Zur Frage der Geeignetheit der Mediation
Mediation sei bei Abhängigen nicht geeignet hört man allenthalben. Wir möchten diese Frage aufgreifen und die These relativieren. Objektiv betrachtet ist die Mediation auch in diesem Bereich möglich. Allerdings kann nicht jeder Mediator damit umgehen.
Mediationsfähigkeit
Zunächst könnte man meinen, dass sich die Frage, ob Mediation im Bereich der Abhängigkeitserkrankung sinnvoll und möglich ist, darauf beschränkt, ob ein an Sucht erkrankter Mensch die für eine Mediation notwendige Selbstverantwortlichkeit (die Konfliktparteien müssen zu autonomen Selbstbehauptungen bereit und in der Lage sein) mitbringt.
Es mag vorkommen, dass der Zustand einer Person Zweifel an dieser Voraussetzung aufkommen lässt, ein Vollrausch würde z.B. Mediation wahrscheinlich scheitern lassen, jedoch ist grundsätzlich das Auftreten einer pathologischen Störung (im Sinne der Psychiatrie und Psychotherapie) kein Ausschlusskriterium für Selbstverantwortlichkeit.
Die integrierte Mediation geht davon aus, dass jeder Mensch die Fähigkeit und auch die Tendenz besitzt, sich konstruktiv, also zum für ihn Positiven hin, zu entwickeln, um sellbstverantwortlich seine Probleme zu lösen – sich zu verwirklichen (der Personenzentrierte Ansatz von Carl Rogers). Keiner weiss besser, was ihm gut tut und was für ihn notwendig ist, als der Betroffene selbst. Dabei können wir einander unterstützen, es selbst herauszufinden.
In der Anwendung der integrierten Mediation im Mediationverfahren wird dieser Ansatz konsequent beachtet, die Lösung ihres Konfliktes liegt zu jeder Zeit in der Selbstverantwortung der Medianden. Man kann auch davon ausgehen, dass die Selbstverantwortlichkeit durch die Mediation eher gestärkt wird.
Die Mediationsfähigkeit ist also nicht grundsätzlich in Frage zu stellen, wenn bei Medianden eine Abhängigkeitserkrankung vorliegt.
Eine kleine Geschichte: Der Elch im Wohnzimmer
Wenn Eltern süchtig sind, gelten in der Familie seltsame Regeln. Stell dir vor, bei euch stünde ein ausgewachsener Elch im Wohnzimmer. Das Tierchen riecht recht streng, beansprucht eine Menge Platz, und sobald es sich bewegt, geht jede Menge Zeug zu Bruch. Der Elch ist Dauergast bei euch. Stell dir vor, dass es in deiner Familie ein geheimes Abkommen gibt, dass niemand jemals darüber sprechen darf, dass da ein Elch im Wohnzimmer steht. Bei Strafe strengstens verboten! Alle müssen so tun, als wäre der Elch nicht da. Und alle halten sich auch daran. Wenn er auf den Boden scheißt. Husch, husch, wird der Mist beseitigt, ohne Aufsehen zu erregen. Die Familie hat keinen Platz mehr, um gemeinsam zu Abend zu essen, weil der Elch so riesig ist.
Jeder quetscht sich in eine Ecke und tut so, als wäre alles in bester Ordnung. Kannst du dir vorstellen, wie sich die Kinder in der Familie nach einer Woche fühlen? Nach zwei Wochen? Nach drei? Wahrscheinlich würden sie ihre Eltern am liebsten laut anschreien: „Schafft endlich den verdammten Elch raus!“ Aber: Es gilt ja die geheime Regel: kein Wort über den Elch!
Was hat diese Geschichte mit Sucht in der Familie zu tun?
Eine ganze Menge. In Familien, in denen Vater oder Mutter alkoholkrank, tablettenabhängig oder drogensüchtig sind, geht es genauso zu: Alle sehen und fühlen, dass da ein Riesenproblem im Raum steht, aber keiner spricht darüber. Und weil keiner darüber spricht, tut auch niemand etwas, um das Problem zu lösen. Gefühle kommen hoch: Ohnmacht, Wut, Verzweiflung, Traurigkeit, Schmerz, Angst. Aber die dürfen alle nicht ausgedrückt werden. Normalerweise würde ein Kind unter solchen Umständen schreien vor Wut, heulen, sich beklagen. Aber: Es gilt ja die Regel: Niemals den Elch erwähnen!
Diese kindliche Darstellung beschreibt eine Situation, die in Familien tatsächlich nicht selten vorkommt. Die Sucht ist vorhanden, spielt sogar eine ganz wesentliche Rolle – es wird jedoch so getan,als gäbe es sie nicht.
Konflikte sind natürlich dennoch vorprogrammiert.
Stellen wir uns vor, in einer solchen Familie (Vater ,Mutter, 5-jährige Tochter) erwägt die Mutter die Trennung von ihrem (alkoholabhängigen) Ehemann. Um die Familie zu retten, entschliessen sich die Ehepartner zu einer Mediation.
Der dem Mediator vorgetragene Konflikt ist: Die Frau möchte sich trennen, der Mann möchte die Trennung nicht. Eine Mediation wird vereinbart. In Phase 2 wird als Thema die Trennung gewünscht. Die Sucht des Mannes ist kein Thema. Wie gewohnt, wird der Elch nicht erwähnt, ist nicht vorhanden. In Phase 3 kommt Vieles zur Sprache: Man spricht über zu wenig Raum vom Partner nicht gesehen werden, sich nicht verstanden fühlen. Es kommt Dynamik in die Mediation. Die Partner hören einander, scheinbares Verstehen tritt auf. Es könnte sich gar ein Verlauf entwickeln, in dem die Mediation einen beinahe wunderbaren Verlauf nimmt – Mann und Frau entdecken wieder, dass sie sich lieben, eine Trennung ist kein Thema mehr, Lösungen fliegen nur so herbei. Gemeinsame Aktionen werden vereinbart, Gesprächszeiten festgelegt und vieles mehr. Die Mediation scheint sehr erfolgreich gelaufen zu sein.
Was ist passiert?
Um in dem zugegebenermassen vereinfachten Bild der kleinen Geschichte zu bleiben: die Mediation hat einen elchfreien Raum zur Verfügung gestellt, in dem es den beiden Eheleuten leicht fiel, sich gesund zu fühlen und auch tatsächlich so zu empfinden.
Was wird geschehen?
Zurück in ihrem System mit Elch werden die beiden nicht mit ihren Lösungen zurechtkommen. Die Ehe wird wieder scheitern.
Wie lässt sich das in der Mediation vermeiden?
Der Mediator kann einen Elchinstinkt entwickeln: Der Elch im System hat eine (un)bestimmte Witterung Die transformative Mediation kann mit Komplexität umgehen und tut dies auch. So werden Emotionen, unbewusste Denkprozesse, die Herz und Bauchebene in den Verstehensprozess einbeziehen gar wesentlich (Eisbergmodell). Lauert der Elch im System so wird sich dessen „Witterung“ darin zeigen, dass Alles was sich unter der Spitze des Eisbergs befindet, zu aussergewöhnlicher Konfusion tendiert. (Eisbergmodell der Sucht: siehe Abbildg.)
Was kann der Mediator tun?
Hat der Mediator die Witterung des Elchs aufgenommen, so kann er darauf hinweisen. Er kann z.B. Sagen: „Ich spüre da irgendetwas, wovon wir noch gar nicht geredet haben, dass mir aber sehr wichtig vorkommt. Gibt es da vielleicht ein Thema, über das Sie nicht leicht reden können? Wäre hier (in der Mediation) vielleicht die Gelegenheit?“ Man könnte in Phase 2 zurückwechseln, das Thema Sucht aufnehmen und dann in Phase 3 mediativ bearbeiten (Verstehen vermitteln) in den weiteren Phasen diesbezügliche Lösungen erarbeiten.
Dadurch ergäbe sich eine Chance.
Wie gross diese Chance sein kann, d.h. wie wirksam Mediation bei Sucht sein kann, werde ich im Kapitel 3 Vertiefung aufzeigen.Sicher ist, dass die Sucht in ihrer Wirksamkeit einem Konflikt gleichzusetzen ist,dies betrifft nicht nur den Süchtigen, sondern jeden Einzelnen in dem befallenen System und auch das System (z.b. Familie)an sich.
Vertiefung
Im Folgenden wird die integrierte Mediation in ihrer Wirksamkeit bei Abhängigkeitserkrankung nicht nur als Verfahren (Mediationsverfahren) sondern auch verfahrensübergreifend untersucht.
IM (integrierte Mediation) und MI
Interessanterweise wurde insbesondere im Bereich der Sucht in den letzten 20 Jahren eine Methode der Gesprächsführung entwickelt, die sich Motivierende Gesprächsführung nennt (MI=motivational interviewing). Wie IM so ist auch MI verwurzelt in dem personenzentrierten Ansatz von Carl Rogers. Der Klient ist also jedenfalls derjenige, der die Lösung des Problems kennt und dies wird zu jedem Zeitpunkt der Interaktion beherzigt. Die Selbstverantwortung des Klienten ist „heilig“.
Zu erwähnen ist, dass abhängiges Verhalten sich hervorragend eignet, um Phänomene der Verhaltensänderung zu untersuchen. Interessanterweise finden die meisten Heilungen von der schwerwiegenden Krankheit Sucht ohne jegliche Hilfe der Gesundheitsversorgung oder Selbsthilfegruppen statt. Dennoch ähneln sich die Prozesse der Veränderung mit oder ohne Hilfe stark.
Sicher ist, dass Veränderungen beschleunigt und gefördert werden können.
MI hat sich – wie IM – in Bereichen, in denen Veränderungen den Klienten wichtig sind, als stark wirksam erwiesen. Ebenso wie bei IM sind auch bei MI wesentliche Eigenschaften des Mediators (Beraters,Therapeuten) die Empathie (einfühlendes Verstehen) und unbedingte Wertschätzung (nicht wertendes Akzeptieren). Man kann sagen, dass beide Disziplinen konsequent erkannt haben, dass bei der Herbeiführung von positiver Änderung im Krisenfall eines inneren oder auch zwischenmenschlichen Konfliktes die HALTUNG der agierenden Person absolut wesentlich ist.
MI ist eine Anwendung, die dem Bereich Therapie-Beratung zugeordnet ist. IM ist dies – zumindest in der Betrachtung als Verfahren – nicht.
MI
Die Grundsätze sind bereits beschrieben. MI ist eine Art therapeutisches Beratungssetting, um Menschen bei der Bewältigung eines inneren Konflikts Unterstützung zu geben.Wichtige Werkzeuge sind das aktive Zuhören, das Stellen offener Fragen, das Bestätigen, das Hervorrufen von change-talk, d.h. wachsende Motivation. Sie verändern das Gespräch, hin zur positiven Veränderung.Wichtig ist der offene, wohlwollende Umgang mit Ambivalenz. Wesentlich und nicht immer leicht, ist die Vermeidung von Therapeutenfallen wie z.B:
- die Expertenfalle :der Therapeut tritt als der Wissende auf
- die Etikettierungsfalle: diagnostisches Know-how kann zu Etikettierung und damit einigen Problemen, z.b.Dissonanz führen
- die Schuldfalle: Ängste vor Schuldzuweisung und Schuldzuweisung vermeiden die Falle, sich zusehr auf etwas zu konzentrieren
Allgemeine Prinzipien sind:
- Empathie(immer wieder)
- Diskrepanzen entwickeln
- Widerstand umlenken
- Selbstwirksamkeit stärken
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass MI eine therapeutische Art der Gesprächsführung ist, die den Klienten darin unterstützt, selbst positive Veränderung herbeizuführen, einen inneren Konflikt zu lösen. Sie erfordert einen besonderen Spirit (Miller, Rollnick) von dem Therapeuten.
IM (integrierte Mediation)
IM ist keine therapeutische Methode. Auch die integrierte Mediation erfordert eine besondere Haltung des Mediators. Auch sie unterstützt Klienten, selbst positive Veränderung herbeizuführen, einen Konflikt selbstverantwortlich zu lösen. Möglicherweise helfen die Tools und Werkzeuge der integrierten Mediation dabei, die Haltung des Mediators (die meiner Meinung nach dem Spirit des Therapeuten bei MI sehr ähnelt), sicherer zu gestalten. Beispielsweise ist das Loopen eine Technik, die das Aktive Zuhören, das Bestätigen und das nachhaltige Verstehen in sich vereint. Die Phasenaufteilung zum Beispiel bietet den idealen Spielraum für das was MI change-talk oder Diskrepanzentwicklung nennt. So wird der Mediant in Phase 3 durch die Befreiung von jeglicher Lösungssuche in einen Raum geführt, in dem das Erhellen von Interessen und Motiven leicht fällt- es wird wahrgenommen, wie es denn sein könnte. Gefühle werden erkannt, Verstehen beginnt.
In einer akzeptierenden Atmosphäre darf die Diskrepanz zwischen der vielleicht schmerzhaften aktuellen Situation und dem Gewünschten sichtbar werden – auch change-talk passiert.
Warum benötigen Menschen hin und wieder Unterstützung beim Lösen von Konflikten, seien sie innerer oder äusserer Art, obwohl sie sehr wohl in der Lage sind die Nachteile ihrer Situation zu erkennen und letztendlich sogar die Lösung von ihnen selbst gefunden und herbeigeführt wird?
Ich denke, man könnte sagen, dass zwiespältige Gefühle gemischt mit einem permanenten inneren Diaog zu einem scheinbar unentwirrbaren Geflecht werden ,das positive Veränderung verhindert. Der Weg aus einer solchen Situation hat mit dem Erforschen und Befolgen davon zu tun, was der Mensch spürt und was ihm wichtig ist. Der Mediator im Sinne der IM kann möglicherweise durch das Beherschen des (transformativen) Mediationsverfahrens auf ein paar Vorteile zurückgreifen: So ist Empathie bei gleichzeitiger Unparteilichkeit auf besondere Weise rein-einfühlendes Verstehen, nicht wertendes auf den Medianten Eingehen wird nicht so schnell durch Komplikationen auf der Beziehungsebene gestört. Auch die Authentizität wird eher gestützt durch den Grundsatz, dass der Mediator nicht die Lösungen vorgibt.
Warum der Vergleich MI mit IM?
Das Thema dieser Arbeit ist: IM und Abhängigkeitserkrankung. Mit MI wollte ich eine therapeutische Methode in der Arbeit mit Abhängigen vorstellen, die sehr wirksam ist und sich heute auch in anderen Bereichen verbreitet. Mir scheint, dass IM möglicherweise noch ausgefeilter und sicher auch sehr wirksam ist. Die Ähnlichkeit ist besonders deshalb interessant, weil sie darauf hindeutet, dass IM ihre Wirksamkeit auch im Bereich Sucht entfaltet. Ich halte den Einsatz von IM in diesem Bereich für sehr sinnvoll und effektiv.
Einsatzmöglichkeiten von IM im Bereich Abhängigkeitserkrankungen
- Bei nicht erkannter oder benannter Sucht im Familiensystem kann IM im Zuge eines Mediationsverfahrens – egal welcher Konflikt zunächst benannt ist – Erkennen und Benennen fördern, die Situation verstehen helfen.
Lösungen können gefunden werden, z.b auch der Einsatz von Therapie oder Beratung - dasselbe gilt,wenn Sucht erkannt und benannt ist.Tatsächlich sind die Konflikte in diesem Umfeld häufig sehr komplex(incl.innerer Konflikte)Das Verständnis z.B.von Co- abhängigkeit zu Erhellen eine unfassbar hilfreiche und wichtige Angelegenheit.Die Frage,was macht Sucht mit den Angehörigen im sozialen System ist heute noch längst nicht erschöpfend beantwortet.Verstehensvermittlung ist in diesem Bereich von grosser Wichtigkeit und Bedeutung.
- ein ganz besonderer,vielleicht sogar neuer Einsatz von IM in diesem Gebiet könnte die Bearbeitung des inneren Konfliktes einer einzelnen Person(Abhängiger oder Angehöriger)sein.Hier wäre es sowohl denkbar, mit dem know-how und der Haltung des IM-Mediators beratend zur Seite zu stehen,als auch,das Verfahren Mediation im Sinne der IM mit der Person gleich einem Spiel durchzuführen.
- Kurzberatung Einzelner oder auch mehrerer Personen
- auch die systemische Beratung beispielsweise einer Familie wäre im Sinne von IM ein denkbares Projekt. Dies könnte natürlich auch über einen längeren Zeitraum stattfinden.
Fazit
Tatsächlich habe ich das Thema in dieser Arbeit nicht erschöpfend bearbeitet. Ich habe es für mich eher anklingen lassen und hoffe, es ist beim Leser etwas rübergekommen. Mir ist während des Schreibens klar geworden, dass die Einsatzmöglichkeiten von IM sehr sehr zahlreich sind und ich hoffe sehr, dass in Zukunft Vieles auf der Grundlage von IM entwickelt werden kann.
Die in Kapitel 3 angesprochenen Einsatzmöglichkeiten sind noch zu entwickeln. Ich werde versuchen, einiges in meiner eigenen Tätigkeit zu erproben. Sicher ist, dass es mir niemals um Patentrezepte geht, dass heisst: jeder Einsatz von IM (natürlich auch jede Form von Therapie oder Beratung) kann nicht mehr sein als eine CHANCE.
Jeder Mensch ist einzigartig und deshalb niemals gänzlich schematisch erfassbar.
Lieber Gerfried Braune
Sie sind da sicherlich auf ein Problem gestossen,dass bei Süchtigen gehäuft auftritt:Vereinbarungen einzuhalten.Das Problem kennen auch Berater und Therapeuten und es macht die Arbeit sicherlich schwieriger.Es darf sich aber doch zeigen,dass das Einhalten von Vereinbarungen nur mit Unterstützung von Z.B.Therapie oder Beratung umzusetzen ist.Dann wäre eine wirksame Vereinbarung eben die,eine solche Unterstützung ninzuzuziehen.
Manchmal haben sie schon Grosses erreicht,wenn die Bereitschaft zur Therapie entsteht und die Vereinbarung,sich darauf einzulassen eingehalten wird.
Ich denke,es ist in der Verantwortung des Mediators realistische und nachhaltige Vereinbarungen zu fördern. Das ist im Bereich Sucht sicherlich speziell -es empfiehlt sich dann ggf.spezielles Know-how hinzuzuziehen(z.b.Suchtberater oder Therapeuten) das ist nicht anders als bei sehr speziellen rechtlichen
Angelegenheiten.
Mal empathisch:Die Sucht ist ne Wahnsinnskrankheit und macht vieles kompliziert-manchmal zum Ver-
zweifeln. Dennoch halte ich die Verstehensvermittlung,das Prozessmanagement ,die Konfliktlösung
auch bei Sucht für sehr sinnvoll
ganz herzlich
Peter Lang
Liebe Anne-Barbara Kern,
Waoh die beschriebene Mediation finde ich sehr beeindruckend.In meinen Augen war die Mediation sehr wirksam und somit auch erfolgreich.Mir scheint klar,dass die Verstehensvermittlung funktioniert hat.der Anspruch an die Mediation-Sucht unmittelbar zu heilen-wäre sicherlich völlig vermessen.Hätte die Lösungs-
vereinbarung mit dem Sohn etwa gelautet:“Ich sehe,dass ich ein Suchtproblem habe und werde mit ganzer
Kraft an der Heilung arbeiten.“und hätte der Junge dann die Arbeit mit dem Sozialarbeiter begonnen,hätten Sie
ohne Weiteres die Mediation als Erfolg werten können.Meiner Meinung nach können Sie sicher davon ausgehen,dass in der beschriebenen Situation der Junge eine Selbstverantwortete Bereitschaft entwickelt hatte,an seiner Sucht zu arbeiten ,denn sonst hätte die Zusammenarbeit mit dem Sozialarbeiter nicht funktioniert.
In einer Mediation im Suchtumfeld besteht ja auch immer und insbesondere in Phase5 die Möglichkeit,Be-
ratung hinzuzuziehen(Suchtberater Therapeuten,IM-Expertzen….)
Zu hohe Erwartungen an die Mediation sollte man niemals stellen und ganz bestimmt auch nicht,wenn Suchterkrankung im Spiel ist.Aus meiner Erfahrung im Bereich Sucht kann ich aber sagen,dass die Einsicht
des Süchtigen in seine Situation und die von nahestehenden Personen schon eine richtig tolle Sache ist,die in vielen Fällen der Schlüssel zur Heilung war. Insofern würde ich die Erwartung an die Mediation so
formulieren:Ich erwarte ,dass Verstehensvermittlung passiert und die Medianden selbst gehbare Lösungswege finden.
Sicher ist Mediation im Suchtumfeld nicht immer leicht.
Wenn man sich ein wenig tiefer in das Thema Sucht hineinbegibt-systemische Wirkung,Koabhängigkeit
und dazu den pathologischen Zustand unseres Gesellschaftssystems(Zufriedenheit durch Konsum…)be-
trachtet, stellt man fest,dass es ein grosses Thema ist,das letzten Endes tatsächlich einen grossen Prozentsatz der Bevölkerung betrifft .-wie kann dann Mediation kneifen?
Es heisst,der IM kann mit Komplexität umgehen-dann doch bitte bitte auch im Bereich Sucht.
ganz herzlich
Peter Lang
Ich hatte letztens eine Mediation mit einem Messy. Kommt der Suchterkrankung insoweit nahe, ohne dass dies diagnostiziert wurde (Compulsive Hoarding). Auch er hatte sich an nichts gehalten. Immer wieder Versprechungen aber dann … bin ich zum Sozialarbeiter geworden und hatte ihm Mails geschickt und nachgefragt, ob er die vereinbarten Zwischenschritte umgesetzt hat. Ich hatte ihm auch einen professionellen Betreuer vermittelt, der helfen sollte, die erforderliche Ordnung zu schaffen. Eine Therapie hatte er schon hinter sich – erfolglos. Bemerkenswert war aber, dass es möglich war das Thema mit ihm und seiner Frau (es ging eigentlich um eine Trennungsproblematik, wofür das Messy-Verhalten der Schlüssel war) anzusprechen. Die Frau war natürlich auch Teil des Spiels, indem sie sich selbst inkonsequent verhielt. Mit beiden war es möglich, das Thema offen anzusprechen. Die Lösung war klar, nur der Weg, wie man es schafft, dass sich die Parteien an die vereinbarten Lösungsschritte halten war das Problem. Ich denke, in solchen Fällen braucht der Mediator ein Netzwerk an Dienstleistern über den Therapeuten hinaus. Der Mediator ist Prozessmanager und muss wissen, wer was wie am besten bewerkstelligen kann. Oder noch besser, wie die Professionen zusammenarbeiten können. Das ist eine der Grundideen der integrierten Mediation. Ich fürchte in solchen Fällen ist keine Profession allkompetent und allzuständig.
Hallo Herr Lang,
ich schließe mich dem vorangegangenen Kommentar an. Das Problem ist aus unserer Erfahrung nicht, das Thema Sucht in die Mediation einzubringen und mit zu bearbeiten. Unsere Erfahrung lehrt in der Tat, dass Suchtkranke schlechterdings nicht in der Lage sind, getroffene Vereinbarungen einzuhalten. Wir haben mehrere Mediationen mit Suchtkranken versucht (stoffliche und nichtstoffliche Süchte). Das Ergebnis war immer, dass in jeder Sitzung wieder von vorn begonnen wurde, weil die Suchterkrankten Vereinbarungen nicht einhalten können.
Letztlich kommt hier immer Therapie in Frage, die aber im Rahmen einer Mediation nicht geleistet werden kann.
Viele Grüße
Gerfried Braune
Hallo Herr Lang,
danke für diesen Artikel! Ich hatte vor Kurzem eine Mediation zwischen Mutter (58, alleinerziehend) und Sohn (15), bei der der Sohn cannabisabhängig ist. Ich finde viele Elemente Ihres Artikels in diesem Fall wieder:
In der ersten Sitzung haben die beiden nicht über das Thema gesprochen. Ich dachte also, dass die Sache recht einfach werden würde. Eine halbe Stunde vor der zweiten Sitzung rief mich die Mutter an, dass unser Termin geplatzt sei, weil ihr Sohn ihr das dafür benötigte Geld gestohlen und sich damit Cannabis gekauft hat. Ich bat die beiden, trotzdem zu kommen und die Rechnung irgendwann zu begleichen, wenn wieder Geld da ist.
Es war in dieser Situation recht schwierig, beim Sohn „Freiwilligkeit“ in der Phase 1 herzustellen, weil er in der Sache keinen Sinn sah. Da er nicht grundsätzlich abgeneigt war, fragte ich ihn, ob es denn denkbar für ihn sei, sich darauf einzulassen, seiner Mutter zuliebe. Das bejahte er, und so konnte es los gehen.
Der Sohn war tatsächlich dazu in der Lage, seine Position zu vertreten, und es lief dann alles gut. Die Vereinbarung am Ende, dass er mit dem Cannabis-Konsum aufhören wolle, konnte er jedoch in der Folge nicht einhalten. Ich denke, dass das die Hauptschwierigkeit bei Suchtkranken ist – selbst wenn sie konstruktiv mitarbeiten, sind sie am Ende oft schlichtweg nicht in der Verfassung, die erzielten Vereinbarungen einzuhalten.
Mein Fall ist dennoch gut ausgegangen: Die Mutter hat beim Jugendamt Hilfe beantragt und einen erfahrenen Sozialarbeiter gefunden. Die Chemie zwischen ihm und ihrem Sohn hat sofort gestimmt. Dieser Mann wird ihren Sohn nun drei bis vier Stunden pro Woche betreuen und das für eineinhalb Jahre.
Obwohl also die in der Mediation vereinbarten Lösungen nicht eingehalten werden konnten, hat der junge Mann nun endlich Hilfe annehmen können, was zuvor in mehreren Fällen bereits gescheitert war. So hatte die Sache doch indirekt Erfolg, und die beiden können ihren Elch jetzt hoffentlich bald loswerden.
Allerdings denke ich, dass man nicht zu hohe Erwartungen an eine Mediation stellen sollte, wenn Suchterkrankungen im Spiel sind. An meinem Beispiel sieht man – möglich ist sie, aber es kann dann alles anders laufen als man denkt…
Herzliche Grüße,
Anne-Barbara Kern