage nach Hilfen zur Streitbeilegung die Marktlandschaft verändern. Aber setzt das nicht bereits eine veränderte Streitkultur voraus?
Nachdem die Kultur dermaßen eng mit dem Markt (der Nachfrage) verknüpft wird, lohnt sich der Blick auf die Indikationen des Marktes.
Zunächst sind da die Juristen zu nennen. Sie haben einen großen Marktanteil, wenn es um Konflikt- und Streitbeilegung geht. Ursprünglich waren in einem Verfahren mindestens (meistens) 3 Juristen eingesetzt. Der Klägervertreter, der Beklagtenvertreter und der Richter. Nun braucht es in der Mediation und zumindest theoretisch keinen Juristen mehr. Der Mediator muss kein Jurist sein. Da die Parteien kooperieren, benötigen sie (aus ihrer Selbstsicht) keine Anwälte zum Streiten. Sie benötigen lediglich eine rechtliche Überprüfung. Die kann ihnen auch ein Notar geben. Damit wäre dann nur noch 1 Jurist im Spiel. Warum die Mediation wie die Bundesrechtsanwaltskammer einmal sagte „ein Segen für die Anwaltschaft“ sei, ist mir deshalb überhaupt nicht nachvollziehbar. Nicht jedenfalls, wenn man die Zahl der involvierten Juristen betrachtet und den Markt für Rechtsanwälte. Möglicherweise geht die BRAK von dem Modell aus, dass in der Mediation nach wie vor 2 Rechtsanwälte als Parteivertreter auftreten und dazu noch der Anwaltsmediator kommt. Dann jedenfalls wäre, numerisch betrachtet, ein weiterer Anwalt im Spiel und die Beschäftigungsquote steigt. Allerdings scheint das ein Denkmodell der gehobenen Einkommensklasse zu sein, wo man sich ohne weiteres Anwälte leisten kann und das auch ein wenig an der Mediation vorbei geht. In der Praxis haben wir Nur-Mediatoren jedenfalls oft große Mühen, die Medianden überhaupt zu einem Anwalt zu schicken. Die Empfehlung wird mit der Bemerkung quittiert: „Warum sollen wir denn zu einem Anwalt? Wir sind uns doch einig“. Nachdem die Notwendigkeit zur Rechtsberatung verstanden wurde, kommt dann schließlich die Frage auf: „Wozu brauchen wir denn 2 Anwälte, wenn wir uns doch einig sind?“ Gute Frage! Tatsächlich brauchen die Parteien zwei Anwälte, wenn sie misstrauisch sind oder den anderen doch noch irgendwie übervorteilen wollen. Wenn sie wissen wollen, ob und wie man mehr herausnehmen kann. Im Verlauf einer guten Mediation dürfte sich diese dem Nullsummenspiel zuzuordnende Idee aber verflüchtigt haben. Wir Nur-Mediatoren haben inzwischen regelrechte Strategien entwickelt, wann wir die Medianden wie zu einem Anwalt schicken. Geschieht dies in Phase zwei, dann etabliert sich ein juristisches Denken oder anders gesagt ein juristisches Ziel in den Köpfen der Parteien, das es ihnen schwer macht, eigene Gerechtigkeitsmodelle zu entwickeln. Auch besteht die große Gefahr, dass die Medianden danach nicht mehr wiederkommen, weil der Rechtsanwalt sie belehrt hat, dass die Durchsetzung der juristischen Ansprüche das bessere Ergebnis sei. Auf Grund dieser Erfahrung schicke ich jedenfalls die Parteien erst in Phase vier zum Anwalt, wenn es darum geht, die Optionen zu bewerten und über WATNA/BATNA mit dem juristisch möglichen Ergebnis abzustimmen. Dann, wie gesagt, spätestens sind die Parteien sich einig und haben nicht das Gefühl, der andere wolle sie über den Tisch ziehen. Falls doch, ist in der Mediation etwas schief gelaufen. Das Verhalten der Medianden mag in großen Wirtschaftskonflikten anders sein. Dort wo komplexe Rechtsfragen mit der Falllösung verbunden sind und die Parteien finanziell entsprechend ausgestattet sind, sich zwei Anwälte zu leisten. Das kommt dem amerikanischen Zugang zur Mediation nahe, der die Verhandlung mitunter als ein Bargaining führt, bei dem es darauf ankommt, die Parteien im wahrsten Sinne des Wortes zu vermitteln (in der Mitte treffen zu lassen). Für einen transformativen Mediator sieht dies aus wie ein Lösungspoker oder ein perfektionierter Basar. Die Rechtsanwälte jedenfalls sind geteilter Meinung. Damit bilden sie die Nachfrage in der Bevölkerung ab. Es gibt Menschen, die möchten nicht streiten. Es gibt aber auch solche, die es sehr gerne tun. Sie werden den Gladiator-Anwalt weiterhin aufsuchen. Sie werden dafür sorgen, dass der Grundsatz in § 1 Absatz 3 BORA von der Anwaltschaft nur bedingt verwirklicht wird. Wir treffen in der Anwaltschaft also solche und solche. Manche sind begeisterte Mediatoren und verwirklichen die Idee der Mediation. Allerdings haben sie gelernt, entweder nur Mediator oder Anwalt zu sein, keinesfalls beides zugleich. Deshalb passiert es oft, dass man einen Brief von einem Anwaltsmediator (was immer das ist) bekommt, bei dem man sich fragt, ob dieser Rechtsanwalt jemals etwas über Kommunikation gelernt hat. Er sollte es, wenn er sich Mediator nennt. Diese fast schon schizophrene Situation legt den Verdacht nahe, dass es der Anwaltschaft gar nicht um die Mediation geht. Es geht um Markt und Marktanteile. Einmal schon haben die Anwälte leichtfertig einen neuen Markt an sich vorbeigehen lassen. Das war, als die Steuerberatung als neue Dienstleistung aufkam. Hier sah man die Arbeit mit Zahlen im Vordergrund und man sah es nicht als würdig an, sich mit Buchhaltung zu befassen. Heute gibt es ca 70.000 Steuerberater. Die Anwaltschaft wäre froh, wenn sie etwas von diesem Kuchen abhaben könnte. So etwas darf mit der Mediation nicht noch einmal geschehen. Wenn die Anwälte diesen Markt verpennen, dann riskieren sie, dass es am Ende Psychologen sind, die ihre Fälle lösen. Das kann und darf nicht sein. Wenigstens nicht für einen Anwalt. Also wird die Mediation verrechtlicht, sie wird an juristisches Know How gebunden und von Anwälten angeboten. Der Gesetzgeber hilft ihnen dabei. Er setzt die Ausbildungsanforderungen auf ein für Rechtsanwälte eingeführtes Niveau (herunter!) und passt sie der Fachanwaltsausbildung an, so als wäre ein Mediator nicht mehr als ein Fachanwalt. Wen wundert es nun, wenn die Schriftsätze des Anwaltsmediators das Niveau eines Streitanwaltes nicht überwinden können. Ich habe den Verdacht, als ginge es der Anwaltschaft weniger um die Eroberung eines Marktes, als um die Verhinderung, dass Andere diesen Markt erobern. Das macht aus ökonomischen Überlegungen heraus wenigstens einen Sinn und ergibt ein schlüssiges Bild. Allerdings muss man zur Ehrenrettung der Anwaltschaft sagen, es gibt auch ein Menge Anwälte, die das sinnlose Streiten einfach nicht mehr unterstützen wollen. Sie bemühen sich um konstruktive Lösungen und entwickeln Modelle wie das collaborative law, um das zu tun, was die Berufsordnung ihnen eigentlich auferlegt hat, nämlich zu deeskalieren.
Ein anderes und durchaus vergleichbares Phänomen ist die Richterschaft. Zunächst hat man (damit sind die Mediatorenverbände gemeint) die Richter dazu bewegen wollen, Fälle in die Mediation abzugeben. Damals hieß es noch, die Justiz wolle Kosten sparen. Dann hat man bemerkt, dass die Abgabe der Verfahren eine Motivation der Richter erfordert und ein tieferes Wissen über die Mediation, ihre Verfahrensweise und ihre Kompetenz. Die Richter haben jetzt Mediation gelernt. Auch sie haben gelernt, dass man entweder Richter oder Mediator ist, keinesfalls beides zugleich. Sie haben auch gelernt, dass die Mediation ein isoliertes Verfahren sein soll. Obwohl es eigentlich keine Rechtsgrundlage gab, hat man deshalb die gerichtsinterne Mediation eingeführt. Jetzt wurden die Kollegen überzeugt, ihre alten nicht lösbaren Akten an den Kollegen Richtermediator abzugeben. Das Modell war erfolgreich. Die gerichtsinterne Mediation hat die gerichtsnahe Mediation abgelöst. Einige Richter waren von der Mediation dermaßen inspiriert, dass die Gerichte sogar zu einem Cross Selling übergegangen sind und die Parteien nicht zur Mediation schlechthin, sondern mitunter sogar zu einem bestimmten Richtermediator verwiesen haben, der also ein Kollege war. Ein solches Verhalten deckt sich nicht wirklich mit den Interessen der Justiz, Kosten zu sparen. Cross Selling ist eine Marketingstrategie der Kundenbindung. Wenn die Justiz Kosten einsparen will, indem sie Fälle vermeidet, ist dieses Verhalten kontraproduktiv. Ebenso wie das kostenlose Angebot der gerichtsinternen Mediation. Mit den Augen eines Ökonomen betrachtet, sind dies eher Maßnahmen der Kundengewinnung. Sie steigern die Nachfrage eher als dass sie helfen, Nachfrage einzudämmen. Keinesfalls dienen sie der Kosteneinsparung. Trotzdem ist das Kostenargument im Raum. Man verkürzt den Instanzenweg und behauptet einfach, der Aufwand für eine Mediation sei geringer als der für eine Verurteilung. Das sehen viele Richter und Mediatoren anders. Eine wirklich nachhaltige transformative Mediation ist aufwändig und teuer. Sie erfordert bei Beziehungskonflikten durchaus einen Zeitaufwand von 10-15 Stunden. Eine solche Mediation kann das Gericht gar nicht vorhalten. Da wo Richtermediatoren eingesetzt waren, kam es dann zu dem Phänomen, dass sie mehr Freistellungen und Ausstattungen forderten. Immerhin wollten sie ja eine gute Mediation abliefern. Diese Forderungen erreichen die Grenzen der Justiz. Es wäre für den Steuerzahler nicht zu verantworten, wenn die Justiz Mediatoren einstellt, um der Nachfrage nach gerichtsinterner Mediation nachzukommen, während die zur Streitentscheidung berufenen Fälle liegen bleiben.
Auch die gerichtsinterne Mediation geht von einer schizophrenen Teilung zwischen der Mediation und dem Gerichtsverfahren aus. Die Verbesserung der Streitkultur, die jetzt anstelle des Kostenargumentes zur Begründung des justiziellen Interesses an der Mediation hervorgehoben wird, beschränkt sich somit auf die Fälle der Gerichtsmediation, keinesfalls auf die vielen anhängigen Streitverfahren. Hier verändert sich gar nichts. Das Angebot der Gerichtsmediation ist deshalb – wiederum ökonomisch betrachtet – nicht mehr als die Erweiterung des Produktportfolios. Statt das eingeführte Produkt der Streitentscheidung zu optimieren, wird ein neues Produkt, nämlich die Mediation, eingeführt. Auch wenn die Kosten für eine derartige Produkteinführung in der kameralistischen Buchhaltung nicht explizit auszuweisen sind, verursacht dies trotzdem einen nicht unerheblichen Kostenaufwand. Für das Angebot der gerichtsinternen Mediation muss eine eigene Infrastruktur geschaffen werden. Das kostet Geld. Bei den Richtern begegnen wir nun dem gleichen Phänomen wie bei den Rechtsanwälten. Es gibt ein zweigeteiltes Lager. Die einen schwören auf die Mediation die anderen verweigern sie. Wiederum finden beide Lager ihre Nachfrager und Anhänger. Auch hier bedeutet Verbesserung der Streitkultur lediglich die Nachfrage nach einer diesmal von der Justiz angebotenen anderen Dienstleistung. Aktuell ist zu beobachten, das sich die Justiz (gemeint sind die Gerichtsverwaltungen) sehr zurückhält wenn es um die Förderung der Mediation geht. Man wartet auf die Entscheidung des Gesetzgebers heißt es. Bedeutet das, dass die Richter nur noch bereit sind die Mediation zu unterstützen, wenn sie sie selbst durchführen können? Möchten auch sie den Markt für sich gewinnen?
Man kann den Kreis noch weiter ziehen. Schauen wir auf die IHKs. Obwohl sie eine öffentliche Körperschaft sind, bieten sie selbst Mediatorenausbildungen an. Sie finanzieren die Werbung mit den Zwangsbeiträgen der Mitglieder, wozu auch Mediatoren und Mediatorenausbilder zählen. Die IHKs sind also ebenfalls Mitbewerber und finanzieren den Wettbewerb aus öffentlichen Geldern. Sie sichern IHREN Markt, indem sie nur diejenigen Mediatoren listen, die ein IHK Training absolviert haben.
Was für eine Welt.
Die gute Botschaft ist, dass sich immer mehr Berufsgruppen der Mediation widmen. Die Gefahr besteht darin, dass einzelne, lobbystarke Gruppen und als solche die Juristen Oberhand bekommen und Märkte verteidigen, indem sie die Mediation für sich verinnahmen und einbeziehen wollen. Schon die oxymone Verwendung von Bezeichnungen wie Richter-Mediatoren oder Anwalts-Mediatoren ist bemerkenswert. Logisch betrachtet schließen sich diese Begriffskombinationen aus. Bemerkenswert ist es aber auch, dass es zwar Richter- und Anwaltsmediatoren gibt, nicht aber Therapeut-Mediatoren. Dieser Beruf weist doch auch deutliche Schnittstellen in die Mediation auf.
Ich frage mich, was hat das alles mit der Verbesserung der Streitkultur und der Förderung der Mediation zu tun?
Mediation soll eine Bewegung werden. Aber bitte nur, wenn sie unter der eigenen Flagge läuft. So jedenfalls ist der Eindruck. Auch die Mediatorenverbände sind nicht in der Lage, sich über dieses Spiel zu erheben und einfach das zu tun, was sie von den Medianden erwarten. Nämlich einfach nur zu kooperieren und Mediation auch auf die eigenen Probleme und Konflikte anzuwenden. Noch bei dem Juristentag in Erfurt waren fast alle Mediatoren gegen ein Gesetz. Es sei noch zu früh dafür hieß es völlig zu Recht. Später haben sie erkannt, dass das Gesetz Markt schaffen kann und dann haben sie begonnen Lobbyarbeit zu betrieben. Sie nutzen die Spielregeln der parlamentarischen Demokratie, die ganz und gar nichts mit Mediation zu tun haben.
Noch vor wenigen Jahren hatte ich die Regierungen im Rahmen meiner Expertentätigkeit im Ausland davon überzeugen wollen, die Mediation als ein Mittel einzusetzen, das demokratische Denken in den neuen Mitgliedstaaten zu fördern. Heute weiß ich, dass die Mediation mit der Demokratie so viel zu tun hat wie die Stecknadel mit dem Heuhaufen. Man findet sie nicht und wenn, dann kann man sich daran verletzen. Nutzt man sie zweckgerecht, dann hilft sie zu reparieren und herzustellen. Die Mediation ist nicht nur ein juristisch auszuprägendes Verfahren. Man könnte mit ihr sogar das Heu bündeln. Dann ist sie auch Kompetenz, Denkweise, Philosophie und Wissenschaft. Jedenfalls birgt sie das Potenzial dafür in sich. Der Blick auf das juristische Verfahren verengt die Sicht.
Viele Mediatoren der ersten Stunde sind frustriert. Sie sehen die Mediation durch kommerzielle Interessen entmachtet. Auch die staatlichen Interessen entmachten die Mediation. Versteht man die Mediation als einen psychologischen Erkenntnisprozess und beschreibt man sie aus einer systemischen statt mechanistischen Sicht, dann erkennt man ihr wirkliches Potenzial. Dann erkannt man, dass sie Wege zeigt, wie man mit Widersprüchen umgehen kann ohne sie in einer Welt des Entweder oder Denkens aufzulösen. Dann erkennt man, dass die Mediation bestimmte Erkenntnisschritte in einer geradezu genialen Logik beschreibt und den Weg zum Konsens offenbart. Dann erkennt man, dass die Mediation ein Positivsummenspiel nahe legt und dass wir uns alle in einem Nullsummenspiel denken. Das ist übrigens auch der Grund warum so viel Streit um die Mediation besteht. Es gibt mehr Skilehrer als Schnee hörte ich einmal sagen. Das bedeutet, der Markt wird als ein Kuchen gesehen, den es aufzuteilen gilt. Wenn diese Hypothese zutrifft, dann ist dies ein Verrat der Mediation. Die Mediation geht davon aus, dass sich jeder Kuchen erweitern lässt. Das setzt aber voraus, dass die Interessen offen gelegt werden. Wir lernen auch, dass strategisch gesehen, eine Kooperation innerhalb einer Konfrontation nicht oder nur schwer möglich ist. Die Offenbarung von Interessen bedeutet die Offenlegung von Angriffsflächen. In einem demokratischen Konzept, jedenfalls bei einem solchen, das wir hier in Deutschland leben, geht es um Macht. Nur theoretisch geht die Macht vom Volke aus. Praktisch wird die Macht über Mehrheiten gebildet. Man muss nur eine numerische Mehrheit haben und dann kann man durchsetzen was man denkt, durchsetzen zu müssen. Also bildet man Seilschaften, eine Lobby und manipuliert die Mehrheitsverhältnisse. Findet man dann noch einen netten Namen dafür wie etwa „wir verwirklichen die Basisdemokratie“ dann ist doch alles in Ordnung. Das sieht dann so aus, dass sich der Bundestag für eine einvernehmliche Entscheidung im Bezug auf das Mediationsgesetz lobt und dies als ein gutes Zeichen für Mediation hervorhebt.
Ein (kompetenter) Mediator indes lässt sich von Augenwischerei nicht beeindrucken. Er erkennt, dass dieses Einvernehmen erst nach einem langen Streit möglich war und auch erst nachdem man auf die Mittel der Macht zurückgegriffen hat. Die Gegner waren ausgeschlossen. Man hätte wissen können, dass der Bundesrat, in dem die Justizminister der Länder repräsentiert sind, nicht mit dieser Regelung einverstanden sein können. Denn sie müssen die Interessen der Richter vertreten und der Justiz, die Ländersache ist. Statt einen Konsens zu erwirken, hat man sich auf den Standpunkt gestellt, dass dieses Gesetz ja nicht zustimmungsbedürftig sei. Friss oder Stirb. Mit Mediation hat das nichts zu tun. Man entscheidet über die Mediation aber nutzt sie nicht. Schade eigentlich, denn wir lehren unseren Studenten, dass die Mediation durchaus ein approbiertes Mittel ist, mit solchen Problemen umzugehen. Nun sind wir an einen solchen Umgang aber nicht gewöhnt. Unsere Streitkultur baut auf Versachlichung und Macht. Das ist der Demokratie näher als der Mediation. Die Mediation baut auf Machtbalance und Konsens. Das ist etwas anderes als überstimmt zu werden. Mithin lehrt uns die Mediation alles andere als demokratisches Denken. Vielmehr lehrt sie uns – richtig verstanden und verinnerlicht – (demokratisches) Machtdenken zu überwinden. Das macht es deutlich, warum die Machthaber die Bürger in eine Mediation zwingen wollen, aber sie selbst nicht anwenden.
Die Mediation zwingt zu einem detaillierten Denken. Sie erfordert eine bewusste und kritische Wahrnehmung, sie offenbart die Denkschritte in eine konstruktive Lösung und geht von einer Machtbalance aus. Mediation unterstützt Schwarmintelligenz sie bindet ein und schließt nicht aus. Ich denke einem Politiker muss eine solche Kompetenz eine gewisse Angst einjagen. Ein mündiger, selbstverantwortlicher Bürger braucht am Ende gar keinen Politiker mehr. Der kann seine Angelegenheiten selbst regeln. Der Politiker wäre überflüssig. Mithin darf die Mediation als freies Denken und als eine Kompetenz zur Konfliktlösung also nicht in die falschen Hände geraten. Sie könnte das System in Frage stellen und mehr noch, sie könnte es überwinden. Die zur Mediation passende Gesellschaftsform ist die Zivilgesellschaft, nicht die Demokratie. Eventuell eine Basisdemokratie aber auch nur dann, wenn sie Minderheitenschutz und Konsens erzwingt. So gesehen ist es also nachvollziehbar, wenn die Mediation nicht mehr sein darf als das Angebot eines Verfahrens, das der Kunde nachfragen soll. Das ist die beste Garantie, das System so zu erhalten wie es ist. Es ist gleichzeitig die beste Garantie dafür, dass das System nicht überlebt. Zukunftsforscher haben längt herausgefunden, dass der rechtsstaat seinem Ende entgegen geht. Zu viele unklare Reglungen sind genauso schlecht wie keine. Regelungen die sich am äußeren Anschein statt an ihrem inneren Gehalt und Wert messen sind ebenso flüchtig und wertlos.Wenn ein Mediationsgesetz nur das regelt, was ohnehin erlaubt ist, dann fragt man sich, was ein solches gesetz in einem Rechtsstaat ausdrücken will.
Was bedeutet also Verbesserung der Streitkultur vor diesem Hintergrund? Will man das wirklich? Ich habe so meine Zweifel.
Aber trotzdem führt die Anwendung und Einführung der Mediation zu einer Veränderung. Der Virus ist gesetzt und er verbreitet sich. Die Frage ist nur wie? Kann man Wildwuchs erlauben, oder muss man den Virus kultivieren? Wenn der Virus kultiviert wird, bedeutet das dann nicht, dass er der Kultur angepasst wird? Wie soll er dann die Kultur verändern?
Es fällt auf, dass bei den Diskussionen um das neue Produkt der Kunde gar nicht gefragt wird. Wenn ein Unternehmer ein neues Produkt einführt, dann geht das im Try and Error Verfahren. Er versucht, die Bedürfnisse, besser gesagt die Bedarfe des Kunden zu ergründen und passt sowohl die Erscheinungsform des Produktes wie auch seine Kundenkommunikation darauf an. Was der Kunde will ist: Keinen Konflikt, keine Eskalation, und trotzdem nicht Verlierer sein. Die Mediation würde ihm helfen, zumindest indirekt. Wenn die Rechtsanwälte und Richter beispielsweise versuchen, eine Kooperation anzubringen und das Denken in ein Positivsummenspiel statt in ein Nullsummenspiel zu überführen, dann helfen sie den Kunden die ersten Schritte in Richtung Mediation zu gehen. Wenn der Mediator dann ein Nur-Mediator ist, dann gibt es die Irritationen um den Markt nicht mehr. Das ist dann ähnlich wie mit den Nur-Notaren in Rheinland-Pfalz. Als Nur-Mediator muss ich mich auf diese Tätigkeit konzentrieren. Ich kann meine Klienten nicht aus einem anderen Mandat generieren und bearbeite nur diejenigen Fälle, die als Mediation identifiziert wurden und gewollt sind. Gleichzeitig erweitere ich meine Kompetenz als Mediator. Meine Entscheidung nur noch Mediator zu sein zwingt mich, beste Arbeit abzuliefern und meine Kompetenz ständig in Richtung eines Qualitätsmanagements zu verbessern. Der Streit der Kammern und Verbände würde sich auflösen, weil es jetzt keine Vermischung mehr mit eigenen kontroversen beruflichen Interessen gibt.
Das Modell sähe dann so aus:
Nur Mediatoren bieten reine Mediation an, Rechtsanwälte und Richter bieten integrierte Mediation an. Sie verbessern ihre Dienstleistung (was dann wirklich zu einer Veränderung des Vorgehens führt) und leiten in eine reine Mediation über. Diese wird zahlenmäßig dem Angebot entsprechen und ausgewogen sein. Kein Grund um Markt zu streiten und Berufsgruppen auszuschließen.
Wäre das eine gute Idee? Ich werde darüber nachdenken.
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F.B. for coaching aschaffenburg
Was sagt uns die Studie? Konflikte mit interkulturellem Hintergrund nhemen zu und es wird in Zukunft Arbeit ffcr Mediatoren mit entsprechenden Kompetenzen geben! Und dabei ist die Studie nur die He4lfte der Geschichte. Sie kfcmmert sich nach erster Durchsicht offenbar einseitig um rechtspopulistische Fragestellungen. Die linkspopulistischen Themenkreise werden nicht beleuchtet, obwohl klar auch hier eine gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit geme4ss Definition vorliegt. Warten wir also auf die ne4chste Studie, die eine umfassende Analyse macht, damit wir ein Gesamtbild erhalten. Stellt sich nach wie vor die Frage nach der Notwendigkeit interkultureller Kompetenz eines Mediators. Wer kann eine Mediation machen, in der es darum geht, dass der Ehemann seine Frau permanent verprfcgelt und sie einigen sich darauf, dass er sie nur noch einmal pro Monat verprfcgelt? Wer kann eine solche Mediation durchffchren und mit einer Vereinbarung abschliessen? Wer bricht die Mediation ab?Wie sieht es im interkulturellen Kontext aus, wenn es um Homophobie in einer Mediation zwischen einem Vater und dessen schwulen Sohn geht? Wenn der Mediator ein bibelfester Katholik ist? Oder umgekehrt, wenn er selber schwul ist? Oder in einer Mediation zwischen einer islamophoben Mutter und deren zukfcnftigen muslimischen Schwiegersohn? In einer Mediation mit einem Anarchisten? Einem Medianden, der den Kommunismus wiederherstellen und den Kapitalismus fcberwinden will? Laut Studie wfcrde in diesen Fe4llen eine „gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“ vorliegen. Kf6nnen wir in all diesen Fe4llen unsere eigenen Wertevorstellungen zurfcckstellen und als Mediator vf6llig wertefrei und ungeachtet unseres eigenen kulturellen Hintergrundes arbeiten? Kf6nnen wir eine Mediation durchffchren und mit einer Vereinbarung abschliessen, die unseren eigenen Grundeinstellungen vf6llig widerspricht? Oder mfcssen wir unserem eigenen Menschenbild und unseren Vorstellungen der Gesellschaft treu bleiben und interkulturelle Mediationen in solchen Situationen ablehnen? Ich ple4diere ffcr eine umfassende Denkweise des Mediators (Sapere aude Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!, Immanuel Kant), eine eigene Beurteilung und ein Verzicht auf Mediationen, die den eigenen Welt- und Wertevorstellungen vf6llig widersprechen. Fehlt eine Bestimmung im Verhaltenskodex, wonach ein Mediator auf eine Mediation verzichtet, wenn eine Partei seinen eigenen moralischen und ethischen dcberzeugungen vollste4ndig widerspricht?