Auch dies ist ein Witz, der gerne von Mediatoren erzählt wird.
Kommt hier die Strategie des Mediators zum Ausdruck?
Was meinen Sie?
Zwei Schüler eines Rabbis streiten sich. Als der Rabbi fragte, was denn los sei, erzählte der eine Schüler den Hergang des Streitgesprächs aus seiner Sicht und klagte den anderen Schüler dabei an. Der Rabbi sagte zu ihm: „Du hast vollkommen recht!“ Der andere Schüler war darüber noch verärgerter und schilderte seine Sicht der Geschehnisse, welche die eigene Unschuld und die Schuld des anderen darlegte. Der Rabbi sagte in ruhigem Ton: „Und Du hast auch recht!“. Ein weiterer Schüler des Rabbis konnte das gesamte Gespräch mitverfolgen, schüttelte verständnislos den Kopf und sagte verärgert: „Wie kannst du beiden sagen, sie hätten recht. Das ist doch der größte Unsinn, den du da von dir gibst“. Der Rabbi entgegnete ihm väterlich: „Auch Du hast recht!“ (Quelle unbekannt)
Das wirft doch die Frage auf, ob es nicht manchmal die strategisch richtige Entscheidung sein kann, sich zu streiten – da diese Form der Konfliktlösung ritualisiert ist? Nicht jeder hat den Reifegrad des Rabbi. Ich erinnere mich an eine Begebenheit während meines Wehrdienstes; da gab es einen Stabsunteroffizier, mit dem ich lange überhaupt nicht zurecht kam. Irgendwann während eines langen Ausbildungsmarsches habe ich völlig erschöpft und mit einer „kann sowieso nicht schlimmer werden“ – Haltung einige Aussagen und Vorstellungen des (vorgesetzten) Kameraden heftigst kritisiert. Das gab natürlich zunächst Ärger. Danach ging es aber für den Rest der Dienstzeit viel besser; es gibt anscheinend Menschen, die einen gewissen Umgang benötigen.
Wow, sehr spannend. Ich finde die “belassenen Uneinigkeit” in der Mediation wieder. Es kommt nicht mehr darauf an, wer Recht hat, sondern wir man mit der Differenz umgeht. Mach ich dann auch schon mal privat, indem ich sage: Ja, ja das ist Deine Meinung, ich hab ’ne andere.“ Füchle mich total ok dabei, wahrscheinlich so wie der Rabbi. Und stelle fest, meine Gesprächspartner sind frustriert, weil sie nicht mit mir streiten können. Sie fühlen sich im Ritual gestört und nicht ganz ersnt genommen. Dabei ist das gegenteil der Fall. Verrückte Welt 😉
Der Rabbi versucht den Schülern – gemeiner Weise erörterungslos – das Prinzip der „belassenen Uneinigkeit“ näher zu bringen; sein Punkt ist letztlich der, dass sich der Streit der beiden nicht lohnt. Geht es Fakten – die kann man klären. Geht es um Meinungen oder Emotionen – sind es jeweils die eigenen und es gibt keinen Grund, die des jeweils anderen ändern zu wollen. Da insofern – es geht hier wohl um Meinungen oder Emotionen – hier in „seiner Welt“ jeweils jeder Recht hat, ist es korrekt, dass jeweils auch so auszuwerfen. Auch dem Dritten wird seine Meinung gelassen; wahrscheinlich wird er sie auch ändern, wenn er den Punkt verstanden hat.
Die Strategie des Rabbis ist wohl die, die in „große Lehrer“ in der Geschichte immer gewählt haben; von Konfuzius stammt glaube ich, dass ein Schülder, den den Federstrich des Meisters nicht zu Ende führen kann, der Lehre nicht wert ist, heißt: der Lerneffekt ist größer, wenn man es nicht „vorkaut“, sondern auf die Intelligenz und die Motivation des Schülers setzt, den Punkt nachzuvollziehen.
Der „Mediator“ steckt hier insofern drin, als dass Überparteilichkeit und Eigenverantwortung der Parteien zentrale Punkte des Ansatzes des Rabbis sind. Möglicherweise würde der Mediator, der eine Dienstleistung erbringt, weniger lehrerhaft herangehen und die Kommunikations- und Verständigungsprozesse direkter und pragmatischer kanalisieren.