Libertärer Paternalismus als neue Sprache des Staates
Folgender Beitrag ist als Fortsetzung und Erweiterung der Diskussion „anlässlich der Europawahl“ auf dieser Seite gedacht. Hier waren Grundfragen zur Kommunikation des Staates und von Politikern sowie Behörden aufgeworfen worden.
Mit schöner Regelmäßigkeit schwappen die Ideen neuer amerikanischer Präsidenten nach Europa über; das war etwa unter Clinton der „Kommunitarismus“, der auch in Deutschland – etwa im Stiftungsrecht oder im Agendaprozess – seine Spuren hinterlassen hat. Neueste und medial stark beachtete Idee ist der „libertäre Paternalismus“.
Er stammt aus dem Umfeld des immer noch sehr populären Präsident Obama, dem etwa der in Deutschland geschätzte Matthias Horx bescheinigt, moderne Wege politischer Kommunikation verstanden zu haben. Literarische Quelle ist das Buch „Nudge“ (enlg. „Schubs“) des Juristen Cass B. Sunstein (Leiter des Office of Information and Rgulatory Affairs der Regierung Obama) sowie des Richard H. Thaler („Starökonom“). Ein Vorabdruck findet sich in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung; auch „Das Handelsblatt“ und „Die Welt“ berichteten.
Gerne erklärt man neue Ideen an einem Beispiel – was der Mediation bzw. der Win-Win-Situation der „Orangen-Fall“ – ist die „Klo-Fliege“ dem Paternalismus. Auf der Herrentoilette des Amsterdamer Flughafens Schiphol hat die Fluggesellschaft auf dem Urinal das Bild einer schwarzen Stubenfliege anbringen lassen. Dieses spricht den Spieltrieb des Mannes offenbar derart unwiderstehlich an, dass er gerne auf die Fliege „zielt“. Bei Untersuchungen über die Wirkung dieser Fliege hat sich herausgestellt, dass nun 80 % weniger „danebengeht“.
Man hat den Herren insofern ohne Zwang einen „Schubs“ in die richtige Richtung gegeben, um etwas Wünschenswertes herbeizuführen. Auf Zwang oder Überwachung konnte man verzichten und hat dennoch sehr effizient gute Ergebnisse erreicht.
Man kann insofern sagen, dass libertärer Paternalismus bedeutet, sich die Mechanik des nützlichen Anreizes zu Nutze zu machen. „Libertär“ ist dabei ursprünglich eine amerikanische Variante des Liberalismus, die eine Laissez-faire Gesellschaft fordert, „Paternalismus“ eine Herrschaftsvariante, die auf Bevormundung setzt. Der „Nudge“ löst den Widerspruch offenbar auf.
Der Liebertinäre Paternalismus geht nunmehr davon aus, dass ein solches klofliegenkonzeptähnliches Schubsen auch in Wirtschaft und Staat möglich ist. Die aktuellen Finanzregulierungen in den Staaten enthielten bereits eine Menge „Nudges“, etwa durch den Vorschlag zwei utnerschiedliche Arten von Hypotheken einzuführen eine „auf Rezept“ – mit hohen Aufklärungspflichten und Einverständnisnotwendigkeiten, in denen aber auch „exotisches“ vereinbart werden kann und eine „ohne Rezpet“ deren Abschluss einfacher möglich ist, die allerdings nur einfache und risikoarme Vereinbarungen zulässt.
Ein weiteres Beispiel ist die Idee, dass Vorsorgeverträge für Bürger automatisch geschlossen werden; diese können zwar einfach und jederzeit gekündigt werden – der Schubs ist allerdings gemacht.
Klappt das in Deutschland auch?
Das heisst also – um auf das Thema zurück zu kommen – Obama ist auch so ne Art Klo-Fliege. Ups, aber dann pinkeln ja alle darauf. Ich mag ein Plakat an dem Pfarramt in Altenkirchen. Es zeigt einen Arbeitslosen und eine allein erziehende Mutter und kommentiert: Wir sind Helden. Yes we are.
Das mit den Erwartungen an Einzelpersonen ist, glaube ich, grundmenschlich. Wenn man sich einmal die Menge an Erlöserfiguren ansieht, die die Welt hervorgebracht hat, kann man das glaube ich erkennen. Das Christentum hat eine zentrale Erlöserfigur, andere Weltreligionen auch, selbst im Märchen gibt es den Jäger oder den Prinzen der den Wolf tötet und alles wird gut. Menschen wünschen sich einen Messias, der Ihnen den Weg weist.
Vielleicht ist es dann doch schöner, dem nützlichen Anreiz zu folgen, das ist schließlich der eigene.
Ich wundere mich sowieso warum immer so viel Erwartungen in eine Person gesetzt werden. Obama (oder wer sonst auch immer) ist nur so gut wie das System es zulässt. Komme zurück auf die Klo-Fliege. ich finde, Deine Klo-Fliege ist eine super gute Metapher. Sie ist letztlich auch nur eine andere Form der Steuerung, aber eine die man besser ertragen kann, weil es Spaß macht die Fliege zu treffen. Ich hab da Erfahrung. Du kriegst sozusagen das Erfolgserlebnis mitgeliefert (wenn Du denn zielen kannst). Aber als Metapher für die Plolitik hab ich den Eindruck (übriegns auch bei Obama), die sehen das Klo nur wo malen sie die Fliege hin? Manchmal denke ich, die Politiker wollen dass wir daneben pinkeln. Ich könnte mir vorstellen, sie denken das mache sie irgendwie unentbehrlich. Sie irren sich. Ich würde zum Beispiel nicht neben das Klo pinkeln nur weil eine Fliege auf den Rand der Schüssel statt in die Mitte gemalt ist. Vielleicht würde ich versuchen die Fliege trotzdem zu treffen aber ohne daneben zu pinkeln.
Wahrscheinlich ist Obama letztlich genau so konservativ wie das gesamte amerikanische Polit-Establishment; es fällt nur nach der wohl letztlich auch objektiv als eher schwach zu beurteilenden Leistung des Vorgängers nicht mehr so auf.
Dem Vorgänger hat man auch immer vorgehalten, er würde Wirklichkeit eher gestaltend darstellen als auf die Realität zu rekurrieren; bin gespannt, wie man Obama nach seiner Amtszeit beurteilen wird.
Irgendwie erinnert pinkeln mich an lassen. Man könnte sagen: Wasser lassen. Im übertragenen Sinn: etwas los lassen, etwas geschehen lassen, ablassen, auslassen, laissez faire, let it be, let the sunshine in? ok jetzt sind wir bei Flower Power. Was meinst Du ist Obama ein Hippie in disguise? glaubst Du er kifft? Jeddenfalls versteht er sich gut mit Angie Merkel. Kifft sie etwa auch? Ich fange an Politik zu begreifen 😉
Ein kleiner Schritt für Arthur Trossen, ein großer Schritt für die Demokratie.
Wo soll ich hinpinkeln? Ich bin bereit 😉