Das Justizprojekt „Integrierte Mediation in Familiensachen im Bezirk des OLG Koblenz“ wurde seinerzeit u.a. von Prof. Dr. Josef Neuert evaluiert. Das Gutachten wurde im März 2010 vorgelegt. Es wurde auf dem Kongress „Mediation richten“ vorgestellt. Es umfasst mehr als 600 Seiten. Das Ergebnis ist überzeugend. Es bestätigt, dass der Einsatz des Konfliktregelungskonzepts „Integrierte Mediation“ die sozialpsychologische und ökonomische Effizienz von Gerichtsverfahren in Familienangelegenheiten sowohl in prozessualer als auch in ergebnisbezogener Hinsicht im Vergleich zu den „klassischen Verfahren“ erhöht. Hier zitieren wir die Zusammenfassung des Gutachtens.
Hier der Originaltext: Sozio-ökonomische Analyse der „Integrierten Mediation“ als Konfliktregelungskonzept
Hier die Zusammenfassung:
Zusammenfassende Übersicht zu den Evaluationsergebnissen des Justizprojekts „Integrierte Mediation“
Die Ergebnisse des Justizprojekts „Integrierte Mediation“ bzw. der zugrundeliegenden realtheoretischen, modelltheoretischen und empirischen Analysen werden im Folgenden unter den Aspekten Theoriekonstrukt, Modellentwicklung, Hypothesengenerierung und Hypothesenoperationalisierung, empirisches Design und empirische Befunde nochmals summarisch zusammengefasst und erläutert.
Zielsetzung hierbei ist es, in komprimierter und informativer Form Ausgangsbedingungen, Untersuchungsobjekt, theoretische Basis, wissenschaftstheoretische Grundausrichtung und Methodik sowie die Bestimmungsfaktoren der Modellanwendung und der Modelleffizienz als auch Restriktionen und Limitationen der vorliegenden wissenschaftlichen Untersuchung und wissenschaftlichen Evaluation komprimiert zu verdeutlichen.
I. Zu den Zielen des Justizprojekts „Integrierte Mediation“
Das Justizprojekt „Integrierte Mediation in Familiensachen“ wurde im Jahr 2004 im Bereich des Oberlandesgerichts Koblenz gestartet. Es ging aus den Vorläuferprojekten „Cochemer Arbeitskreis Trennung und Scheidung“ und „Altenkirchener Modell“ hervor, die darauf abzielten, durch Einsatz mediativer und kommunikativer Elemente in Gerichtsverfahren interessengerichtete Ziele durch die Beachtung kooperativer, auf Konsens ausgerichteter Verhaltensweisen mit einem vertretbaren Aufwand zu realisieren.
Das Justizprojekt „Integrierte Mediation“ verfolgte zunächst zwei primäre Metazielsetzungen, nämlich
- die nachhaltige Steigerung der Zufriedenheit aller Prozessbeteiligten -Parteien, Parteienvertreter, Richter und sonstige Professionen (z. B. Gutachter, Jugendämter, etc.) und
- die nachhaltige Verbesserung des Kosten-Nutzen-Verhältnisses als ökonomische Komponente in Familiengerichtsverfahren im Sinne einer potentiellen Reduktion des Aufwandes bzw. einer signifikanten Steigerung der Effizienz für alle Prozessbeteiligten.
Die Umsetzung des Justizprojekts erfolgte in drei Phasen: Die Vorbereitungsphase, insbesondere die Modellentwicklung und Modellverfeinerung als Vorbereitungsstadium, erfolgte bereits in der Zeit von 2000 bis 2004.
Die Ausbildungsphase, also die intensive Schulung der am Projekt beteiligten Richterinnen und Richter durch Seminare, Workshops, Rollenübungen, etc. geschah in den Jahren 2004 und 2005.
Die abschließende Evaluierungsphase, also die wissenschaftliche Effizienzanalyse auf der Basis empirischer Feldstudien realer Gerichtsfälle schließlich wurde in den Jahren 2006 bis 2009 durchgeführt.
Im Detail sollte die wissenschaftliche Evaluation insbesondere folgende Forschungsfragen beantworten:
- Messbare Reduktion von Folgeverfahren in Familienstreitigkeiten;
- messbare Arbeitserleichterung durch Ressourcenschonung bei Richtern und Gerichten;
- messbare Arbeitserleichterung durch Einbeziehung „fremder“ Ressourcen (Stichwort: „Auslagerung der Seelsorge“), sowie der arbeitsteiligen Übernahme von Verantwortung durch Einbeziehung interdisziplinären Wissens;
- messbare Zunahme der Zufriedenheit aller Beteiligten durch effiziente Verfahrensergebnisse;
- fundierte Wertschätzung der Arbeit aller am Verfahren beteiligten Professionen durch gesteigerte Kooperationsbereitschaft in Folge einer interprofessionellen Vernetzung und Arbeitsteilung;
- verbessertes „Qualitätsmanagement“ durch Erhebung eines aussagefähigen „empirischen“ Feedbacks aller Beteiligten im Verfahren sowie
- verbessertes Streitklima durch die Errichtung konstruktiver Streitsysteme.
Zielsetzung dieser wissenschaftlichen Analyse und Evaluation war es insbesondere, zum einen die Verfahrenskonstrukte des klassischen Prozesses in der Handhabung von Familiensachen und deren wahrgenommene Prozess-und Resultatsmängel dem Modell der „Integrierten Mediation“ in Familienstreitigkeiten gegenüber zu stellen und letztendlich empirisch abgesicherte Prozess-, Resultats-und Effizienzunterschiede – sofern sie denn zu Tage traten – darzustellen und zu interpretieren.
II. Zu den real-und modelltheoretischen Ausgangsbedingungen der Untersuchung
Das Forschungsprojekt „Wissenschaftliche Evaluation des Justizprojekts ‚Integrierte Mediation‘“ beruht auf der Zielsetzung, das Modellkonstrukt „Integrierte Mediation“ als gerichtliches Konfliktregelungskonzept einer wissenschaftlichen Effizienzanalyse in mehrdimensionaler Hinsicht zu unterziehen, also dessen „sozialpsychologische Effizienz“ und „ökonomische Effizienz“ im Vergleich zu den klassischen Gerichtsprozeduren empirisch zu untersuchen und anzuwenden.
Aus diesem wissenschaftlichen Grundauftrag der Studie ergab sich schlüssig die zielführende Bestimmung des wissenschaftlichen Untersuchungsobjekts.
Als generelles Untersuchungsobjekt wurde das Phänomen der „Konfliktsteuerung und Konfliktregelung“ als gesellschaftlich-politische, juristische und ökonomische Aufgabe identifiziert.
Hierzu wurde zunächst eine ausführliche „State of the Art“-Analyse der Konfliktforschung im theoretischen und empirischen Kontext durchgeführt.
In diesem Kontext wurde zunächst eruiert, inwieweit Konflikte als „Spannungssituationen, in denen zwei oder mehrere Parteien, die grundsätzlich voneinander unabhängig sind, mit Nachdruck versuchen, scheinbare oder tatsächlich unvereinbare Handlungspläne zu verwirklichen und sich dabei ihrer Gegnerschaft bewusst sind“688 empirisch, d. h. in der realen Welt beobachtbar, nachvollziehbar und darstellbar sind. Dies geschah durch sekundär-statistische Aufarbeitungen der Statistiken des Bundesamtes Justiz unter besonderer Bezugnahme auf die Anzahl und die Entwicklung der Gerichtsfälle in Zivilsachen und insbesondere in Familienstreitigkeiten, die den Fokus des Justizprojekts „Integrierte Mediation“ bildeten. Diese sekundär-empirische Analyse erfolgte komparativ sowohl für Deutschland als auch für Österreich und weitere Länder.
In einem zweiten Schritt wurden die Grundlagen der Konflikt-und Konfliktregelungstheorie in der wissenschaftlichen Literatur referiert und auf ihre „Tragfähigkeit“ als analytische Basis einer wissenschaftlichen Studie hin überprüft. Im Einzelnen wurde dabei explizit auf die konflikttheoretischen Arbeiten von Dahrendorf, Rüttinger, Jost, Glasl, Boulding, Schelling und Bonacker Bezug genommen. Dies erfolgte in Form einer wissenschaftstheoretischen und disziplintheoretischen Synopse, in der speziell die gesellschaftliche, soziale und ökonomische Komponente des Konfliktphänomens im Vordergrund stand. Insbesondere wurden Konflikttheorien dabei hinsichtlich der „Ordnung der Realität und Formulierung allgemeiner Aussagen, der Entstehung und Entwicklung von Konflikten und Konfliktmitteln, der Prognose über zukünftiges Konfliktgeschehen und die Entwicklung von Konfliktkonstellationen, der Unterscheidung zwischen gefährlichen und ‚normalen‘ Konflikten und der Erkenntnisgewinnung der Möglichkeiten zur Konfliktregelung und Konflikttransformation“ untersucht.689
Diese konflikttheoretische Synopse wurde sodann als Basisinstrumentarium zur Präzisierung des Untersuchungsobjekts „Integrierte Mediation als Konfliktregelungskonzept“ auf die wissenschaftliche Evaluationsaufgabe transferiert. Von besonderem Interesse waren dabei die Ansätze und Ergebnisse der empirischen Konfliktforschung. Diese dienten als modelltheoretische Ansatzpunkte zur Entwicklung des Evaluationskonzepts und der Evaluationsinstrumentarien.
Ausgehend von der wissenschaftlichen Spieltheorie als einer Disziplin, „die sich mit strategischem Handeln in Situationen beschäftigt, in denen mehrere Parteien miteinander interagieren“690, wurden praktisch handhabbare Analysebatterien für die effizienzorientierte Begutachtung des Konfliktregelungskonzepts „Integrierte Mediation“ im Vergleich zu dem Konfliktregelungskonzept „klassische Gerichtsverfahren“ entwickelt und erprobt.
Daraus abgeleitet wurden summarisch und aus Gründen einer erhöhten Präzision und sachlichen Klarstellung des „State of the Art“ der Konfliktforschung, konflikttheoretische und konfliktmanagementbezogene Ansätze in die drei Kategorien juristischer Bereich, gesellschaftlich-politischer Bereich und ökonomischer Bereich differenziert.
Der juristische Analysebereich der Konflikttheorie und des Konfliktmanagements umfasst dabei alle Fälle, die letztendlich von Richtern oder anderen autorisierten Instanzen an Gerichten oder gerichtsähnlichen Einrichtungen entschieden werden, denen die hierzu nötige „Rechtskraft“ entweder per Gesetz oder durch einschlägige „Konstitutionen“ und/oder „Institutionen“ erteilt wurde. Diese Art von „Institutionen“ kann als „Konfliktmanagement-Autoritäten“ bezeichnet werden, basierend auf ihrer ihnen öffentlich oder „per Staatsmacht“ zugeordneten Kompetenz, über kollidierende Interessen (z. B. im Vertragsrecht als privater Rechtsbereich, im öffentlichen Rechtsbereich bis hin zum Strafrecht) zu befinden.
Als summarische Schlussfolgerung konnte festgestellt werden, dass die folgenden Elemente eine herausragende Rolle in der Theorie und in der empirischen Praxis des Konfliktmanagements spielen:
- Transparente Interessen und Zielsetzungen,
- Legitimität von Forderungen und Interessen,
- sach-und lösungstaugliche rechtliche Regelungen und
- Legitimität von Machtinstanzen.
Eine weitere Präzisierung des Untersuchungsobjekts erfolgte durch die Konzentration der Forschungsfrage auf das Konzept der Mediation als spezielles Modell der Konfliktsteuerung und Konfliktregelung.
Aufbauend auf den modernen Konflikttheorien und Konflikthandhabungstheorien von Dahrendorf, Duss-von Werdt und Dorow werden Systematisierungen von Konfliktsituationen, von Konfliktkategorien und von Zielsetzungen in Konfliktregelungsprozessen erarbeitet, mit der besonderen Zielsetzung der Typisierung von Konflikten und potentieller Lösungs-und Handhabungsmöglichkeiten, z. B. nach Blake/ Shepard/Mouton691. Darauf aufbauend werden zunächst Konflikthandhabungsformen auf der Basis der Einbeziehung sog. „Drittparteien“, wie z. B. Schlichtung, Vermittlung und eben Mediation thematisiert und präzisiert.
Dabei werden die Phänomene Schlichtung, Vermittlung und Mediation abgegrenzt bzw. – wo sachdienlich – integriert.
Letztendlich mündet dieser wissenschaftliche Präzisierungsprozess in der Formulierung einer „Arbeitsdefinition“ für Mediation, aufbauend auf den Hauptmerkmalen
- strukturiertes Verfahren,
- involvierte „dritte“ Person,
- Konzentration auf die Interessen der Konfliktparteien und
- Idealziel der Herbeiführung einer Win-Win-Lösung.
Diese Arbeitsdefinition wird erweitert durch die definitorische Grundlage bei Arthur Trossen, der eine „reine Mediation“ als Prozedur bezeichnet, in der eine dritte, neutrale Person (ohne Entscheidungskompetenz) die Parteien dabei unterstützt, eine eigene Lösung anzustreben, mit der sie den Konflikt selbst regulieren können.
Darauf aufbauend werden grundlegende Theorien und Modelle der Mediation dargestellt und diskutiert, unter besonderer Bezugnahme auf die „Geschichte der Mediation“, die in ihren Anfängen bereits in das vorchristliche Athen der Polis zurückreicht und den Bogen spannt bis zur Gründung des Deutschen Forums für Mediation im Jahr 2009.
In einem weiteren analytischen Schritt werden die theoretischen Grundsätze und exemplarischen Einsatzfelder der Mediation skizziert. Aufbauend auf einer Synopse zum „State of the Art“ der einschlägigen Publikationen entsteht auf diese Weise ein „modelltheoretisches Gerüst“ der Konstruktion von Mediation als „Alternative Dispute Resolution (ADR)“ sowie potentieller formaler und substanzieller Ausgestaltungsmöglichkeiten und exemplarischer Einsatzfelder mediativer Konfliktregelungsprozesse.
Insbesondere werden hierbei die Dimensionen „Gestaltung eines Mediationsprozesses“ und „Aufgaben und Person des Mediators“ thematisiert und einer wissenschaftlichen Analyse unterzogen.
Ergänzend dazu wird eine Synopse exemplarischer empirischer Befunde zur Mediation als Konfliktsteuerungs-und Konfliktregelungskonzept erarbeitet. In diesem Kontext werden insgesamt acht empirische Studien analysiert, die sich mit den deskriptiven, explikativen und praxeologischen Komponenten der Mediation in verschiedenen Einsatzbereichen, so z. B. in der Wirtschaft, in politischen Prozessen, in gesellschaftlichen Prozessen sowie in gerichtlichen und außergerichtlichen Streitverfahren befassen. Hinzu kommt ein internationaler Vergleich der Bedeutung und der „rechtlichen oder außerrechtlichen“ Verankerung des Instruments Mediation in verschiedenen Ländern. Hierbei wurde festgestellt, dass Mediation in ihren vielfältigen Dimensionen (Wirtschaftsmediation, politische Mediation, Alltagsmediation, außergerichtliche und gerichtliche Mediation) in anderen Ländern, so z. B. in Großbritannien, in Frankreich, in Skandinavien und in Österreich, wesentlich nachhaltiger „implantiert“ und akzeptiert zu sein scheint, als das bis dato in Deutschland der Fall ist.
Hierzu werden entsprechende empirische Untersuchungen zitiert, die sich auch mit intendierten und tatsächlichen Effizienzwirkungen der Mediation als Konfliktregelungskonzept befassen.
Daraus ergibt sich grosso modo der wissenschaftliche und praxeologische Tenor, dass die Mediation als Konfliktsteuerungskonzept tendenziell sehr nachhaltig im Interessenempfinden aller involvierten und beteiligten Parteien zu akzeptanteren und haltbareren Konfliktlösungen führt als „tendenziell“ konfrontative Konfliktregelungskonzepte, die letztendlich durch Machtkompetenzen oder „unreflektierte“ Drittparteienurteile entschieden werden.
III. Zu den real-und modelltheoretischen Aufgabenstellungen
Das Justizprojekt „Integrierte Mediation“ am Oberlandesgericht Koblenz stellt einen Spezialfall eines Mediationsverfahrens und eines Mediationsmodells dar. Es handelt sich hierbei um eine gerichtsinterne Mediation durch „Vermittlung“ des erkennenden Richters.
Die „Integrierte Mediation“ als spezifisches Konfliktregelungskonzept in gerichtlichen Familienangelegenheiten versteht sich als Synthese aus der These, nach der sich „die Mediation als Alternativangebot versteht“, im Gegensatz zu den konventionellen Methoden und Verfahren. Die korrespondierende Antithese hierzu ist in dem Konzept einer reinen Mediation zu sehen, die gerichtsextern und ohne Entscheidungskompetenz des Mediators (erkennenden Richters) abläuft.
In diesem Sinne bezeichnet die „Integrierte Mediation“ ein übergeordnetes Konfliktmanagement, das unter bedürfnisgerechter Anwendung mediativer Elemente und durch Kombination verschiedener Konfliktlösungsverfahren und –methoden das strategische Ziel einer Konfliktlösung verfolgt, auf dessen Herbeiführung sich alle Konflikt-und Verfahrensbeteiligten verständigt haben (Arthur Trossen).
Das Justizprojekt „Integrierte Mediation in Familienangelegenheiten“ stellt somit einen speziellen Anwendungsfall der „Mediation“ als „öffentliche Dienstleistung“ dar.
Die vorliegende Projektstudie versucht, die Aufgabe zu erfüllen, eine ganzheitliche „sozio-ökonomische Effizienzanalyse“ des Justizprojekts „Integrierte Mediation“ durchzuführen. Diese Evaluierung bezieht sich materiell auf die folgenden zentralen Elemente:
- Die erste Anforderung will die Zufriedenheit aller Prozessbeteiligten (Parteien, Parteienvertreter, Richter und sonstige Professionen) erhöhen.
- Die zweite Anforderung will die Reduktion des Arbeits-und Kostenvolumens (in materieller und immaterieller Hinsicht) für alle Prozessbeteiligten und die Gesellschaft signifikant erreichen. Dies geht nach Möglichkeit einher mit der Verringerung der Zahl anhänglicher Verfahren.
Das Effizienzpostulat der vorliegenden Projektstudie lautet summarisch also folgendermaßen:
- „Besseres Ergebnis (Zufriedenheit) bei geringerem (Kosten-) Aufwand.“
Generaliter bezieht sich die Evaluationsaufgabe des Justizprojekts „Integrierte Mediation“ auf die Entwicklung eines wissenschaftlich fundierten theoretischanalytischen Variablenkomplexes, der involvierte Ursache-Wirkungs-Beziehungen im Verfahren und im Modell der „Integrierten Mediation“ ermittelt und auf ihre empirische „Robustheit“ hin überprüft, immer im Vergleich zur „Effizienz“ klassischer Gerichtsverfahren.
Hieraus ergeben sich folgerichtig auch die beiden Effizienzdimensionen der Evaluation des Justizprojekts „Integrierte Mediation“ im Vergleich zu klassischen Verfahren, nämlich die „sozialpsychologische“ Effizienzdimension und die „ökonomische“ Effizienzdimension.
Daraus abgeleitet ergeben sich die dem Evaluationsauftrag zugrunde liegenden folgenden Fragenkomplexe:
- Führt die Einbeziehung von Mediation und/oder mediativen Gesprächstechniken zu einer höheren Zufriedenheit aller an einem familiengerichtlichen Verfahren Beteiligten?
- Führt die Einbeziehung von Mediation und/oder mediativen Gesprächstechniken aufgrund der größeren Gestaltungsmöglichkeiten und höherer Mitverantwortung der Konfliktparteien zu einer höheren Akzeptanz der selbst gefundenen Lösungen im Vergleich zu einer gerichtlichen Entscheidung oder dem Abschluss eines herkömmlichen Verfahrens?
- Lässt sich ein Wandel der Streitschlichtungskultur durch die Einbindung von Mediation in ein gerichtliches Verfahren beobachten, weil aufgrund positiver Erfahrungen bei der Wiederaufnahme der Kommunikation zwischen den Konfliktparteien auch bei neuen Streitpunkten eigenverantwortliche Konfliktlösungen gesucht werden?
- Werden durch die umfassende Konfliktaufarbeitung bei Einbindung von Mediation in ein gerichtliches Verfahren Folgekonflikte und nachfolgende gerichtliche Streitverfahren (Rechtsmittelverfahren oder Abänderungsverfahren) vermieden.
- Führt die Einbeziehung von Mediation und/oder mediativen Gesprächstechniken zu einer Verringerung der Arbeitsbelastung bei den Familiengerichten?
- Führt die Einbeziehung von Mediation und/oder mediativen Gesprächstechniken in ein familiengerichtliches Verfahren zu einer Kostenersparnis für die Justiz und für die streitenden Parteien gegenüber einem in herkömmlicher Weise geführten familiengerichtlichen Verfahren bzw. Prozess?
- Wie ist die Akzeptanz für die Einbeziehung von Mediation und mediativer Gesprächstechniken in ein familiengerichtliches Verfahren in der Richterschaft, bei Anwälten und externen Mediatoren?
- Welche Bedeutung haben die Arbeitskreise „Trennung und Scheidung“ sowie die Vernetzung der Professionen für das Justizprojekt?
- Lassen sich Auswirkungen volkswirtschaftlicher Art etwa dahingehend feststellen, dass Parteien aus gescheiterten Beziehungen bei selbst mitgestalteten umfassenden Konfliktlösungen weniger an psychosomatischen Krankheiten leiden und deshalb dem Arbeitsmarkt eher zur Verfügung stehen?
- Lohnt es, Richterinnen/Richter in der Anwendung anderer Verhandlungstechniken zu schulen und das Angebot der Justiz zu erweitern, indem neben der bisher gesetzlich geregelten Verfahrensführung „Beendigung durch Entscheidung oder Vergleich“ von der Justiz auch ein weiteres auf Konfliktlösung ausgerichtetes Verfahren unter eigenverantwortlicher Mitarbeit der Parteien angeboten wird?
Im Zuge der real-und modelltheoretischen Analyse basiert die Evaluation des Justizprojekts „Integrierte Mediation“ auf den folgenden zentralen methodologischen bzw. wissenschaftstheoretischen und forschungsmethodischen Aspekten:
- Welche Ursache-Wirkungs-Beziehungen im Hinblick auf die Effizienz der Gestaltung des Wertschöpfungsprozesses „Rechtsprechung“ lassen sich in sozialpsychologischer und in ökonomischer Hinsicht feststellen?
- Gibt es Effizienzdifferenzen zwischen den Verfahren nach dem Konfliktregelungskonzept „Integrierte Mediation“ komparativ zu den klassischen Verfahren?
- Welche Handlungsempfehlungen lassen sich aus den gewonnenen sozioökonomischen Forschungsergebnissen hinsichtlich der Effizienzen bzw. Effizienzdifferenzen beider Konfliktregelungskonzepte ableiten?
Als grundlegende Forschungsmethodik zur Projektevaluation „Integrierte Mediation in Familiensachen“ kam hierbei das wissenschaftstheoretische Programm der „Aktionsforschung“ zum Einsatz. Das Konzept der Aktionsforschung zeichnet sich dadurch aus, dass es inhaltlich so realitätsbezogen wie möglich betrachtete „Vorgänge“ „simuliert“ und durch die Abwicklung alternativer Problemlösungsszenarien optimale bzw. suboptimale Ergebnisse sowohl in substanzieller als auch in methodischer Hinsicht erzielen will. Die Aktionsforschung bindet Forscher und Anwender in nahezu kongruenter Weise in die Konzeptionsmassnahmen und deren Umsetzung zur Lösung eines realen Problems ein und sorgt somit für größtmögliche Feedbacks und konstruktiv-kritische Reflexionen.
Im Justizprojekt „Integrierte Mediation“, im Vergleich zu den klassischen Verfahren, bietet sich ein hervorragendes „Klinikum“ für die Durchführung anwendungsorientierter Forschungsarbeiten nach dem Programm der Aktionsforschung, in dem die Streitparteien, Richter, Mediatioren und Drittinvolvierte in die Erarbeitung und Überprüfung von Theorien und Hypothesengebäuden eingebunden wurden, ergänzt um die empirische Feldstudie realer Gerichtsfälle, sowohl in der Projektgruppe „Integrierte Mediation“ als auch in der Referenzgruppe „klassische Verfahren“.
Aufbauend auf diesem realwissenschaftlichen und modelltheoretischen Grundverständnis wird der explikative (erklärende) Kontext der wissenschaftlichen Evaluation durch die Konstruktion einer „Realtheorie der Integrierten Mediation“ komplettiert. Zielsetzung hierbei ist es zum einen, das „theoretische Feld“ der „Integrierten Mediation“ in Form von Ursache-Wirkungs-Aussagen und Hypothesen zu skizzieren und zu präzisieren und auf dieser Basis die Grundlage für eine empirische Überprüfung der Realtheorie der „Integrierten Mediation“ mit besonderem Fokus auf deren Effizienz im Vergleich zu klassischen Konfliktregelungskonzepten in Gerichtsverfahren herbeizuführen.
Hierzu wurde zunächst eine Synopse exemplarischer Mediationsansätze im Bereich von Gerichtsverfahren auch unter Heranziehung verschiedener Länder erstellt (klassifiziert in außergerichtliche bzw. reine Mediation, gerichtsnahe Mediation, gerichtsinterne Mediation und Spezialfall „Integrierte Mediation“). In ganz besonderer Weise wurde dabei der status quo der (öffentlichen, halböffentlichen und privaten) Mediationskonzepte in der Republik Österreich und in der Bundesrepublik Deutschland als exemplarische Übersicht diverser Projekte und Modellversuche herangezogen. Auf diese Weise wurde eine „induktive empirische Basis“ erarbeitet als theoriegeleitete Induktion zur Formulierung der zentralen theoretischen bzw. hypothetischen Grundaussagen im Realmodell „Integrierte Mediation“ (im Vergleich zu klassischen Prozeduren). Diese empirische Synopse bezog sich sowohl auf gerichtliche als auch außergerichtliche Konzepte und Prozeduren der Mediation, mit besonderem Fokus auf einer Übersicht praktizierter bzw. intendierter Mediationsverfahren zur Lösung von Rechtsstreitigkeiten.
Dies geschah insbesondere durch Erstellung einer Übersicht exemplarischer Mediationsansätze in den verschiedenen Bundesländern der Bundesrepublik Deutschland.
Darauf aufbauend wird letztendlich der Ansatz der „Integrierten Mediation“ als „Koblenzer Modell“ wissenschaftstheoretisch und modelltheoretisch skizziert.
Hierbei wurde dezidiert auf die „Vorläufermodelle“ der „Cochemer Praxis“ und des „Altenkirchener Modells“ der Mediation in Gerichtsstreitigkeiten eingegangen. In die Formulierung des realtheoretischen Modellkonstrukts „Integrierte Mediation“ fließen spieltheoretische, verhandlungstheoretische und konflikttheoretische bzw. konfliktmanagementorientierte wissenschaftliche Bausteine ein. Dabei werden insbesondere die wissenschaftstheoretischen Elemente Konfliktgegenstand, Akteure im Handlungsprozess, Interessen und Zielsetzungen, prozedurale und inhaltliche Konfliktmanagementverfahren sowie -konzepte zur Ergebnisevaluation „verarbeitet“.
Aus diesen wissenschaftstheoretischen, modelltheoretischen und disziplinären Elementen der „Sozialpsychologie“ und der „Ökonomik“692 entwickelt sich sodann die Modellkonstruktion der „Integrierten Mediation“.
Der Konzeption des Modellrahmens „Integrierte Mediation“ wird dabei folgende Begriffsexplikation zugrunde gelegt:
„Bei der ‚Integrierten Mediation‘ handelt es sich um ein übergeordnetes Konfliktmanagement, das unter bedürfnisgerechter Anwendung mediative Elemente ggf. nach Kombination verschiedener Konfliktlösungsverfahren und –methoden das strategische Ziel einer Konfliktlösung verfolgt, auf dessen Herbeiführung sich alle Konflikt-und Verfahrensbeteiligten verständigt haben.“ (Arthur Trossen).
Der Modellrahmen der „Integrierten Mediation“ zielt darauf ab, das gesamte Wissen und die gesamte Kompetenz der reinen Mediation um die sog. „Migrationskompetenz“ in Mediationsverfahren zu ergänzen. Unter Migrationskompetenz versteht Trossen dabei das „Hin-und Her-Changieren“ zwischen dem „konfrontativen Verfahren (Gerichtsentscheid)“ und dem „kooperativen Verfahren (reine Mediation)“, was sich in der folgenden Kompetenzformel der „Integrierten Mediation“ darstellen lässt:
Konventionelle Kompetenz (Gerichtsverfahrenskompetenz, Richterkompetenz)
+ Kompetenz der Mediation
+ Migrationskompetenz
= Integrierte Mediationskompetenz
Zur Vervollständigung des Realmodells der Konfliktregelung „Integrierte Mediation“ werden anschließend die Modellelemente präzisiert. Realiter fußt somit das ganzheitliche Konzept der „Integrierten Mediation“ auf folgenden Elementenbündeln:
- Prinzipien der Mediation: Anforderungen an die Parteien; Anforderungen an das Verfahren; Anforderungen an den Mediator.Intention der Mediation: Verstehenwollen und Verstehenkönnen; das Verstandene vermitteln; das Vermittelte verhandelbar machen.Strukturen/Phasen der Mediation: Abschluss des Mediationsvertrages; Bestandsaufnahme des Streitfalls; Interessenfindung; Konfliktlösungsoptionen aufzeigen; Ergebnisdarstellung und Ergebnisevaluation.
Die Elemente des Modells „Integrierte Mediation“ stellen sich somit als „hybrides Konstrukt“ dar, das einerseits auf der Plattform der gesetzlichen Regelung eines (Zivil-) Streitverfahrens basiert und zum anderen in dieses die Integrierten Mediationskompetenzen „implantiert“. Dieses Elementarnetzwerk lässt sich folgendermaßen darstellen:
In diesem Kontext wird deutlich, dass sich die Effizienzkriterien, d. h. die Instrumentarien zur Beurteilung ddes Erfolges Integrierter Mediationsverfahren am „Output“ einer sozialpsychologisch und ökonomisch nachhaltigen Konfliktregelung messen lassen (als abhängigen Variablen), jedoch in entscheidendem Maße e von den Input-Variablen (Umfeld, Strukturen und Personen bzw. persönliches Verhalten) abhängig sind.
IV. Prozessdarstellung des Justizprojekts „Integrierte Mediation“
Neben den Generalziele en, die Zufriedenheit aller Prozessbeteiligte en nachhaltig zu erhöhen, sowie die Arbeitsintensität und die/den Kosten (-aufwand)für alle Prozessbeteiligten und die Gesellschaft nachhaltig zu reduzieren, konzentriert sich das Justizprojekt „Integrierte M Mediation“ spezifisch auf die weiteren folge enden Detailzielsetzungen:
- Reduktion von Folgesachen in Familienstreitigkeiten;
- Bewusster Umgang mit den Ressourcen der Richter und der Gerichte;
- problemoptimale Einbeziehung von Drittressourcen und interdisziplinären Wissens;
- signifikante Zunahme von Zufriedenheit und Akzeptanz der Konfliktlösung durch Nachhaltigkeit der Ergebnisse;
- fundierte Wertschätzung des Inputs aller am Familienverfahren beteiligten Professionen;
- verbessertes Qualitätsmanagement des öffentlichen Gutes „Rechtsprechung und Rechtspflege“.
Die Umsetzung des Justizprojekts „Integrierte Mediation“ erfolgte in vier Phasen:
- Vorbereitungsphase bzw. theoretisch-analytische Projektfundierung (2000 bis 2004);
- Ausbildungsphase der Projektrichterinnen und –richter „Integrierte Mediation“ (März 2004 bis Juli 2005);
- Evaluierungsphase (ab Juli 2005 Vorbereitung der Evaluierung, ab 2006 bis 2009 wissenschaftliche Analyse und empirische Feldstudie);
- Ergebnispräsentation und Ergebnisreflexion (ab Ende 2009).
Die Projektevaluation erfolgte zum einen bereits „projektgruppenintern“ durch eine Zwischenbewertung im Zuge der Ausbildungsphase der beteiligten Richterinnen und Richter am Justizprojekt „Integrierte Mediation“ und zum zweiten durch die wissenschaftliche Evaluierung auf der Basis der komparativen Feldstudie Projektgruppe/Referenzgruppe anhand realer Gerichtsfälle.
Die wissenschaftliche Evaluierung des Justizprojekts „Integrierte Mediation“ im Vergleich zu klassischen Verfahren wurde außerdem begleitet durch eine theoretisch-analytische und empirische Entwicklung der „ethischen“ Grundlagen des Konfliktregelungsmodells der „Integrierten Mediation“, bezugnehmend auf den „konstitutionellen“ Grundwert „Logik der Menschenwürde“.
V. Zu den zentralen Evaluationsaufgaben und zur Entwicklung wissenschaftlicher Ursache-Wirkungs-Hypothesen
Unter Bezugnahme auf die umfangreichen theoretisch-analytischen, synoptischen, methodologischen und methodischen Basisarbeiten umfasst die wissenschaftliche Evaluation des Justizprojekts „Integrierte Mediation“ in ihren zentralen Bereichen die Effizienzbewertung des Modellkonstrukts „Integrierte Mediation“ als Konfliktregelungskonzept sowohl aus sozial-psychologischer, individual-psychologischer, gesellschaftlich-politischer sowie mikro-und makro-ökonomischer Hinsicht – im Vergleich zum Konfliktregelungskonzept „klassisches Gerichtsverfahren“, um „eine objektive und zuverlässige Aussage über den Nutzen des Justizprojekts für ein justizielles Verfahren treffen und als Grundlage für künftige Planungen dienen zu können.“693
Die Erfüllung dieser zentralen Evaluationsaufgabe erfolgt im Kontext der forschungstheoretischen und realwissenschaftlich fundierten Aufarbeitung der Problematik in den folgenden Schritten:
- Identifikation der zentralen Forschungsfrage;
- Entwicklung eines theoretisch-analytisch fundierten Ursache-Wirkungs-Beziehungsmodells im Sinne einer Kausalanalyse durch Erstellung eines Katalogs an Arbeitshypothesen;
- Indikatorisierung, Operationalisierung und Metrisierung der abhängigen und unabhängigen, endogenen und exogenen, latenten und manifesten Variablen und deren Beziehungen als Voraussetzung für die empirische Probation, also die Überprüfung des Ursache-Wirkungs-Kataloges an der Realität;
- Entwicklung, Erprobung und Einsatz eines zielführenden empirischen Erhebungsdesigns im Zuge einer komparativen empirischen Feldstudie Projektgruppe/Referenzgruppe;
- Konzeptualisierung und Festlegung des statistischen Auswertungs-und Interpretationsdesigns der gewonnenen Erhebungsdaten;
- Extraktion haltbarer bzw. substantiierter und negierter Hypothesen sowie
- summarisches Ergebnisfazit.
Als grundlegende wissenschaftliche Methodik der Projektdurchführung kam auf der Metaebene der Aktionsforschungsansatz nach Kurt Lewin und auf der „Substanzebene“ das Quasi-Feldexperiment auf der Basis realer Gerichtsfälle im Vergleich Projektgruppe „Integrierte Mediation“ und Referenzgruppe „klassische Verfahren“ zum Einsatz.
Charakteristikum der Aktionsforschung in diesem Sinne waren im Zuge der Projektevaluation insbesondere die folgenden forschungsleitenden Elemente:
- Der (empirisch arbeitende) Forscher (wissenschaftliche Gutachter) begibt sich in das Untersuchungsfeld, um dieses zusammen mit den betreffenden tatsächlich handelnden Akteuren zu analysieren und zu verbessern.
- Bezogen auf das Justizprojekt „Integrierte Mediation“ heißt das, dass der wissenschaftliche Begutachter zusammen mit den teilnehmenden Richtern und dem Projektteam an der Implementation der Modellkonstruktion in der Realität und dessen empirischer Überprüfung mitwirkt.
- Der Forscher nimmt somit nicht die Rolle des distanzierten Beobachters ein, sondern des aktiv am Evaluationsprozess beteiligten Projektpartizipanten.
- Der Projektablauf ist durch wiederholte Rückkopplung von (Zwischen-) Ergebnissen an die Teilnehmer gekennzeichnet.
- Das Untersuchungsfeld ist gekennzeichnet durch im Fokus der Forschung stehende Handlungen und Sachverhalte im realen Handlungsfeld (gerichtliche Streitbeilegung).
- Die Primäraufgabe dieses wissenschaftlichen Aktionsforschungsprozesses war jedoch die Erstellung eines sog. „Outcomes Assessment“ auf der Basis einer komparativen Feldstudie anhand konkreter „Feldaktionen“, nämlich der in der Realität durchgeführten Gerichtsverfahren in Familiensachen, einmal unter der Anwendung des Modellkonzepts „Integrierte Mediation“ und zum zweiten – als Benchmark – im klassischen Verfahren.
In diesem Sinne ist das sog. Feldexperiment bzw. Quasi-Feldexperiment die adäquate empirische Methode.
Die empirische Dokumentation und Auswertung der realen Gerichtsfälle ist insofern als Quasi-Feldexperiment zu bezeichnen, da es sich dabei zum einen um eine empirische Beobachtung realer Vorgänge und Situationen (also im Feld) handelt, zum zweiten jedoch keine vollständige Kontrolle der Variablen durch die tatsächlichen Gegebenheiten möglich ist, da keine „experimentellen“ Eingriffe in die Gerichtsverfahren (logischerweise) möglich waren.
Empirische wissenschaftliche Forschung, also realtheoretische Forschung, ist gekennzeichnet durch das Bemühen um die Gewinnung sog. „faktischer Richtigkeiten“.
Faktische Richtigkeiten liegen vor, wenn Aussage (Hypothese) und realer Sachverhalt übereinstimmen.
Zentrales Anliegen der wissenschaftlichen Evaluation des Justizprojekts „Integrierte Mediation“ war und ist die Entwicklung eines empirisch gehaltvollen Hypothesenkomplexes zum Zusammenhang zwischen dem Modelleinsatz „Integrierte Mediation“ als unabhängige Variable und den Ergebnissen der Prozesse, die nach dem Integrierten Mediationsmodell durchgeführt wurden (als abhängige Variablen), im Vergleich zu den entsprechenden Ursache-Wirkungs-Beziehungen in „klassischen“ Gerichtsverfahren zu Familienstreitigkeiten.
In diesem Sinne wurde zur wissenschaftlichen Evaluation und Analyse des Justizprojekts „Integrierte Mediation“ ein kausalanalytisches Modell entwickelt, das die Abhängigkeitsbeziehungen zwischen den Variablen bzw. Variablenkomplexen verdeutlicht.
Hierbei wurde neben dem vermuteten Ursache-Wirkungs-Zusammenhang zwischen dem Modelleinsatz „Integrierte Mediation“ (im Vergleich zu den klassischen Verfahren) als unabhängiger Variablenkomplex und den daraus erwachsenden sozialpsychologischen und ökonomischen Effizienzwirkungen (als abhängiger Variablenkomplex) auch der wissenschaftlichen Vermutung Rechnung getragen, dass der Mediationsgrad bzw. die reale Intensität des Einsatzes mediativer Elemente sowohl in der Projektgruppe „Integrierte Mediation“ als auch in der Referenzgruppe „klassische Verfahren“ wiederum selbst von induzierenden, also in diesem Kontext unabhängigen, Variablen determiniert wird.
Auf dieser Basis entstand das folgende kausalanalytische Gesamt-Effizienzmodell:
VI. Zu den Bestimmungsfaktoren des Modellanwendungsgrades „Integrierte Mediation“ im Vergleich zum Intensitätsgrad des Einsatzes mediativer Elemente in klassischen Verfahren
Das zugrunde gelegte kausalanalytische Totalmodell postuliert, dass der Intensitätsgrad der Modellanwendung „Integrierte Mediation“ bzw. des Einsatzes mediativer Elemente in klassischen Verfahren abhängig ist von den Bestimmungsfaktoren „Konfrontationsgrad im Verfahren“, „realiter eingesetzte Mediationselemente“, „Ausbildungsintensität resp. Ausbildungsaufwand der (Integrierten) Mediatoren“ und „Nutzungsgrad der Mediationselemente (resp. Ausbildungserfolg)“.
Dieser Komplex an Variablenzusammenhängen begründet die folgende „induktive“ Ausgangshypothese:
Der Intensitätsgrad der Modellanwendung „Integrierte Mediation“ bzw. der Intensitätsgrad des Einsatzes mediativer Elemente in Gerichtsfällen nach dem Konfliktregelungskonzept „Integrierte Mediation“ im Vergleich zu den Gerichtsfällen nach dem Konzept „klassischer Verfahren“ ist abhängig von den induzierenden Variablen „Konfrontationsgrad zu Verfahrensbeginn und zu Verfahrensende“, „Eingesetzte Verfahrensmittel“, „Ausbildungsintensität der Mediatoren“ und „Nutzungsgrad mediativer Elemente in den Verfahren“.
Es handelt sich hierbei um den Komplex der sog. Verhaltens-Bestimmungsvariablen. Diese Verhaltens-Bestimmungsvariablen werden im Kontext der Kausalanalyse als unabhängige Variablen charakterisiert, da sie die Ausprägung derjenigen Größe determinieren, deren Wirkung in einem zweiten Schritt analysiert und getestet werden soll.
VII. Zu den Wirkungsvariablen der Modellanwendung „Integrierte Mediation“ im Vergleich zum „klassischen Verfahren“
Während im Modell der latenten exogenen (erklärenden) Variablen der Modellanwendungsgrad „Integrierte Mediation“ – im Vergleich der „Integrierten“ Projektverfahren zu den „klassischen“ Gerichtsverfahren – die abhängige, also beeinflusste, Variable darstellt, wird im zweiten Schritt – nämlich im Zuge des Strukturmodells der Variablenbeziehung – der Modellanwendungsgrad „Integrierte Mediation“ (resp. Einsatz mediativer Elemente in klassischen Verfahren) zum unabhängigen Variablenkomplex.
Wir greifen in diesem Zusammenhang auf die Ausgangshypothese der wissenschaftlichen Projektevaluation zurück, die folgendermaßen lautet:
Je höher der (Integrierte) Mediations-Modellanwendungsgrad, desto höher die (sozialpsychologische und ökonomische) Effizienz des Gerichtsverfahrens in Familienangelegenheiten.
Die unabhängige Variable in diesem Ursache-Wirkungs-Zusammenhang ist die Intensität bzw. der Anwendungsgrad der „Integrierten Mediation“ (im Vergleich zu den mediativen Elementen in klassischen Verfahren) in den empirisch beobachteten Gerichtsverfahren.
Als abhängige Variablen bzw. Effizienzdimensionen haben wir die
- sozialpsychologische Effizienzkomponente und die
- ökonomische Effizienzkomponente
formuliert.
Der sozialpsychologische Effizienzaspekt zielt dabei auf die ergebnisbezogenen „soft facts“, die sich primär in den Empfindungen, Gefühlen, (subjektiven) Einschätzungen und Erwartungen, also grundsätzlich in der Zufriedenheit und der Akzeptanz von Verfahren und Ergebnissen aus der Sicht aller Beteiligten ausdrücken, also grundsätzlich „psychologische“ Faktoren berühren, die jedoch in einem starken sozialen Umfeld, bedingt durch die mehrseitige Interdependenz der Verfahrensweisen, der Verfahrensergebnisse und der Verfahrensbeteiligten, entstehen.
Der „ökonomische Effizienzaspekt“ bezieht sich dagegen primär auf die „hard facts“ aus der Beurteilung der Verfahrensweisen und/oder Verfahrensergebnisse.
Als „klassischer“ Gegenstand der Wirtschaftswissenschaften (Ökonomik) gilt dabei der Aspekt des Verhältnisses bzw. des Umgangs mit Input-und Output-Größen, wie z. B. Kosten und Erlöse (Nutzen), Aufwendungen und Erträge, Vermögen und Kapitaleinsatz, also ganz generell „messbaren“ Effizienzdimensionen.
Als „sozialpsychologische Effizienzvariablen“ haben wir die folgenden Faktoren formuliert:
- Zufriedenheitsgrad der Verfahrensbeteiligten,
- Ergebnis-und Verfahrensakzeptanz bei den Verfahrensbeteiligten,
- Streitkulturentwicklung im Verfahren und während des Verfahrens.
Als „ökonomische Effizienzvariablen“ wurden die folgenden Faktoren formuliert:
- Vermeidungwahrscheinlichkeit von Folgeverfahren,
- Arbeitsbelastungsvergleich und Kosten-Nutzen-Vergleiche bei den Gerichten als mikroökonomische Effizienzdimension,
- Nachhaltigkeit der Verfahrensergebnisse als „makroökonomisches“ Wohlfahrtskalkül (makroökonomisches Kosten-Nutzen-Kalkül).
Daraus lässt sich folgende Basishypothese als Ursache-Wirkungs-Zusammenhang formulieren:
HB: Der Einsatz des Konfliktregelungskonzepts „Integrierte Mediation“ erhöht die sozialpsychologische und ökonomische Effizienz von Gerichtsverfahren sowohl in prozessualer als auch in ergebnisbezogener Hinsicht im Vergleich zu „klassischen“ Verfahren.
bzw.
Je höher der Modellanwendungsgrad der „Integrierten Mediation“ (bzw. des Einsatzes mediativer Elemente), desto höher die sozialpsychologische und ökonomische Effizienz der Abwicklung von gerichtlichen Streitfällen in verfahrens-und ergebnisbezogener Hinsicht.
Daraus lassen sich die folgenden Sub-Hypothesen deduktiv ableiten:
- HB1: Der Einsatz des Modells „Integrierte Mediation“ erhöht den Zufriedenheitsgrad der Verfahrensbeteiligten hinsichtlich Verfahrensweise und Verfahrensergebnis (im Vergleich zu den klassischen Verfahren).
- HB2: Der Einsatz des Modells „Integrierte Mediation“ erhöht die Verfahrensund Ergebnisakzeptanz bei den Verfahrensbeteiligten (im Vergleich zu den „klassischen“ Verfahren).
- HB3: Der Einsatz des Modells „Integrierte Mediation“ verbessert die Streitkultur in den Verfahren (im Vergleich zu den „klassischen“ Verfahren).
- HB4: Der Einsatz des Modells „Integrierte Mediation“ erhöht die Vermeidungswahrscheinlichkeit von Folgeverfahren (im Vergleich zu den „klassischen“ Verfahren).
- HB5: Der Einsatz des Modells „Integrierte Mediation“ verringert (langfristig) die („mikroökonomische“) Arbeitsbelastung (und erhöht damit die KostenNutzen-Relation) der Gerichte (im Vergleich zu den „klassischen“ Verfahren).HB6: Der Einsatz des Modells „Integrierte Mediation“ erhöht langfristig die gesamtwirtschaftliche „Wohlfahrt“ (erhöht die makroökonomische KostenNutzen-Relation) (im Vergleich zu „klassischen“ Verfahren).
VIII. Zur empirischen Überprüfung des Theorien-und Hypothesenkatalogs der Bestimmung und Anwendung des Modells „Integrierte Mediation“ (bzw. mediativer Elemente) im Vergleich Projektgruppe „Integrierte Mediation“ und Referenzgruppe „klassische Verfahren“
Der vorliegende wissenschaftliche Evaluationsbericht zum Justizprojekt „Integrierte Mediation“ versucht zunächst, die Rahmenbedingungen, unter denen die betrachteten Konfliktfälle vor Gericht, also Streitfälle in Familienangelegenheiten, ablaufen, zu beschreiben, sodann Erklärungsaussagen zu Entstehung und Wirkung verschiedener Verhaltensweisen in gerichtlichen Konfliktfällen zu gewinnen und schließlich Erkenntnisse über die Wirksamkeit eines bestimmten Konfliktlösungskonzepts, nämlich der „Integrierten Mediation“ im Vergleich zum „klassischen Gerichtsverfahren“, anhand definierter Effizienzkriterien zu erarbeiten.
In diesem Sinne wird eine sog. „Realtheorie der ‚Integrierten Mediation‘“ konstruiert. Gegenstand dieser Realtheorie der „Integrierten Mediation“ ist die Erforschung der Prozesse, Methoden, „Didaktiken“ und intendierten Zielsetzungen einer gerichtsinternen Streitbewältigung. Grundlegende Absicht im wissenschaftlichen Aspekt ist die Gewinnung gehaltvoller Hypothesen sowohl über das „menschliche Verhalten“ in den betrachteten Streitfällen, als auch über „technische Vorgänge“, die zur Streitbeilegung führen („klassischer“ Richterentscheid vs. konsensorientierte Entscheidungsfindung unter mediativer Anleitung).
Die „Realtheorie der ‚Integrierten Mediation‘“ befasst sich also mit dem Gesamtkomplex menschlichen Verhaltens und dessen diverser Wirkungsweisen in realen gerichtlichen Streitfällen.
So gesehen ist die Realtheorie der „Integrierten Mediation“ ein erweiterter Spezialfall einer „Theorie der Konfliktregelung durch Gerichtsentscheid“, in dem das klassische Prozedere zum einen gewahrt wird bzw. „existent bleibt“, jedoch um dezidiert mediative „Kunstelemente“ im Verfahren angereichert wird, um eine nach Möglichkeit konsensuelle Konfliktlösung unter Verminderung nachhaltig schädlicher Wirkungen auf alle Beteiligten und die Gesellschaft zu realisieren.
Eine „Realtheorie der ‚Integrierten Mediation‘“, also ein theoretisch-analytischer Ansatz, der sich mit der Wirklichkeit und den Tatsachen beschäftigt, umfasst jedoch konsequenter-und pragmatischerweise nicht nur die Formulierung von Theorienbzw. Hypothesensätzen, sondern auch die empirische Überprüfung von Theorien und Hypothesenkatalogen an der Realität, in unserem Falle also an dem „empirischen Prüffeld“ realer Gerichtsfälle.
Der methodologische und methodische Grundansatz der empirischen Theorien-und Hypothesenüberprüfung im Justizprojekt „Integrierte Mediation“ beruht auf dem Basiskonzept der Aktionsforschung. In diesen Aktionsforschungskomplex eingebettet war eine Primärerhebung von realen Gerichtsfällen auf der Basis eines vollstrukturierten und standardisierten Fragebogens bei einer Stichprobe an Projektpartizipanten und einer nämlichen Stichprobe der Referenzgruppe „klassische Verfahren“ in Familienangelegenheiten.
Bei der von uns gewählten Primärerhebung auf Fragebogenbasis zum Vergleich des Prozesses und der Ergebnisse Integriert-basierter Gerichtsverfahren und klassischer Gerichtsverfahren in Familienstreitigkeiten handelt es sich um ein sog. „Quasi-Feldexperiment“.
Ein sog. „Feldexperiment“ (als empirische Beobachtungsmethode) ist gekennzeichnet durch die Authentizität der Erhebungssituation – in unserem Falle reale Gerichtsverfahren.
Die zugrunde liegende Primärerhebung zielte auf die Gewinnung von Datensätzen, beruhend auf den „Aufzeichnungen“ aus den standardisierten und vollstrukturierten Erhebungsbögen, die an alle relevanten Partizipanten des „Integrierten“ Mediationsverfahrens und des „klassischen“ Verfahrens jeweils nach Beendigung des Prozesses ausgegeben wurden, nämlich die Richter, die Parteien, die Parteienvertreter und die sonstigen Professionen.
Die Fragen waren – bis auf die demographischen Aspekte – weitgehend identisch, wodurch die nötige interne Reliabilität gesichert war.
Es handelt sich um eine sog. Quasi-Feldstudie bzw. ein sog. Quasi-Feldexperiment,
da es methodisch zum einen den „Beobachtungsverfahren“ zuzuordnen ist durch die Tatsache, dass das Untersuchungsprozedere auf reale Gerichtsverfahren gestützt war. Zum zweiten jedoch wurden die Verfahrensabläufe und Verfahrensergebnisse (sowohl bei der Projektgruppe „Integrierte Mediation“ als auch bei der Referenzgruppe „klassische Verfahren) auf der Basis des erwähnten standardisierten und vollstrukturierten Fragebogens erfasst, was wiederum einem Element der Befragungsmethodik als Primärerhebungstechnik zuzuordnen ist.
Das empirische Design bzw. Erhebungsdesign der Quasi-Feldstudie bestand aus folgenden Phasen:
- Entwicklung des vollstrukturierten und standardisierten Fragebogens bzw. Erhebungsbogens (zum Einsatz jeweils nach Abschluss der realen Gerichtsfälle in Familienangelegenheiten sowohl in der Projektgruppe als auch in der Referenzgruppe);
- Validierung und Pretests der entwickelten Erhebungsbögen in der Projektgruppe und durch Expertenevaluation;
- Konzeption der Personenstruktur der komparativen Erhebung „Projektgruppe vs. Referenzgruppe“, wobei die folgende „personelle Besetzung“ der empirischen Untersuchung repräsentiert wurde:
- In der Projektgruppe (also der Gruppe der Gerichtsfälle nach dem Verfahren der „Integrierten Mediation“) nahmen insgesamt 18 Richterinnen und Richter teil, die insgesamt zwölf „dazugehörigen“ Amtsgerichten angehörten.
- Die in die Projektgruppe einbezogenen weiteren Partizipanten (Parteien, Parteienvertreter und sonstige Professionen) beliefen sich auf insgesamt 163 Personen, was auch der Anzahl der „Respondenten“ unserer Fragebögen entspricht (in diesen 163 Respondenten der Projektgruppe sind auch die oben genannten erkennenden Richter enthalten).
- Die Referenzgruppe der Untersuchung (also die „Untersuchungseinheiten“, deren Gerichtsfälle nach klassischen Verfahren durchgeführt wurden), umfasste insgesamt 13 Richterinnen und Richter in insgesamt acht „dazugehörigen“ Amtsgerichten.
- Die Anzahl der sonstigen Partizipanten in der Referenzgruppe (Parteien, Parteienvertreter, sonstige Professionen), belief sich – inklusive der erkennenden Richter – auf insgesamt 201, was ebenfalls der Anzahl der „Respondenten“ unserer Fragebögen entspricht.
- Insgesamt nahmen somit in der Projektgruppe 163 Fragebogen-Respondenten teil; in die Referenzgruppe waren insgesamt 201 Fragebogen-Respondenten involviert. Die Anzahl der Fragebogen-Rückläufe in der Projektgruppe summierte sich auf insgesamt 167, die in der Referenzgruppe auf insgesamt 212. Die Differenz in den jeweiligen Gruppen stammt aus der Tatsache, dass insgesamt 4 (in der Projektgruppe) und 11 (in der Referenzgruppe) Fragebögen aus „antworttechnischen“ Gründen nicht in die statistische Analyse einbezogen werden konnten.
- Insgesamt repräsentiert somit die Personenstruktur unserer wissenschaftlichen Erhebung das Erfordernis einer Mindeststichprobe von knapp 400 „Elementen“, um die nach wissenschaftlichen Konventionen gängigen Kriterien eines Sicherheitsgrades von ca. 95% bei einem maximal zugelassenen Stichprobenfehler von ca. 6% zu erfüllen. Insgesamt ergab sich ein Erhebungsvolumen von ca. 400 Fragebogeneinheiten als Responses zur Bewertung der Verfahrensabläufe und Verfahrensergebnisse der realen Gerichtsfälle, wobei man von einer hinreichenden Repräsentativität der Personenstichprobe unter Annahme der Gauß’schen Normalverteilung ausgehen kann.
Die empirische Feldstudie realer Gerichtsfälle in der Projektgruppe und Referenzgruppe wurde im September 2009 endgültig abgeschlossen, gefolgt von der Durchführung der statistischen Interpretations-und Auswertungsanalysen auf der Basis univariater, bivariater und multivariater statistischer Prozeduren unter Nutzung des am weitesten verbreiteten und am meisten ausgereiften computergestützten Statistikpaketes SPSS Statistics.
Als nächster und abschließender Schritt zur Konstruktion des empirischen Designs bzw. Erhebungsdesigns wurde die Operationalisierung der Untersuchungsvariablen durchgeführt.
Die Operationalisierung von Untersuchungsvariablen ist die „Übersetzung“ der „theoretischen“ Begriffe in „empirische“ Begriffe, also die Herbeiführung der Messbarkeit der Variablen durch die Bildung sog. „Indikatoren“. Indikatoren sind nominal, ordinal oder kardinal skalierte Messgrößen für „theoretische“ Konstrukte, die nicht unmittelbar bzw. aus Erfahrungswissen (wie z. B. Geschwindigkeitsmessung, Temperaturmessung, etc.) verfügbar sind und durch plausible „Artefakte“ konstruiert werden müssen.
Die Operationalisierung bzw. Indikatorisierung der Variablen erfolgte dabei im Wesentlichen durch die Formulierung der Erhebungsfragen im standardisierten und vollstrukturierten Fragebogen und insbesondere durch die zugrunde liegenden Skalierungen der Erhebungsfragen.
Die Operationalisierung und Indikatorisierung der Untersuchungsvariablen erfolgte sowohl für die sog. Bestimmungsvariablen des Modellanwendungsgrades „Integrierte Mediation“ (bzw. mediativer Elemente) als auch für die Wirkungsvariablen-Zusammenhänge, also zur Feststellung der Effizienzdimensionen des Einsatzes der „Integrierten Mediation“ in der Projektgruppe bzw. mediativer Elemente in klassischen Prozeduren.
Orientierungsrahmen für die Operationalisierung und Indikatorisierung sind dabei die zugrunde liegenden Ausgangshypothesen bzw. Basishypothesen, die im Zuge der theoretisch-analytischen Fundierung gelegt wurden, also im Einzelnen
HA: Der Anwendungsgrad der Modellelemente „Integrierte Mediation“ (resp. Einsatz mediativer Elemente in klassischen Verfahren) hängt ab von den Bestimmungsgrößen (zu Verfahrensbeginn und zu Verfahrensende) Konfrontationsgrad, eingesetzte Verfahrensmittel, Ausbildungsintensität/Ausbildungskosten der Mediatoren und Ausbildungserfolg bzw. Nutzungsgrad der mediativen Elemente.
resp.
HB: Der Einsatz des Konfliktregelungskonzepts „Integrierte Mediation“ erhöht die sozialpsychologische und ökonomische Effizienz von Gerichtsverfahren sowohl in prozessualer als auch in ergebnisbezogener Hinsicht im Vergleich zu „klassischen Verfahren“. Gerichtsverfahren, die nach dem Modell „Integrierte Mediation“ durchgeführt werden, sind sowohl in sozialpsychologischer als auch in ökonomischer Hinsicht effizienter (verfahrens-und ergebnisbezogen) als Gerichtsverfahren, die nach „klassischen Prozeduren“ abgewickelt werden.
IX. Zu den zentralen Ergebnissen der empirischkomparativen Evaluation des Justizprojekts „Integrierte Mediation“ im Vergleich Projektgruppe „Integrierte Mediation“ und Referenzgruppe „klassische Verfahren“
Zur Durchführung der statistischen Auswertungen, Analysen und Interpretationen haben wir das Statistikpaket SPSS in seiner neuesten (computerbasierten) Version verwendet. Mit Hilfe dieses Statistikpakets wurden alle statistischen Prozeduren im Kontext der deskriptiven und inferenziellen Verfahren realisiert.
Im Wesentlichen wurden zur Überprüfung unserer Hypothesensätze univariate, bivariate und multivariate statistische Verfahren angewandt, Korrelations-und Regressionsanalysen durchgeführt, Strukturgleichungsmodelle entwickelt und parametrische und nicht-parametrische Testverfahren zur Überprüfung der sog. „Null-Hypothesen“ und „Alternativ-Hypothesen“ herangezogen.
Die Stichprobengröße der Feldstudie der real erhobenen Gerichtsfälle betrug im Fall der Projektgruppe 59 Fälle mit einem Volumen von 163 rückläufigen Fragebögen. Die Stichprobengröße in der Referenzgruppe (klassische Verfahren) umfasste insgesamt 74 Fälle mit einer Rücklaufquote von 201 Erhebungsbögen. Insgesamt konnten somit 364 Fragebögen statistisch-analytisch ausgewertet werden, was auf eine – unter wissenschaftlichen Konventionen – hinreichende Stichprobengröße im Hinblick auf die Repräsentation der Partizipanten in den Gerichtsfällen schließen lässt.
Insgesamt nahmen an der empirischen Feldstudie 31 Richter aus 19 Amtsgerichten teil, davon 18 Richter/-innen in der Projektgruppe „Integrierte Mediation“ und 13 Richter/Richterinnen in der Referenzgruppe „klassische Verfahren“.
92% der Verfahren in der Projektgruppe „Integrierte Mediation“ wurden einer einvernehmlichen Regelung zugeführt. Lediglich 3% der Verfahren wurden „streitig“ geregelt und gut 5% der Verfahren in sonstiger Weise beendet.
Die Referenzdaten für die Referenzgruppe „klassische Verfahren“ lauten: Ca. 85% der Verfahren – also deutlich weniger als in der Projektgruppe „Integrierte Mediation“ – wurden einvernehmlich geregelt, ca. 10% wurden einer streitigen Regelung zugeführt, die übrigen 5% wurden in sonstiger Weise beendet.
Ein zentraler Bestandteil des Hypothesenkomplexes in unserer wissenschaftlichen Evaluationsuntersuchung bezieht sich auf die Bestimmungsgründe für die Intensität der Modellanwendung „Integrierte Mediation“ bzw. die (mediativen) Verhaltens-und Vorgehensprozeduren in den durchlaufenen dokumentierten realen Gerichtsfällen (auch nach klassischem „Muster“).
Die empirisch-statistischen Auswertungen ergaben dabei die folgenden Befunde:
[1] Tendenziell wiesen die empirisch erhobenen Gerichtsfälle sowohl nach klassischen Verfahren als auch in der Projektgruppe „Integrierte Mediation“ zu Beginn des Verfahrens einen hohen Konfliktgrad auf.
[2] Die in der Projektgruppe „Integrierte Mediation“ durchgeführten Verfahren zeichnen sich dadurch aus, dass eine nachweisbar deutlichere Senkung des Konfrontationsgrades im Vergleich Verfahrensbeginn und Verfahrensende herbeigeführt werden konnte als in den Gerichtsverfahren nach klassischen Prozeduren.
[3] Die Sachlichkeit, Spannungsgeladenheit und Kooperationsbereitschaft der involvierten Parteien zu Ende des Verfahrens war in der Projektgruppe „Integrierte Mediation“ deutlich in positiverer Richtung ausgeprägt als in den Verfahren nach klassischen Prozeduren.
[4] Hinsichtlich der Verringerung des Konfliktgrades im Laufe der Verfahren ergibt sich somit ein potentieller Effizienzvorteil der „Integrierten Mediation“ gegenüber den klassischen Verfahren.
[5] In der Projektgruppe „Integrierte Mediation“ wurden „mediativkommunikative Verfahren und Konzepte“ (erwartungsgetreu) in signifikant stärkerem Maße eingesetzt als in der Referenzgruppe „klassische Verfahren“.
[6] In der Projektgruppe „Integrierte Mediation“ war die Anregung an die Konfliktparteien zur konstruktiven Mitarbeit im Sinne einer einvernehmlichen Konfliktregelung höher ausgeprägt als in der Referenzgruppe „klassische Verfahren“.
[7] Darüber hinaus wurde festgestellt, dass in der Projektgruppe „Integrierte Mediation“ im Laufe und gegen Ende des Gerichtsverfahrens eine signifikant höhere Kooperationsbereitschaft aller Beteiligten zu beobachten war als in der Referenzgruppe „klassische Verfahren“.
[8] Insgesamt war in beiden Gruppen, Projektgruppe „Integrierte Mediation“ und Referenzgruppe „klassische Verfahren“, die Tatsache feststellbar, dass der Intensitätsgrad des Einsatzes mediativer Verfahren abhängig war vom Konfrontationsgrad der Gerichtsverfahren zu Beginn und im Laufe der Verfahrensabwicklung. Tendenziell konnte in der Projektgruppe „Integrierte Mediation“ ein höherer Grad an tatsächlicher Mediationsintensität festgestellt werden als in der Referenzgruppe „klassische Verfahren“.
[9] Das insgesamt in die Ausbildung und Schulung in „mediativen“ Konfliktmanagementkompetenzen investierte Zeitvolumen ist in der Projektgruppe „Integrierte Mediation“ signifikant um ein Mehrfaches stärker ausgeprägt als das korrespondierende Zeitvolumen der Ausbildung in der Referenzgruppe. So gesehen fällt die Ausbildungsintensität in der Projektgruppe „Integrierte Mediation“ deutlich höher aus als vergleichsweise in der Referenzgruppe „klassische Verfahren“.
[10] Summa summarum kann festgehalten werden, dass zwischen der Ausbildungsintensität resp. dem Ausbildungsaufwand zur Schulung in mediativen, kommunikativen und konfliktmanagementbezogenen Elementen und deren tatsächlicher Anwendung in den beobachteten Streitfällen ein nachvollziehbarer Zusammenhang existiert. Dies bedeutet, dass wiederum der Intensitätsgrad mediativer Elemente in der Projektgruppe „Integrierte Mediation“ signifikant höher ausfällt als in der Referenzgruppe „klassische Verfahren“.
[11] Ebenso kann festgestellt werden, dass der Nutzungsgrad kommunikativ mediativer Konfliktregelungstechniken in der Projektgruppe „Integrierte Mediation“ signifikant über dem Nutzungsgrad dieser Elemente in der „klassischen“ Referenzgruppe liegt.
[12] Zusätzlich kann zusammenfassend festgestellt werden, dass in der Tat der „Mediationsgrad“ – also die kommunikative, einvernehmlich konfliktlösungsorientierte, „sozialpsychologisch“ motivierte Konfliktregelungsintensität in der Projektgruppe „Integrierte Mediation“ tendenziell höher ausfällt als in der Referenzgruppe nach klassischen Verfahren.
Dies bedeutet, dass in der durchgeführten Feldstudie in Bezug auf die realiter beobachteten Gerichtsfälle höhere „mediative“ Anstrengungen und Prozeduren in der Projektgruppe „Integrierte Mediation“ stattfanden als im Vergleich dazu in den nach klassischen Methoden abgewickelten Gerichtsfällen.
X. Zentrale Ergebnisse der Hypothesenprüfung hinsichtlich der Effizienzwirkung der Modellanwendung des Konfliktregelungskonzepts „Integrierte Mediation“ resp. „mediativer Elemente“ im Vergleich Projektgruppe und Referenzgruppe
Im Folgenden werden nunmehr zusammenfassend die zentralen Ergebnisse der Evaluierung des Effizienzvergleichs zwischen Projektgruppe „Integrierte Mediation“ und Referenzgruppe „klassische Verfahren“ referiert. Diesem Untersuchungsabschnitt liegt die folgende Basishypothese zugrunde:
HB: Der Einsatz des Konfliktregelungskonzepts „Integrierte Mediation“ erhöht die sozialpsychologische und ökonomische Effizienz von Gerichtsverfahren sowohl in prozessualer als auch in ergebnisbezogener Hinsicht im Vergleich zu klassischen Verfahren.
bzw.
Je höher der Modellanwendungsgrad der „Integrierten Mediation“ (resp. je höher der Anwendungsgrad „mediativer Elemente“ in klassischen Verfahren), desto höher ist tendenziell die sozialpsychologische und ökonomische Effizienz bei der Abwicklung von gerichtlichen Streitfällen in verfahrens- und ergebnisbezogener Hinsicht.
bzw.
Gerichtsverfahren, die nach dem Modell „Integrierte Mediation“ durchgeführt werden, sind sowohl in sozialpsychologischer als auch in ökonomischer Hinsicht effizienter als Gerichtsverfahren, die nach „klassischen“ Prozeduren abgewickelt werden.
Es zeigten sich die folgenden Befunde:
[13] Die statistisch-empirischen Resultate ergaben, dass hinsichtlich der sozialpsychologischen Effizienzdimension „Zufriedenheitsgrad mit der Verfahrensabwicklung und dem Verfahrensergebnis“ die Projektgruppe „Integrierte Mediation“ ein signifikant besseres „Gesamtresultat“ erzielte als die nach klassischen Verfahren abgewickelten Gerichtsfälle.
[14] Dieses empirische Ergebnis wird auch bestätigt hinsichtlich des Zufriedenheitsgrades der jeweiligen beiden Streitparteien. Auch hierbei liegt die Effizienz der Projektgruppe „Integrierte Mediation“ nachvollziehbar über der Effizienz der Referenzgruppe „klassische Verfahren“.
[15] Diese Einschätzung wird auch bestätigt durch den sog. „Erfreutheitsgrad in der Verfahrensbearbeitung“ und „Zufriedenheitsgrad mit der im Verfahren gespielten Rolle“ hinsichtlich des Vergleichs Projektgruppe „Integrierte Mediation“ und Referenzgruppe „klassische Verfahren“. Die Projektgruppe schneidet dabei tendenziell besser ab. Auch auf der Basis durchgeführter Korrelationsanalysen kann der Schluss gezogen werden, dass tendenziell gesehen hinsichtlich des „Zufriedenheitsgrades mit der Verfahrensabwicklung und dem Verfahrensergebnis“ ein wahrnehmbarer Effizienzvorteil auf Seiten der Projektgruppe „Integrierte Mediation“ im Vergleich zur Referenzgruppe „klassische Verfahren“ festzustellen ist.
[16] Hinsichtlich des Nützlichkeitsgrades des Verfahrensergebnisses ist ebenfalls ein deutlicher Effizienzvorteil der Projektgruppe „Integrierte Mediation“ im Vergleich zur Referenzgruppe „klassische Verfahren“ festzustellen.
[17] Auch bezüglich der Effizienz-Subvariablen „Verfahrens-und Ergebnisakzeptanz“ ist ein wahrnehmbarer und teilweise statistisch signifikanter Effizienzvorteil auf Seiten der Projektgruppe „Integrierte Mediation“ im Vergleich zur Referenzgruppe „klassische Verfahren“ festzustellen. Daraus ist zu schließen, dass hinsichtlich der Verfahrens-und Ergebnisakzeptanz der Einsatz der „Integrierten Mediation“ bessere Ergebnisse „kreiert“ als klassische Gerichtsprozeduren.
[18] Ebenso ist festzustellen, dass sich in der Projektgruppe „Integrierte Mediation“ die Streitkultur im Laufe des Verfahrens deutlich stärker verbessert hat als in der Referenzgruppe „klassische Verfahren“. Es besteht somit wiederum ein nachvollziehbarer Effizienzvorteil hinsichtlich der Streitkulturverbesserung nach dem Konfliktregelungskonzept „Integrierte Mediation“ gegenüber klassischen Gerichtsprozeduren.
[19] Insgesamt gesehen wird somit eindrucksvoll die Teilhypothese substantiiert, dass in der Projektgruppe „Integrierte Mediation“ ein positiverer Zusammenhang zwischen einem höheren Mediationsgrad und einer höheren sozialpsychologischen Effizienz der Verfahrensabläufe und Verfahrensergebnisse besteht.
[20] Die empirisch-statistischen Ergebnisse belegen, dass hinsichtlich der „ökonomischen Effizienzdimension“ ein wahrnehmbarer und statistisch signifikanter Einschätzungsunterschied in der Wahrscheinlichkeit bzw. Unwahrscheinlichkeit von Folgeverfahren zugunsten der Projektgruppe „Integrierte Mediation“ (im Vergleich zur Referenzgruppe „klassische Verfahren“) existiert. Die Wahrscheinlichkeit von Folgeverfahren wird in der Projektgruppe „Integrierte Mediation“ deutlich geringer eingeschätzt als in der Referenzgruppe „klassische Verfahren“.
[21] Ebenso konnte die Hypothese bestätigt werden, dass hinsichtlich der tendenziellen „Einvernehmlichkeit der Verfahrensergebnisse“ und der daraus folgenden „Prozesskostenverteilung“ ein Effizienzvorteil wiederum auf Seiten der Projektgruppe „Integrierte Mediation“ im Vergleich zur Referenzgruppe „klassische Verfahren“ festzustellen ist.
[22] Zum Vergleich der Arbeitsbelastung in der Projektgruppe „Integrierte Mediation“ und in der Referenzgruppe „klassische Verfahren“ wurde ein sog. „Arbeitsbelastungskoeffizient“ für beide Gruppen ermittelt. Hierbei ergab sich, dass zum einen die „komplette“ Arbeitsbelastung als Aufwandsgröße offensichtlich in den klassischen Verfahren höher anzusetzen ist als in den Verfahren nach „Integrierter Mediation“, was zunächst überraschend klingt, da man annehmen müsste, dass aufgrund der ausgedehnteren und intensiveren „Kommunikationsnotwendigkeit“ in der Projektgruppe „Integrierte Mediation“ ein höherer Verzehr an Zeitinput vorliegen sollte. Dies ist jedoch offensichtlich „nur“ nachweisbar in den Sitzungen selbst, also dort, wo die Kommunikation bzw. Mediation bzw. „Auseinandersetzung“ tatsächlich stattfindet. Dort liegt konsequenterweise und logischerweise der Zeitverzehr in der Projektgruppe „Integrierte Mediation“ signifikant höher als in der Referenzgruppe „klassische Verfahren“.
[23] Das Belastungsempfinden außerhalb des professionellen Umgangs mit den Gerichtsverfahren liegt bei den erkennenden Richtern in der Referenzgruppe „klassische Verfahren“ etwas höher als in der Projektgruppe „Integrierte Mediation“. Dies ist dadurch erklärbar, dass aufgrund der intensiven Kommunikations-und Rekonzilianzbemühungen die „Gewissensempfindung“ des eigenen Inputs in den Verfahren nach „Integrierter Mediation“ etwas „beruhigter“ und „satisfaktorischer“ ausfällt.
[24] Unsere empirischen Analysen stützen auch die Hypothese, dass das Konfliktregelungskonzept „Integrierte Mediation“ das Potential besitzt, einen „ökonomischen Effizienzvorteil“ gegenüber klassischen Verfahren (zumindest mittel-bis langfristig) zu „produzieren“, da nachweislich zunehmende mediative Intensitäten zumindest das individual-psychologische Belastungsempfinden sowohl im beruflichen als auch im außerberuflichen Kontext reduzieren und somit zumindest „indirekt“ zu einer Reduktion langfristiger „Folgekosten“ (z. B. durch Krankheitsausfälle, physisch-psychische Beeinträchtigung und Therapien, etc.) führen können.
[25] Sowohl für die Projektgruppe „Integrierte Mediation“ als auch für die Referenzgruppe „klassische Verfahren“ wurde ein sog. „Wertverzehrskoeffizient“ aus den empirisch betrachteten Gerichtsfällen ermittelt, der sich zusammensetzt als Quotient aus dem Mittelwert der Prozesskosten plus dem Mittelwert der Gerichtskosten plus dem Mittelwert der Sachverständigenkosten dividiert durch den mittleren Streitwert. Hierbei wurde festgestellt, dass unter Betrachtung der einzelnen und kumulierten Verfahrenskosten im Bezug zum Streitwert ein nachhaltiger und signifikanter ökonomischer Effizienzvorteil auf Seiten der Projektgruppe „Integrierte Mediation“ im Vergleich zur Referenzgruppe „klassische Verfahren“ existiert.
[26] Es besteht die empirisch begründete Erwartung, dass langfristig das Kostenvolumen für Gerichtsstreitigkeiten in Familienangelegenheiten durch den Einsatz der „Integrierten Mediation“ tendenziell sinken wird – im Vergleich zu klassischen Verfahren – jedoch – insbesondere für die erkennenden (Mediations-) Richter – erhöhte Zeit-und Arbeitsintensität hierbei anfallen wird.
[27] Die empirischen Ergebnisse deuten darauf hin, dass tendenziell ein – wenn auch schwach ausgeprägtes – Reduktionspotential langfristiger Gesundheitsschäden bei den Streitparteien durch den Einsatz der „Integrierten Mediation“ als wahrscheinlich angesehen wird.
[28] Es steht des weiteren zu erwarten, dass der Zusatznutzen durch den Einsatz der „Integrierten Mediation“ – im Vergleich zu klassischen Verfahren – den Zusatzaufwand tendenziell übersteigen wird.
[29] Grundsätzlich stützen die empirischen Ergebnisse die Hypothese, dass der Einsatz der „Integrierten Mediation“ insgesamt einen überwiegend nutzenstiftenden Aspekt gegenüber den zusätzlich zu erwartenden Aufwendungen, Kosten und Inputs aufweist. Somit kann die Hypothese als bewährt gelten, dass der Einsatz der „Integrierten Mediation“ einen positiven Einfluss auf die ökonomische Effizienz von Gerichtsverfahren – im Vergleich zu klassischen Verfahren – ausüben wird.
[30] Diese Einschätzung wird auch durch die Ergebnisse in der Referenzgruppe „klassische Verfahren“ tendenziell bestätigt. Hieraus geht hervor, dass der benötigte Zeitaufwand für die Verfahrensbearbeitung durchaus deutlich zugenommen hat (im Zeitreihenvergleich) und dass tendenziell die latente Eintrittswahrscheinlichkeit von Folgeverfahren in Gerichtsstreitigkeiten nach klassischen Prozeduren durchaus latent gegeben ist. Komparativ betrachtet deuten auch diese Ergebnisse in der Referenzgruppe darauf hin, dass die Erwartungshaltung dominiert, der Einsatz des Konfliktregelungskonzepts „Integrierte Mediation“ lasse tendenziell und mittelfristig auch durchaus ökonomische Effizienzvorteile gegenüber den klassischen Gerichtsprozeduren erwarten.
[31] Die empirische Felduntersuchung bestätigt des weiteren generell die Einschätzung eines positiven „ökonomischen“ Einflusses des Einsatzes des Konfliktregelungskonzepts „Integrierte Mediation“ in Familiengerichtsverfahren auf die Kosten-Nutzen-Relationen des öffentlichen Guts „Rechtsprechung und Rechtspflege“. Die positiven „ökonomischen“ Langzeiteinflüsse der „Integrierten Mediation“ überwiegen dabei einschätzungsgemäß die ökonomischen Einflusseffekte in den klassischen Gerichtsverfahren in Familienangelegenheiten. So gesehen kann partiell und übergreifend ein ökonomischer Effizienzvorteil der „Integrierten Mediation“ gegenüber den klassischen Prozeduren festgestellt werden, summarisch auch hinsichtlich der drei ökonomischen Effizienz-Subvariablen „Vermeidungswahrscheinlichkeit von Folgeverfahren“, „objektive und subjektive Arbeitsbelastung und psychische Belastung“ (innerhalb und außerhalb des beruflichen Kontextes) und „experten-subjektive Kosten resp. Kosten-Nutzen-Relationseinschätzung“.
[32] Zur Validierung der empirischen Ergebnisse beruhend auf den Fragebogenerhebungen der Feldstudie wurden zusätzlich ökonomisch-mathematische Kalküle wie die Kapitalwertmethode, die Wohlfahrtsfunktion und die Integralrechnung herangezogen. Zielsetzung war dabei, festzustellen, ob auch in objektivierter mathematischer Hinsicht sich die tendenziellen Effizienzvorteile des Konfliktregelungskonzepts „Integrierte Mediation“ gegenüber dem Konfliktregelungskonzept „klassische Gerichtsverfahren“ bestätigen.
[33] Der Einsatz der Kapitalwertmethode als mittelfristig angelegter KostenNutzen-Vergleich bzw. „diskontierter“ Ausgaben-/Einnahmen-Vergleich ergab einen signifikanten sozialpsychologischen und ökonomischen Effizienzvorteil des Konfliktregelungskonzepts „Integrierte Mediation“ im Vergleich zum Konfliktregelungskonzept „klassische Verfahren“. Somit wurde auch hier die Basishypothese substantiiert.
[34] Die Basishypothese des tendenziellen sozialpsychologischen und ökonomischen Effizienzvorteils der „Integrierten Mediation“ gegenüber den klassischen Verfahren wurde auch durch eine „Makro“-Wohlfahrtsanalyse bestätigt. Hierbei wurden aggregierte Nutzenaspekte und „Belastungsaspekte“ einander gegenüber gestellt. Die ermittelte „repräsentative“ Wohlbefindensfunktion (Wohlfahrtsfunktion) – in Beziehung zur subjektiven Arbeitsbelastungsfunktion – bestätigt wiederum die Hypothese des relativen Effizienzvorteils des Konfliktregelungskonzepts „Integrierte Mediation“ im Vergleich zu klassischen Verfahren in Familiengerichtsstreitigkeiten.
[35] Letztendlich wurde das mathematische Verfahren der Ermittlung eines bestimmten Integrals zwischen den aggregierten „Nutzenfunktionen“ in der Projektgruppe „Integrierte Mediation“ und in der Referenzgruppe „klassische Verfahren“ zur abschließenden Analyse herangezogen. Die Differenzmaße zwischen den Kosten-Nutzen-Funktionen „Integrierte Mediation“ und „klassische Verfahren“ bestätigen wiederum die Hypothese eines relativen Effizienzvorteils der „Integrierten Mediation“ gegenüber klassischen Prozeduren.
[36] Abschließend wurde unser komplexer kausalanalytischer Variablenzusammenhang einer statistischen Faktorenanalyse unterzogen mit dem Zweck, die vielfältigen operationalisierten und indikatorisierten Einflussvariablen der einander gegenübergestellten Konfliktregelungskonzepte „Integrierte Mediation“ vs. „klassische Verfahren“ auf eine überschaubare Anzahl an Variablen – statistisch: Faktoren – zu verdichten. Diese „übergreifende“ Kausalstruktur zur Effizienzanalyse des Justizprojekts „Integrierte Mediation“ im Vergleich zu klassischen Prozeduren kann zusammenfassend folgendermaßen dargestellt werden:
Daraus geht zum einen hervor, dass der Anwendungsgrad der „Integrierten Mediation“ bzw. der Anwendungsgrad mediativer Elemente (in klassischen Verfahren) nachhaltig bestimmt wird durch den Konfrontationsgrad im Verfahren zu Verfahrensbeginn und zu Verfahrensende, durch die eingesetzten mediativ-kommunikativen Verfahrensmittel, durch die sach-einschlägige Ausbildungsintensität der erkennenden Richter (als „Mediatoren“) sowie den Ausbildungserfolg, gemessen im Nutzungsgrad der mediativen Elemente. Die sozialpsychologische Effizienz der Modellanwendung „Integrierte Mediation“ (im Vergleich zum Einsatz mediativer Elemente in klassischen Verfahren) lässt sich grundsätzlich auf die drei Effizienzvariablen „Zufriedenheitsgrad der Beteiligten“, „Ergebnisakzeptanz bei den Beteiligten“ und „Streitkulturverbesserung während des Verfahrens“ zurückführen. Die ökonomische Effizienz wiederum lässt sich auf die drei Effizienzvariablen „Vermeidungswahrscheinlichkeit von Folgeverfahren“, „Reduktion der Arbeitsbelastung“ und „Kosten-Nutzen-Vergleich der Prozeduren und Verfahrensergebnisse“ reduzieren.
[37] Die Ausgangshypothese HA: Der Anwendungsgrad „mediativer Elemente“ in der Projektgruppe „Integrierte Mediation“ ist signifikant höher als der Anwendungsgrad „mediativer Elemente“ in der Referenzgruppe „klassische Verfahren“ hat sich bewährt und bestätigt.
[38] Unsere Basishypothese HB: Der Einsatz des Konfliktregelungskonzepts „Integrierte Mediation“ erhöht die sozialpsychologische und ökonomische Effizienz von Gerichtsverfahren in Familienangelegenheiten sowohl in prozessualer als auch in ergebnisbezogener Hinsicht im Vergleich zu den „klassischen Verfahren“ hat sich bewährt und substantiiert.
XI. Zu den Restriktionen, Limitationen und Implikationen der wissenschaftlichen Untersuchung und Evaluierung
Wie alle „Bemühungen in Menschenhand“ weisen auch wissenschaftliche Untersuchungen – so auch die vorliegende Evaluationsstudie zum Justizprojekt „Integrierte Mediation“ – ihre Einschränkungen, Grenzen und tendenziellen zusätzlichen Implikationen auf.
„Der Wissenschaftler strebt über die verwirrende Vielfalt der Einzelerscheinungen hinaus nach grundsätzlichen Erkenntnissen und allgemein gültigen Zusammenhängen.“694
In diesem Bemühen um Erkenntnisgewinn bzw. auf der Suche nach „Wahrheit“ sind Unzulänglichkeiten, Schwachstellen und Fehler immanente (menschliche) Erscheinungen. Wir stehen deshalb nicht an, summarisch auf einige Restriktionen und Limitationen der vorliegenden wissenschaftlichen Untersuchung hinweisen zu müssen, die dazu Anlass geben, den Ergebnissen der vorliegenden Studie nicht „raum-zeitlose Allgültigkeit“ zu attestieren, sondern sie permanent der kritischen Nachfrage auszusetzen und sich weiterer Verbesserungsbemühungen zu stellen.
Zu diesen Einschränkungen zählen zum einen die zwar generell hinreichende, jedoch unter „strengsten“ Auflagen durchaus limitierten Stichprobenumfänge, die unserer empirischen Feldstudie realer Gerichtsfälle zugrunde lagen. Hierbei wären ein größeres „Sample“ und somit umfangreichere Fragebogenrückläufe wünschenswert gewesen, jedoch standen diesem Bemühen zeitliche und ökonomische Gründe entgegen.
Zum zweiten ist anzumerken, dass grundsätzlich die von uns zur Prüfung der Hypothesen herangezogenen empirischen Datensätze schwergewichtig auf den „subjektiven“ Einschätzungen der Partizipanten in den Gerichtsfällen – also Richter, Parteien, Parteienvertreter und sonstige Professionen – beruhen und es sich somit nicht um „unverrückbar objektive“ hard facts handelt, sondern zum Teil um individuelle Eindrücke, Empfindungen und Werturteile, die durchaus dem Risiko einer Fehlbeobachtung bzw. Fehleinschätzung unterliegen können. Andererseits spiegeln sie jedoch – wie ausführlich begründet – auch subjektive Einschätzungen, wahrgenommene Situationen und Ergebnisse wieder und stellen somit die Grundlage für gesetzgeberische, politische, unternehmerische Entscheidungen etc. dar.
Ebenso ist darauf hinzuweisen, dass die eingesetzten Methoden und Instrumentarien sowohl der Datenerhebung als auch der Datenauswertung und –interpretation da und dort einschränkenden „Sachzwängen“ unterliegen, so z. B. die Auswahl der beteiligten Personen und Partizipanten in der Projektgruppe und in der Referenzgruppe, die Anwendungsentscheidungen bestimmter statistischer Verfahren, die Konstruktion und Interpretation empirischer Skalen und mathematischer Verfahren, die letztendlich auf ein Werturteil im Basisbereich des verantwortlichen Wissenschaftlers zurückzuführen sind.695
Schließlich muss auch darauf hingewiesen werden, dass Hypothesen, die durch eine (oder auch mehrere) empirische Studien grundsätzlich und tendenziell bestätigt werden, nicht einen Allgültigkeitsanspruch behaupten können, da ein letztgültiger „Beweis“ ihrer Richtigkeit durch „menschliches Urteil“ ohnehin nicht möglich ist (also einem „endgültigen Verifizierungsverbot“ im Sinne Karl Popper’s unterliegt).
So gesehen ist anzumerken, dass die vorliegende Arbeit in erster Linie – auf der Basis wissenschaftlicher Bemühungen nach bestem Wissen, Können und Gewissen – nachhaltige Anregungen zur Diskussion und zur ständigen Weiterentwicklung und Verbesserung geben will. Unter diesen einschränkenden Bedingungen bleibt festzuhalten, dass grundsätzlich eine aus wissenschaftlicher Sicht gerechtfertigte Handlungsempfehlung zur Etablierung mediationsgestützter Methoden, Verfahren und Prozesse in gerichtlichen Streitfällen gegeben werden kann, da diese aller Voraussicht nach zumindest die „sozialpsychologische und ökonomische“ Wahrnehmung eines Effizienzvorsprungs und damit zumindest einen bewussteren Umgang mit Konflikten und deren potentiell schädlichen Auswirkungen in individueller und gesamtgesellschaftlicher Hinsicht induzieren.
Allerdings empfiehlt sich ebenso eine weitergehende wissenschaftliche „Begleitforschung“, um über einen längeren Zeitraum hin (auch der durchaus limitierte Betrachtungszeitraum der empirischen Untersuchung ist als „Limitation“ der vorliegenden Studie einzuräumen) noch robustere und tragfähigere Aussagen und Ergebnisse zu generieren.
Summa summarum bleibt also festzustellen, dass auch fundierte und akribische wissenschaftliche Forschung niemals die Garantie der „absoluten Richtigkeit“ der gewonnenen Ergebnisse vorgeben kann. Andererseits kann man wohl begründeterweise – in Anlehnung an John F. Kennedy – konstatieren: „Nur eine Sache auf der Welt ist teurer als wissenschaftliche Forschung – keine Forschung.“ So gesehen lässt sich sowohl optimistisch als auch kritisch-konstruktiv auf die Implikationen wissenschaftlicher Arbeit blicken, zum einen gemäß William Shakespeare: „Jede Schwierigkeit ist leicht, wenn man sie erkennt.“697 „Zuletzt kommt doch die Wahrheit heraus.“698 Zum anderen seien jedoch auch potentielle Grenzen und Schwächen konzediert, deren Überwindung mühsam aber nicht unmöglich erscheint, im Sinne Franklin D. Roosevelt’s: „But while they prate of economic (and societal, d. V.) laws, men and women are starving. We must lay hold of the fact that economic (and societal, d. V.) laws are not made by nature, they are made by human beings.”699
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688 Rüttinger, 1980, S. 20
689 Bonacker, 2005 690 Jost, 1999
692 Frey/Benz: Ökonomie und Psychologie: Eine Übersicht, in: Frey/v. Rosenstiel (2002): Enzyklopädie der Wirtschaftspsychologie, S. 98-130
691 siehe Blake/Shepard/Mouton, 1964
694 Koziol, E.: „Bausteine der Betriebswirtschaftslehre“, 1. Band, 1973, S. 266
695 Vgl. Albert, 1984, S. 64 ff.
696 John F. Kennedy: Inauguration Speech for the Presidency of the United States of America, 22. Januar 1961
697 William Shakespeare: Der Herzog, zitiert nach Adelman/Augustine, 2000, S. 75
698 William Shakespeare: Lanzelot, in: Der Kaufmann von Venedig, zitiert nach ebd.
699 Franklin D. Roosevelt, in: Adler, 2010, einführendes Zitat
693 Projektauftrag zur wissenschaftlichen Begleitung und Evaluation des Justizprojekts „Integrierte Mediation in Familiensachen“, laut Stellungnahme des Oberlandesgerichts Koblenz, 2005
[…] wofür das sogenannte Altenkirchener Modell einen Lösungsansatz geboten hat. In diesem als erfolgreich evaluierten Modell ging es darum, die (hoch zerstrittenen) Eheleute in eine Einigung zu bringen, wobei der Fokus (wie […]